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Nicht nur die Umwelt ist bedroht

Unter Druck: Fedepesan-Präsidentin Yuly Velásquez und Fischerin Leosmila Gutierres (Kolumbien, Barrancabermeja, 2024)
© Luca Zanetti
Im Juni 2024 erhielt Yuly Velásquez den Menschenrechtspreis von Amnesty, weil die Fischerin sich in Kolumbien für Umweltschutz und Menschenrechte engagiert. Doch das wird immer schwerer.
Von Knut Henkel
Die letzte Morddrohung erhielt Yuly Velásquez am 10. Februar. Es war die zweite in diesem Jahr, und die Präsidentin von Fedepesan, einer Dachorganisation mehrerer Fischerei-Genossenschaften, ist nicht die einzige Betroffene. "Mehrere aus unserer Organisation haben Morddrohungen erhalten. Ebenso einige Kolleg*innen der Menschenrechtsorganisation Credhos, mit der wir eng zusammenarbeiten."
In Barrancabermeja im Norden Kolumbiens sei es derzeit für alle gefährlich, die sich engagieren – ob für die Umwelt oder für die Menschenrechte sei egal, meint die 39-Jährige. Menschenleben zählen dort ohnehin nicht viel: 30 Morde gab es in der Raffineriestadt am Río Magdalena bereits seit dem 1. Januar 2025, und kaum ein Tag vergeht, an dem nicht wieder ein Toter aufgefunden wird. 123 waren es 2023, mehr als 150 im Jahr 2024, und nun deutet vieles darauf hin, dass 2025 abermals ein Höchststand erreicht werden könnte.
Observiert und bedroht
Der Menschenrechtsexperte und Credhos-Vorsitzende Iván Madero macht die paramilitärische Gruppe Autodefensas Gaitanistas de Colombia (AGC) für das Gros der Morde verantwortlich. "Sie kontrollieren nicht nur die Region um Barrancabermeja, sondern nehmen den gesamten Norden Kolumbiens ins Visier", warnt Madero. Dabei fühlen sich die Paramilitärs offenbar von Organisationen der Zivilgesellschaft gestört.
Im Juni 2024 verlieh Amnesty Deutschland den Menschenrechtspreis an Fedepesan (Amnesty Journal 03/2024). Iván Madero begleitete damals Yuly Velásquez, die den Preis in Berlin entgegennahm. "Als wir im Juli 2024 aus Europa zurückkamen, wurde das Haus von Velásquez im Stadtteil San Silvestre observiert. Unbekannte trieben sich dort herum, machten Fotos, auch von Autokennzeichen", erzählt Madero. Rund um die Büros von Credhos sei es ähnlich, sämtliche Mitarbeiter*innen der Organisation würden bedroht. "Die Paramilitärs wollen uns auslöschen." Madero erhielt zuletzt mehrere Morddrohungen. In und um Barrancabermeja kann er sich seit Jahren nur in einem gepanzerten Fahrzeug und in Begleitung von Leibwächtern bewegen.
Yuly Velásquez geht es nicht anders. "Wir leben wie eingesperrt. Nach der Arbeit bin ich zu Hause, meist ist die Tür verschlossen", sagt sie. Immer wieder wendet sie sich an die Polizei und an die Staatsanwaltschaft, fragt nach, was aus den Anzeigen wurde, die Fedepesan in der Vergangenheit gestellt hat, ob es Ermittlungsergebnisse gibt, was die Behörden vorzuweisen haben. Sie weiß genau, dass besonders eine Anzeige Spuren hinterlassen hat: 2019 zeigte sie den staatlichen Erdölkonzern Ecopetrol wegen Korruption an. Seither gilt sie bei der lokalen Verwaltung als unbequem.

FEDEPESAN-Präsidentin Yuly Velásquez erhielt bei der Gala am 4. Juni 2024 in Berlin den Amnesty-Menschenrechtspreis von Amnesty-Generalsekretärin Dr. Julia Duchrow (links) und UN-Sonderberichterstatterin Gina Paola Romero Rodríguez (rechts).
