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"Einfach wie jede normale Familie leben"
Ensaf Haidar ist die Ehefrau des saudi-arabischen Bloggers Raif Badawi. Unermüdlich kämpfte sie in den vergangenen zehn Jahren für seine Freilassung. Mit den drei gemeinsamen Kindern lebt die 37-Jährige in Kanada im Exil.
Interview: Cornelia Wegerhoff
Wie geht es Ihrem Mann nach seiner Freilassung im März?
Es lässt sich nicht in Worte fassen, in welchem Zustand sich Raif befindet, nachdem er während seiner langen Haftzeit so vielen Tragödien und psychischem wie physischem Leid ausgesetzt war. Nur so viel: Er versucht, sich jetzt von all dem zu erholen.
Können Sie sagen, wo und unter welchen Umständen er nun in Saudi-Arabien lebt?
Ich kann nicht auf Details eingehen, in erster Linie wegen Raifs Sicherheit und aufgrund der Zusagen, die er unterschrieben hat. Ich kann nur sagen, dass er sich quält, um seinen Alltag bewältigen zu können.
Nach zehn Jahren Haft folgt nun neben einer hohen Geldstrafe ein zehnjähriges Reiseverbot für Raif Badawi. Was bedeutet das für Ihre Familie?
Es ist eine Katastrophe und an erster Stelle eine eklatante Fortsetzung von Raifs Leid. Aber auch mein Leiden, das unseres Sohnes und unserer beiden Töchter geht weiter. Es ist schrecklich.
Hat sich Ihr Familienleben seit der Freilassung dennoch verändert?
Wir sprechen jetzt täglich mit ihm, auch per Video. So ist es möglich, ihn zu sehen. Natürlich ist seine Freilassung nur die halbe Lösung. Es gibt noch viel zu tun, damit er zu seinen Kindern in Kanada nach Hause kommen kann.
In Saudi-Arabien hat sich das Leben im vergangenen Jahrzehnt verändert. Inwiefern finden sich in den Reformen frühere Forderungen Ihres Mannes wieder?
Buchstäblich alles, was jetzt passiert, war ein Teil dessen, was er vor seiner Verhaftung beschrieben und gefordert hat. All das, was die saudische Gesellschaft nun in Richtung Liberalismus und Befreiung führt.
Worauf hoffen Sie nach diesen langen bitteren Jahren für die Zukunft?
Wir wünschen uns nur noch, dass Raif zu uns kommen kann, dass wir einfach nur wie jede andere normale Familie leben können.
Cornelia Wegerhoff ist freie Journalistin. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International wieder.
HINTERGRUND
Die saudi-arabischen Behörden verbinden immer öfter langjährige Haftstrafen mit einem anschließenden Reiseverbot. "Wir haben inzwischen mehrere Fälle von Aktivist_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen dokumentiert, die entweder noch im Gefängnis sitzen oder bereits aus der Haft entlassen wurden, denen im Anschluss langjährige Reiseverbote auferlegt wurden", erklärt Hashem Hashem, Nahost-Experte von Amnesty International. "Dabei entspricht der Zeitraum des Reiseverbots der Länge der jeweiligen Freiheitsstrafe. Im Fall von Adulrahman al-Sadhan, einem Mitarbeiter des Roten Halbmonds, der sein Recht auf Meinungsfreiheit friedlich ausübte, wurde eine 20-jährige Haftstrafe verhängt, gefolgt von 20 Jahren Reiseverbot. In zahlreichen Fällen ist es sogar Familienangehörigen, gegen die überhaupt nicht ermittelt wird, verboten, das Land zu verlassen. Reiseverbote sind ein zusätzliches Strafinstrument, das die saudische Regierung systematisch einsetzt, um Aktivist_innen und ihre Familien zu unterdrücken."