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Zivilgesellschaft unter Druck: "Offensichtlich ist es richtig, was ich tue"

Alicia Baier, Doctors for Choice Germany
© privat
Die Rechte von Frauen werden wieder stärker in Frage gestellt – auch in Deutschland. Rechtsextreme verbreiten antifeministische Ideologien, so genannte Lebensschützer*innen bedrängen Schwangere, die sich für einen Abbruch entschieden haben, Online-Plattformen schüren Hetze. Die Ärztin Alicia Baier setzt sich für medizinisch sichere Abtreibungen ein. Hier berichtet sie, wie gefährlich ihr Engagement ist.
Protokoll: Uta von Schrenk
Alicia Baier, Vorsitzende Doctors for Choice Germany:
In meinem Medizinstudium kam das Thema Abtreibung kaum vor, obwohl der Eingriff so häufig ist. Erst als ich im 8. Semester war, habe ich auf einer außeruniversitären Veranstaltung erfahren, dass eine Abtreibung in Deutschland immer noch ein Straftatbestand ist. Ich habe mich dann der internationalen Organisation Medical Students for Choice angeschlossen. Das sind Medizinstudierende, die sich für eine bessere Aus- und Weiterbildung bei Abtreibungen einsetzen. 2015 habe ich an der Berliner Charité die erste Studierendengruppe in Deutschland gegründet. Mittlerweile gibt es bundesweit 18 Gruppen.
Ich habe viele sogenannte Papaya-Workshops organisiert, in denen wir Studierenden anhand der Frucht zeigen, wie sichere Abtreibungen gehen. In diesem Zusammenhang habe ich zum ersten Mal auch öffentlich über das Thema gesprochen. 2019 habe ich dann den Verein Doctors for Choice Germany mitgegründet, seitdem bin ich dort im Vorstand. In dieser Rolle gebe ich Interviews und spreche in Podcasts. Doch die öffentliche Präsenz bringt Anfeindungen mit sich. So erhielt ich eine Anzeige, nur weil ich in einem Interview über Abtreibungsmethoden gesprochen habe. Damals gab es noch den Paragrafen 219a, er wurde erst 2022 abgeschafft. Auch später wurde ich noch angezeigt, etwa wegen angeblicher Verleumdung. Die Verfahren wurden zwar alle eingestellt, waren aber sehr belastend.
Mit Reaktionen im Netz kann ich besser umgehen. Früher war ich auf X aktiv, bis die Hasskommentare überhandnahmen. Inzwischen bin ich nur noch auf Instagram und erlebe dort eher Unterstützung. Feindselige Zuschriften und Mails kann ich an mir abprallen lassen. Meist drohen mir christliche Fundamentalisten mit der Hölle oder wollen mich belehren. Unangenehmer war es, als ein Abtreibungsgegner alle Mitarbeitenden einer Klinik anschrieb, an der ich gerade anfing zu arbeiten. Er warnte, dass ich die "vorgeburtliche Tötung von Kindern" propagieren würde.
Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, meine persönlichen Daten zu schützen. Es gibt Webseiten, die Bilder von mir neben blutverschmierten Händen zeigen oder neben schrecklichen Bildern von Föten. Diese Leute veröffentlichen Details aus meinem Privatleben, meine Mailadresse und vermeintliche Telefonnummer. Erst im Dezember wurde meine Stimme im ALfA-Podcast "LifeTalks" verzerrt wiedergegeben. Es wurden Aussagen von mir mit Fake News und Falschaussagen verbunden und somit diskreditiert. Diese Inhalte haben schon eine andere Qualität, solche Leute hetzen gegen mich auf. Oft sind das Rechtsradikale. Wenn ich das sehe, dann denke ich: Offensichtlich ist es richtig, was ich tue. Sich juristisch zu wehren, ist schier unmöglich. Ich habe zum Glück noch keine Morddrohungen bekommen. Aber vor der Praxis einer Kollegin in Münster wurden Flugblätter verteilt: Wer dort arbeite, solle sich in Acht nehmen – noch würden Abtreibungsärzte in Deutschland nicht erschossen
Kraft und Sicherheit gibt mir mein Netzwerk, wir unterstützen, beraten und machen uns Mut. Warum ich weitermache? Durch unsere Arbeit wächst eine neue Pro-Choice-Generation von Mediziner*innen heran. Das macht mir Hoffnung, dass wir die medizinische Versorgung von ungewollt Schwangeren in der Zukunft verbessern können. Also weiter so.
Uta von Schrenk ist Redakteurin des Amnesty Journals.
HINTERGRUND
Dass Engagierte in Deutschland mehr Schutz brauchen, zeigt eine repräsentative Umfrage von Amnesty International aus dem Herbst 2024. Demnach können sich zwar mehr als 63 Prozent aller Befragten vorstellen, sich gesellschaftlich einzusetzen. Damit ist jedoch auch die Gefahr verbunden, zum Ziel von Angriffen zu werden.
Der Befragung zufolge hat jede*r zehnte Engagierte nach eigenen Angaben Gewaltandrohungen erlebt, knapp drei Prozent sogar körperliche Angriffe. Beleidigt wurden mehr als ein Viertel der Betroffenen. Rund zehn Prozent berichten von unzureichendem Schutz durch die Behörden, wobei der Wert in Ostdeutschland deutlich höher liegt als in Westdeutschland. Menschen mit Diskriminierungserfahrungen sind jeweils schwerer betroffen.
Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, betonte, wie wichtig eine aktive Zivilgesellschaft und damit auch das Recht auf Protest ist: "Die Behörden müssen dafür sorgen, dass gesellschaftliches Engagement in allen Teilen des Landes möglich ist, ohne dass Menschen zur Zielscheibe werden."