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Kuh in Tusche
Die Kühe sind zum Markenzeichen des Dorfs Kummarigudem geworden.
© Monika Ratering
Die Berliner Künstlerin Monika Ratering malt indische Bildzyklen und unterstützt Landwirt*innen, die von Saatgutkonzernen unabhängig werden wollen.
Von Lena Reich
Pinselstriche in unterschiedlichen Grüntönen bedecken eine hohe Leinwand. Ein zarter beiger Strich schlängelt sich durch die Mitte empor zum oberen Bildrand: ein Gebirgskamm, der sich hinter saftigen Wiesen erstreckt. Das Grünliche könnten auch Wolken sein, über denen die Betrachtende zu schweben scheint.
"If I were a goat!" heißt das 1,40 Meter hohe Gemälde. "Es erinnert mich an meine Alpzeit vor 30 Jahren, damals arbeitete ich als Rinderhirtin in den Schweizer Hochalpen", sagt Monika Ratering und rückt das Bild ein Stück weiter weg vom Küchentisch. Weil erschwingliche Atelierräume in Berlin rar geworden sind, arbeitet die Künstlerin in ihrer Privatwohnung. Sie streicht ihre blonden Haare zu einem Schopf zusammen und betont mit der linken Hand den neuen Abstand zur Leinwand: "Man braucht eigentlich eine viel größere räumliche Distanz, um die Bilder wirklich in sich aufnehmen zu können."
Mahnende Szenerien
Ratering kreiert üppige Landschaften in knalligen Pastellfarben, die den Blick fesseln. Die großformatigen Kunstwerke, die zu Dutzenden hintereinander gestapelt an den Wänden ihrer Wohnung lehnen, zeigen schneebedeckte Berge vor einem rosa-lila Himmel oder einen Fluss, der sich an einer Blumenwiese entlangschlängelt. Die farbigen Tupfer auf goldgrün-bräunlichem Untergrund erinnern an den Stil der Wiener Expressionisten.
Monika Ratering, "Varanasi", Öl auf Leinwand
© Monika Ratering
Angesichts der fortschreitenden Umweltzerstörung wirken Monika Raterings Landschaftsmalereien wie Mahnungen. Die Inspiration dafür findet die 65-jährige Norddeutsche in Indien. Seit 2012 reist sie jedes Jahr nach Telangana im Süden des Landes, wo sie in einer bescheidenen Unterkunft im Dorf Kummarigudem lebt. Dessen knapp 300 Bewohner*innen gehören zur Kaste der Töpfer und pflanzen auf ihren Feldern Auberginen, Tomaten, Erdnüsse, Chili und Reis an.
Auslöser ihrer Indienreisen war eine "Weltspiegel"-Reportage, die Ratering 2011 im Fernsehen sah. Darin wurde über einen dramatischen Anstieg von Suiziden unter indischen Kleinbäuer*innen berichtet, weil diese Mikrokredite nicht mehr zurückzahlen konnten, für die 40 Prozent Zinsen fällig waren. Das Versprechen der Grünen Revolution, durch genmanipuliertes Supersaatgut und chemische Düngemittel den ärmlichen Verhältnissen zu entkommen, hatte sich als wertlos erwiesen. Vielmehr diente es den großen Agrarkonzernen als Vorwand, um den indischen Markt zu erschließen.
Nach ein paar Superernten blieben die Erträge aus. Stattdessen gab es neue Pflanzenkrankheiten und Insektenbefall, was den Einsatz von immer mehr Pestiziden erforderte. Der Kreislauf der Abhängigkeit war schnell geschlossen: Die Böden wurden ausgelaugt und überdüngt. Das Hybridsaatgut muss jedes Jahr neu gekauft werden, und das altbewährte Saatgut ist kaum noch zu bekommen. Mehr als 300.000 indische Kleinbäuer*innen haben sich inzwischen aus Verzweiflung das Leben genommen.
Die Fernsehsendung schockierte Ratering, und sie wollte mehr darüber wissen. Bei ihrer Recherche stieß sie auf die Nichtregierungsorganisation Maharshi Goshala Charitable Trust, die Dorfgemeinschaften dabei unterstützt, ihre Unabhängigkeit von den großen Agrarkonzernen zurückzuerlangen. Die Malerin lieh sich Geld, flog nach Indien, traf sich mit Vertreter*innen der indischen Organisation und Spezialist*innen für alternative Landwirtschaft.
Düngen mit Jeevamrutha
Zurück in Berlin gründete sie den Verein "Sankranti", der das Modellprojekt "Village of Hope" in Kummarigudem fördert: Vom Spendengeld werden Kühe gekauft, die den Landwirt*innen dabei helfen, auf chemische Düngung zu verzichten: Die Bewohner*innen düngen ihre kleinen Felder stattdessen mit einem natürlichen Flüssigdünger, Jeevamrutha genannt. Das Ferment besteht aus Kuhdung, Kuhurin, Erde, Wasser, Linsenmehl und Rohrzucker. Mit einem langen Stock wird das Jeevamrutha in einer großen Tonne einige Minuten im Uhrzeigersinn umgerührt, und diese Prozedur wird mehrfach wiederholt. Ratering zeigt auf ihrem Computer Fotos und Videos der Düngerherstellung, bei der sie auch in diesem Frühjahr wieder anwesend war.
Bilder von Monika Ratering aus der Serie "Divali"
© Monika Ratering
Die Zutaten für das nährstoffreiche Ferment stammen von indischen Kühen, "die mit einem Buckel auf dem Rücken", erklärt Ratering. "Die Bauern sagen, die Sonnenenergie würde in den Buckel eindringen und dafür sorgen, dass die Milch einen gelblich-goldenen Ton hat." Sie wird auch in der ayurvedischen Medizin verwendet. "Die Kühe sind zum Markenzeichen dieses kleinen Dorfs geworden", erzählt die Malerin. Inzwischen leben in Kummarigudem 30 von ihnen mit ihren Kälbern. "Sie werden wie Familienmitglieder geliebt, gehegt und gepflegt." Auch davon erzählen Raterings Kunstwerke. Die Tuschezeichnung einer Kuh ist das Logo des Vereins.
"Bio" bedeutet Meharbeit
"Für die Motivation und das Durchhalten der Bäuer*innen braucht es viel Kraft", seufzt die Malerin. Zwar würden viele in Kummarigudem der natürlichen Anbauweise folgen, doch bedeute "Bio" immer noch deutlich mehr Arbeit. Zudem sei das Gemüse weder gegen Schädlinge geschützt, die durch den Klimawandel und vermehrte Hitzeperioden begünstigt werden, noch gegen Missernten durch Regenfälle. Und Superangebote der chemischen Agrarindustrie lockten mit günstigem Saatgut, Dünger und Abnahmeversprechen.
NGOs wie Amnesty International haben immer wieder auf die Not der indischen Landwirt*innen hingewiesen, die in den vergangenen Jahren monatelang zu Hunderttausenden in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi für faire Preise und mehr staatliche Unterstützung demonstrierten.
Mehr als 80 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe werden von Kleinbäuer*innen bewirtschaftet und umfassen weniger als zwei Hektar Land. "Sich gegen die Lobby der chemischen Agrarindustrie zu stemmen, ist wirklich mühsam", erklärt Ratering. Doch sie gibt nicht auf. Und in ihren Kunstwerken hält sie die Farben und Landschaften Indiens fest, die Liebe zur Natur und die Trauer über deren Zerstörung.
Hier geht es zur Website vom Verein Sankranti und hier geht es zu den Bildern von Monika Ratering.
Lena Reich ist freie Journalistin. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International wieder.