© Amnesty International, Foto: Christina Czybik
Damals wurde der erste von drei Mordanschlägen auf Velásquez verübt, und bis heute hat sie von der Staatsanwaltschaft keine Informationen erhalten, ob die Ermittlungen Beweise für Korruption zutage gefördert haben. Die Untätigkeit der lokalen Behörden in Barrancabermeja sei typisch, kritisieren Credhos, Fedepesan und der Frauenverband Organización Femenina Popular. Dabei gibt es ein städtisches Programm, das für mehr Schutz sorgen soll. Es heißt "Barrancabermeja, die Sicherheit eint uns". Auf der Homepage der Stadtverwaltung ist zu lesen, das Programm sei "gut angelaufen".
Doch das Gegenteil sei der Fall, sagt Juan Camilo Delgado, der als Biologe für Credhos arbeitet. "Die Stadtverwaltung spielt die zunehmende Gewalt und die sich häufenden Attacken auf Kraftstoff-Pipelines und Förderanlagen immer wieder herunter." Kriminelle Banden zapfen regelmäßig eine der vielen Pipelines im Ölfördergebiet um Barrancabermeja an. Dazu findet sich aber kein einziges Wort auf der Homepage der Stadtverwaltung.
Verschmutzte Kanäle, Flüsse und Seen
Ebensowenig informiert die Website über ein anderes Problem. An Pumpstationen tritt Erdöl aus. Und zwar so viel, dass schwimmende Barrieren mittlerweile zum Landschaftsbild der weitläufigen Seen- und Moorlandschaft gehören. "Die Zahl der undichten Pipelines und der leckenden Förderanlagen ist hoch", sagt Juan Camilo Delgado. Er beobachtet und dokumentiert industrielle Einleitungen von Öl oder Chemikalien sowie Lecks und nimmt Wasserproben, wenn er mit den Fischer*innen von Fedepesan unterwegs ist. "Derzeit ist das nur selten möglich. Wir können unsere Touren in den Kanälen, Flüssen und Seen wegen der Präsenz bewaffneter Akteure und der Banden, die die Pipelines anzapfen, nur selten durchführen", klagen Delgado und Velásquez.
Dabei wären sie dringend nötig. Denn die Zahl der Lecks steigt. Benzin und Öl gelangt in Kanäle und Seen, die Fische sterben oder werden ungenießbar. Für die bei Fedepesan organisierten Fischer*innen und ihre Präsidentin wird die Lage immer schwieriger. Mitte Februar 2025 kündigte Fedepesan an, dass sich die Mitglieder kollektiv aus den von ihnen bewohnten Gebieten sowie den Seen und Flüssen rund um Barrancabermeja zurückziehen. Der Druck sei zu groß.
Internationale Unterstützung
Und das, obwohl die Regierung in Bogotá und die deutsche Botschaft Fedepesan und Credhos unterstützen. Diese Unterstützung sei ein positiver Effekt des Amnesty-Menschenrechtspreises, betont Yuly Velásquez. "Wir sind in den staatlichen Institutionen bekannter geworden, haben mehr Kontakte in die Ministerien in Bogotá, aber auch zu den Botschaften", sagt sie. Erst kürzlich postete sie in den Online-Netzwerken ein Foto mit der deutschen Botschafterin Martina Klumpp. Positiv sei auch, dass Fedepesan dank internationaler Unterstützung neue Räume anmieten konnte. "Dort können wir nun Bootsfahrten, Aktionen und Kampagnen planen", berichtet Velásquez. Die neue Zentrale ist nicht weit von ihrem eigenen Haus entfernt und wird mit einer Kamera im Eingangsbereich überwacht.
Sicherheit bleibt für die Mitarbeiter*innen von Fedepesan und Credhos das zentrale Thema. Oswaldo Beltrán, der zur Leitungsebene von Fedepesan gehört, wurde im August 2024 bei einem Unfall mit Fahrerflucht am Bein verletzt. Am 30. November 2024 wurde die Tochter von Yuly Velásquez gemeinsam mit ihrem Freund angefahren. "Wieder war es ein Wagen ohne Nummernschild, wieder Fahrerflucht, wieder gibt es keine Zeugen", sagt Yuly Velásquez.
Auch Maja Liebing, Amerika-Expertin von Amnesty Deutschland, weiß um die prekäre Sicherheitslage: "Wir sind sehr besorgt über die zunehmenden Drohungen und fordern die kolumbianischen Behörden auf, den Mitgliedern von Fedepesan effektiven Kollektivschutz zu gewährleisten und die Verantwortlichen für die Drohungen zur Rechenschaft zu ziehen."
Knut Henkel arbeitet als freier Korrespondent in Lateinamerika. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International wieder.