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Albanien 2019
Gewalt gegen Frauen und Mädchen war 2019 weit verbreitet. Schutzmaßnahmen wurden nur unzureichend umgesetzt. Ein umstrittenes Gesetzespaket bedrohte die Freiheit der Onlinemedien.
Hintergrund
Die politische Landschaft war 2019 nach wie vor polarisiert, und im Juni boykottierten die Oppositionsparteien die Lokalwahlen. Regelmäßige, von der Opposition angeführte Proteste waren von Gewalt gezeichnet. Die OSZE äußerte Kritik an den Wahlen. Zwar sei die Stimmabgabe im Allgemeinen friedlich und geordnet verlaufen, doch hätte die Atmosphäre rechtlicher Ungewissheit und die verfahrene Situation zwischen den wichtigsten Institutionen des Landes das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Wahlprozess untergraben.
Der Beitrittsprozess zur EU wurde auch weiterhin durch Albaniens geringe Fortschritte bei der Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität behindert.
Justizsystem
Das Verfahren zur Überprüfung von Richter_innen und Staatsanwält_innen verzögerte 2019 die Abläufe in der Justiz. Dieses Verfahren war nach wie vor unerlässlich, um die Unabhängigkeit der Justiz von politischer Einflussnahme und organisierter Kriminalität zu gewährleisten. Doch es brachte auch umfassende Entlassungen und einen Rückstau anhängiger Verfahren mit sich und beeinträchtigte dadurch das Funktionieren des Justizsystems.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Maßnahmen zum Schutz vor der nach wie vor weit verbreiteten häuslichen Gewalt wurden 2019 nur unzureichend umgesetzt. Jede zweite Frau gab an, in ihrem Leben schon einmal Gewalt erlebt zu haben, wie eine landesweite Befragung ergab. In den ersten 40 Tagen des Jahres wurden sechs Frauen von ihren Ehemännern getötet. Bis Juli waren allein in Tirana 500 Schutzanordnungen erlassen worden.
Der UN-Menschenrechtsrat äußerte 2019 bei der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung der Menschenrechtsbilanz Albaniens im Rahmen des UPR-Prozesses Besorgnis angesichts der geringen Meldequote von Fällen geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen, die unzureichende Zahl der Schutzunterkünfte und die mangelhafte Durchsetzung von Schutzanordnungen.
Frauenrechte
Geschlechtsspezifische Diskriminierung am Arbeitsplatz einschließlich sexualisierter Übergriffe waren 2019 weit verbreitet und wurden nur selten gemeldet. In einer Umfrage der NGO Gender Alliance for Development Centre berichteten die meisten der befragten Frauen von sexualisierten Übergriffen und einige von ihnen, dass ihnen der Mutterschaftsurlaub verweigert wurde.
Das geschlechtsspezifische Wohlstandsgefälle blieb auch 2019 bestehen. Angesichts der unzureichenden Umsetzung des Gesetzes zur Registrierung von Grundbesitz und einer patriarchalen Tradition, die männliche Erben begünstigt, besaßen nur 19 % der Frauen Grundbesitz.
Recht auf freie Meinungsäußerung – Journalist_innen
Die Medienlandschaft war nach wie vor vielfältig, aber polarisiert, je nach politischer Ausrichtung und Interessen der jeweiligen Eigentümer_innen. Dies führte zu einer selektiven Berichterstattung. Einer lokalen NGO zufolge berichtete jede_r dritte Journalist_in, wegen seiner bzw. ihrer Arbeit schon einmal körperlich oder verbal attackiert worden zu sein. Der Journalist Enver Doçi wurde von der Polizei angegriffen, als er über die Festnahme von Demonstrierenden im Zuge der Lokalwahlen im Juni 2019 berichtete. Die Polizei entschuldigte sich öffentlich für ihr Vorgehen, ohne dass jedoch gegen die beteiligten Beamt_innen ein Disziplinar- oder anderes Verfahren eingeleitet worden wäre.
Ein umstrittenes Verleumdungsgesetz, das die Befugnisse der Regulierungsbehörde für audiovisuelle Medien ausweiten sollte, bedrohte die Freiheit der Onlinemedien. Im Juli empfahl der OSZE-Beauftragte für die Freiheit der Medien weitere Verbesserungen an einem überarbeiteten Gesetzentwurf.
Diskriminierung
Die meisten Angehörigen von Roma- und Balkan-Ägypter-Gemeinschaften waren 2019 beim Zugang zu einer Reihe von Rechten wie Wohnraum, Bildung, Beschäftigung sowie Gesundheit nach wie vor mit Hindernissen konfrontiert. Am Stadtrand von Tirana wurde ein Markt für gebrauchte Kleidung eröffnet, um dort lebende Roma und Balkan-Ägypter_innen zu unterstützen.
Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen
Um eine Ausgrenzung und andere Formen der Diskriminierung zu vermeiden, verheimlichten die meisten LGBTI-Personen auch 2019 weiterhin ihre sexuelle Identität. Im Mai forderte die NGO PINK Embassy vom Parlament eine offizielle Entschuldigung bei allen Personen, die während des kommunistischen Regimes in Strafverfahren aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verurteilt wurden.