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Kino des Engagements

Präzise und wütend: "The Flag" kritisiert die Einschränkung bürgerlicher Freiheiten durch die Anti-Terror-Gesetze in Frankreich.
© Joseph Paris
Die Filme des diesjährigen Nürnberger Menschenrechtsfilmfestivals stehen radikal an der Seite ihrer Protagonist*innen.
Von Jürgen Kiontke
Widerständiges, reflexives und parteiisches Kino: Das International Human Rights Film Festival in Nürnberg schaut in diesem Jahr auf die Bedingungen, unter denen Filme produziert werden. "Arbeiten, die sich querstellen", verspricht Festivalchefin Andrea Kuhn. Im Mittelpunkt steht das Filmemachen, verstanden als Teil des Kampfes um die Menschenrechte. Insgesamt 40 Filme konkurrieren um den Hauptpreis.
Ein Beispiel dafür ist "Prism" (Belgien 2021) von Rosine Mbakam, An Van Dienderen und Éléonore Yaméogo. Der Dokumentarfilm verdeutlicht, wie sich Rassismus auf der technischen Ebene der Filmproduktion widerspiegelt. Filmtechnik sei entwickelt worden, um weiße Menschen ins beste Licht zu rücken. Schwarze Haut zu filmen, erfordere andere Farbeinstellungen und -spektren, sagen die Filmemacherinnen, denen es um generelle Kritik an der Kameraarbeit geht. Rosine Mbakam wird in Nürnberg sein und ihre Thesen auf dem Podium vertreten. Auch ihre anderen Arbeiten kreisen um Menschenrechtsthemen, etwa "Les prières de Delphine" (2021) über Gewalt an Sexarbeiterinnen in Kamerun.
"Man in Black" (Frankreich 2023) von Wang Bing ist von ganz anderer Art: Der chinesische Filmemacher nahm in einem leeren Pariser Theater den im deutschen Exil lebenden 86-jährigen chinesischen Komponisten Wang Xilin auf, wie er – völlig entkleidet – sein Leben schildert: Während der Kulturrevolution verfolgt, war er Gefängnis und Folter ausgesetzt. Wang Bing filmte den Körper des Komponisten unter Einspielung musikalischer Zitate und macht so dessen Leid deutlich. Eine filmische Erzählung über diese gewaltvolle Epoche Chinas, mit ästhetischen Mitteln.
Radikal parteiisch arbeitet Regisseur Joseph Paris. In seiner Dokumentation "The Flag" (Frankreich 2023) übt er Kritik an den Anti-Terror-Gesetzen, die in Frankreich nach den Terroranschlägen 2015 eingeführt wurden. Das Land sei damit schlichtweg aus der Rechtsstaatlichkeit ausgestiegen, Muslime seien die ersten, aber nicht die einzigen Opfer dieser Politik gewesen. Präzise und wütend stellt er die Ausgrenzung der arabischen und afrikanischen Communities dar, deren Vertreter die islamistischen Anschläge ebenso verurteilten wie andere Teile der französischen Gesellschaft. Joseph Paris montiert Interview- und Archivmaterial zu einem visuellen Essay über die Einschränkung bürgerlicher Freiheiten.
Um klassische Menschenrechtsthemen kreisen Beiträge wie "Myanmar Diaries" (Niederlande u. a. 2022), der selten gezeigte Gewinner des Amnesty International-Filmpreises des Jahres 2022, oder "Eren" (Deutschland 2023), Maria Binders Film über die türkische Menschenrechtsanwältin Eren Keskin. Die Istanbuler Juristin setzt sich für benachteiligte Gruppen in der Türkei ein und vertritt häufig Frauen, die Opfer sexualisierter Gewalt wurden. Für ihr politisches Engagement wurde Keskin mit Haftstrafen und Berufsverbot belegt: Seit 2017 leitete die türkische Justiz rund 140 Strafverfahren gegen sie ein.
Nürnberg bietet Kino des Engagements, inklusive Podiumsdiskussionen und Schulkinoprogramm.
Das Festival: 27. September bis 5. Oktober 2023. Nuremberg International Human Rights Film Festival. Infos: https://www.nihrff.de
WEITERE FILMTIPPS
von Jürgen Kiontke
"Hallo, mein Lieber, heute habe ich Gäste mitgebracht." Eine Szene, wie sie trauriger nicht sein könnte: Svetlana steht vor dem Grab ihres Sohnes, die Gäste sind das Kamerateam des Dokumentarfilms "Motherland". Swetlanas Sohn starb während seines Wehrdienstes in der weißrussischen Armee, dieser Film erzählt seine Geschichte.
Wie viele andere wurde er Opfer einer Praxis, die schon im Zarenreich angewandt und in der Sowjetunion weitergeführt wurde: "Dedowschtschina", die Herrschaft der "Großväter". Neulinge in der Armee sind den Schikanen der Älteren ausgesetzt, inklusive massiver körperlicher Gewalt. Die Körper junger Männer, die ihre Rekrutenzeit nicht überlebten, weisen Blutergüsse und Würgemale auf wie Svetlanas Sohn Nikita.
An Nikitas Beispiel zeigen die Regisseure, wie die Ausbildung im Wehrdienst verläuft. Außer den Schikanen soll er Aufgaben übernehmen, mit denen er nicht gerechnet hat. Als im August 2020 nach der gefälschten Präsidentenwahl Proteste ausbrechen, wird die Armee eingesetzt, um für Ordnung zu sorgen. Der junge Soldat soll auf Mitbürger schießen.
Seine Freunde sind indes vor dem Wehrdienst geflohen. Junge Demonstrant*innen schildern, wie sie festgenommen wurden. Die Polizei habe sie vor die Wahl gestellt, entweder ins Gefängnis zu gehen oder Prügel zu bekommen, erzählt eine junge Frau. Sie habe sich für Prügel entschieden; sie zeigt ihre mit Blutergüssen übersäten Beine.
Svetlana will den Tod ihres Sohnes nicht ungesühnt lassen, reist zu anderen Eltern, deren Kinder getötet wurden, schreibt Eingaben ans Verteidigungsministerium. "Wer Kinder in die Armee befiehlt, trägt Verantwortung", sagt sie.
Die Regisseur*innen Alexander Mihalkovich und Hanna Badziaka haben ihren epochal mutigen Film allen politischen Gefangenen in Belarus gewidmet.
"Motherland". SE/UA/NO 2023. Regie: Alexander Mihalkovich und Hanna Badziaka. Kinostart: 31. August 2023.