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"Keiner soll es wagen, sich gegen den Krieg auszusprechen"
Sonia Subbotina mit einem Porträt ihrer Partnerin, der Künstlerin Aleksandra Skochilenko (St. Petersburg, Juni 2022).
© Amnesty
Seit April ist die russische Künstlerin Aleksandra (Sasha) Skochilenko in St. Petersburg inhaftiert. Ihr wird vorgeworfen, wissentlich falsche Informationen über den Einsatz der russischen Streitkräfte verbreitet zu haben. Skochilenko hatte in einem Supermarkt Preisschilder gegen Informationen über den Krieg in der Ukraine ausgetauscht. Wie es der Künstlerin im Gefängnis ergeht, berichtet ihre Partnerin Sofia Subbotina.
Interview: Hannah El-Hitami
Können Sie Frau Skochilenko im Gefängnis besuchen?
Leider darf ich Sasha weder sehen noch mit ihr telefonieren, weil die Staatsanwaltschaft mich als Zeugin in ihrem Fall benannt hat. Damit wollen sie emotionalen Druck auf Sasha ausüben. Seit fünf Monaten haben wir nicht miteinander gesprochen. Wir sehen uns bei den Gerichtsterminen, dürfen uns aber nicht umarmen oder unterhalten.
Was wissen Sie über ihren körperlichen und psychischen Zustand?
Wir schreiben uns regelmäßig Briefe, und ich bekomme Informationen von ihrem Anwalt. Sasha hat schon seit ihrer Kindheit Zöliakie, erhält in der Haft aber keine Mahlzeiten, die gänzlich glutenfrei sind. Sie leidet deshalb unter starken Bauchschmerzen, Übelkeit und Durchfall. Weil sie ständig Schmerzen hat, kann sie oft nicht schlafen. Außerdem hat sie einen angeborenen Herzfehler. Ihr Herz tut ihr oft weh, und sie fühlt sich schlapp. Wir konnten einen Termin mit einem Kardiologen für sie organisieren, die notwendigen Untersuchungen werden aber nicht genehmigt. Sasha versucht, stark zu bleiben, fühlt sich mittlerweile aber oft traurig. Sie hat eine bipolare Störung, die sie mithilfe eines gesunden Lebensstils im Griff hatte. Im Gefängnis verschlimmern sich all ihre Krankheiten wegen der Belastung, den Schikanen, der schlechten Ernährung und dem Mangel an frischer Luft.
In einem Brief aus dem Gefängnis schreibt Sasha: "Ich habe bereits angefangen, ein Buch darüber zu zeichnen, was mit mir passiert." Hilft ihr die Kunst, besser mit den Umständen klarzukommen?
Ja, Sasha ist weiterhin kreativ, wenn auch mit begrenzten Mitteln: Wir dürfen ihr nur schwarze Gelstifte ins Gefängnis schicken. Sie malt viel und schickt uns ihre Bilder per Post. Leider sind einige verloren gegangen, als die Polizei sie bei einer Ausstellung in Moskau konfiszierte. Eigentlich ist Sashas Lieblingskunstform die Musik, doch die kann sie in der Haft nicht ausüben.
Sie ist wegen einer Kunstaktion inhaftiert. Wie erklären Sie sich diese drastische Reaktion der Behörden?
Sasha ist im Gefängnis, weil die Unterdrückung in unserem Land seit Beginn des Krieges noch schlimmer ist als zuvor. Die Behörden wollen eine Stimmung schaffen, in der keiner es wagt, sich öffentlich gegen den Krieg auszusprechen.
Was bedeutet Sasha die internationale Solidarität von Amnesty?
Die Unterstützung der Menschen ist für Sasha unheimlich wichtig. Während ihrer Festnahme und in der Haft hat sie Schreckliches erlebt, von Mobbing über sexualisierte Gewalt bis hin zu Folter durch mangelhafte Ernährung und ausbleibende medizinische Versorgung. Dank der Briefe, die Sasha erhält, weiß sie, dass viele Menschen an sie denken und sie unterstützen. Weil ihre Tage im Gefängnis sehr monoton sind, erfährt sie gerne, was Menschen draußen erleben.
Wie schaffen Sie beide es, nicht die Hoffnung zu verlieren?
Wir schreiben uns Briefe so oft es geht und machen einander Mut. Ich schreibe Sasha, wie sehr ich sie liebe. Wir träumen von einer gemeinsamen Zukunft, in der wir frei sind und heiraten können. Manchmal ist es sehr schwer, nicht zu verzweifeln, aber das ist im Moment keine Option. Selbst, wenn alles hoffnungslos scheint, kann ich immer etwas tun, um Sasha zu unterstützen. Ich bringe ihr Essenspakete in die Haftanstalt, organisiere Arzttermine für sie und spreche öffentlich über ihre Situation.
Rechnen Sie damit, dass sie bald freikommt?
Wir können nur spekulieren, ob und wann sie freigelassen wird. Der Artikel im Strafgesetzbuch, nach dem sie angeklagt ist, ist noch recht neu. Gemeinsam mit unseren Anwälten tun wir alles dafür, eine Haftstrafe abzuwenden. Aber leider ist unsere Macht begrenzt. Es hängt vielmehr von den Entscheidungen derjenigen ab, die für den Krieg in der Ukraine und die Repressionen in unserem Land verantwortlich sind.
Hannah El-Hitami ist freie Journalistin und lebt in Berlin. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International wieder.
Mehr Informationen zur Urgent Action für Aleksandra Skochilenko.
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