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"Ein katastrophaler Misserfolg"
Chiara Liguori, Klimaexpertin von Amnesty International in London.
© Amnesty
Chiara Liguori ist Klimaexpertin von Amnesty International in London. Sie nahm Anfang November an der Klimakonferenz COP26 in Glasgow teil. Über die Ergebnisse eines Gipfels, an den sich große Erwartungen gerichtet hatten.
Interview: Patrick Loewenstein
Wie bewerten Sie die Ergebnisse der Klimakonferenz?
Die Abschlusserklärung ist vollkommen ungenügend. Es gab zwar Fortschritte im Vergleich zu früheren Konferenzen, aber die Staaten haben sich erneut nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt. Es wurden keine effektiven Maßnahmen zur realen CO2-Reduktion getroffen. Auch im Hinblick auf die Menschenrechte war die COP ein katastrophaler Misserfolg: Es fehlen Garantien der Rechte all jener, die unter den Folgen der Klimakrise am meisten leiden. Insbesondere Indigene und Frauen bekommen die Auswirkungen zu spüren.
Gibt es nichts Positives?
Doch, das Engagement für einen unabhängigen Beschwerdemechanismus für Leidtragende der Klimakrise. Positiv ist auch die Absichtserklärung, die Emissionsziele bis 2030 weiter zu senken.
Wie war die COP im Vergleich zu früheren Konferenzen?
Die Erwartungen an die Staaten waren höher als bei allen Konferenzen nach Paris (COP21). Es ging um klare Verpflichtungen, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Das ist nicht passiert. Zivile Organisationen forderten im Vorfeld eine gleichwertige Teilnahme von Menschen aus allen Ländern, und die britische Regierung hatte versichert, dass die COP26 die inklusivste aller bisherigen Konferenzen werden würde. Das wurde nur in Teilen umgesetzt, da Repräsentant_innen der Zivilgesellschaft sowie Indigene hohe Hürden zu überwinden hatten, um Veranstaltungen besuchen und einen Beitrag zu den Verhandlungen leisten zu können.
Haben Sie mit politisch Verantwortlichen über die Kernbotschaften von Amnesty gesprochen?
Delegierte von Amnesty haben sich mit Regierungen getroffen, dabei ging es vor allem um einen adäquaten Umgang mit Menschenrechten im Hinblick auf die Regulierung des CO2-Marktes. Das bedeutet finanzielle Kompensation für ärmere Länder, die unter den Folgen der Klimakrise am meisten leiden. Repräsentant_innen des Globalen Nordens waren allerdings wenig geneigt, etwas zu unternehmen. Im Abschlusspapier steht lediglich, dass es einen Dialog zum Thema geben soll. Das zeigt aber auch, wie wichtig es ist, genau darüber weiter zu reden.
Worüber haben Sie sich am meisten geärgert?
Am meisten geärgert hat mich, als sich in den letzten Stunden der Konferenz vor allem die reichen Länder, die überwiegend für die Klimakrise verantwortlich sind, weigerten, einen finanziellen Ausgleich für jene zu schaffen, denen die Klimakrise besonders zusetzt.
Was hat sie am meisten gefreut?
Die von Indigenen angeführte Klimademonstration am 6. November mit rund 100.000 Teilnehmer_innen verschiedener Gruppen war spektakulär. Auch die Aktion am letzten Tag war sehr bewegend, als Hunderte Indigene, Bauernvertreter_innen und Umwelt-NGOs beim Verlassen des Konferenzzentrums ein langes rotes Band trugen, das die rote Linie symbolisierte, die die Verhandelnden nicht hätten überschreiten dürfen. Es war sehr inspirierend zu sehen, wie kleinere Länder und die Zivilgesellschaft sich organisiert haben, damit ihre Stimmen gehört werden. Das gibt mir Hoffnung.
Was muss sich bei der nächsten Klimakonferenz ändern?
Alle Vertreter_innen indigener Gruppen und zivilgesellschaftlicher Organisationen müssen vollen Zugang bekommen. Außerdem sollten die Staaten mutigere Entscheidungen treffen. Sie müssen an der schnelleren CO2-Reduktion arbeiten und ausreichend Geld für die Emissionsreduzierung in Entwicklungsländern zur Verfügung stellen. Auch brauchen Betroffene der Klimaschäden angemessene Unterstützung – denn der Status quo verletzt die Menschenrechte. Um das zu erreichen, spielt zivilgesellschaftliches Engagement eine große Rolle.
Patrick Loewenstein ist Biologe und freier Journalist. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International wieder.