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Jetzt mal ehrlich

Markus Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland
© Amnesty International, Foto: Bernd Hartung
Klimakrise, Rassismus, Energie-Partnerschaften – warum scheitern wir so oft daran, ehrlich auf uns und die Welt zu schauen und das "eigentlich" richtige zu tun? Kolumne von Markus N. Beeko, Generalsekretär der deutschen Amnesty-Sektion.
Von Markus N. Beeko
Kennen Sie das? "Genau …", Pause, Luft holen, sprechen: So beginnen Menschen im Gespräch öfters ihren Wortbeitrag, zumindest in meiner Berliner Blase. Will man sich damit vergewissern, dass man jetzt dran ist? Als ich meine Beobachtung mit der Familie teilte, entgegnete man mir: "Stimmt, hast Du vorhin auch gemacht!" Eine Erinnerung, wie schnell wir uns Floskeln und Phrasen unbewusst aneignen. Eine Phrase, die mich immer irritiert: "Jetzt mal ehrlich." Was will man damit sagen? Jetzt ausnahmsweise wirklich mal "ehrlich"? Auch auf ein "Ich muss Dir ehrlich sagen …" folgt selten ein wahrhaftes Eingeständnis, sondern meist die Verkündung des eigenen Weltbilds.
Wie ehrlich schauen wir auf uns und die Welt? In seinem Buch "Warum es so schwer ist, ein guter Mensch zu sein" beschreibt Armin Falk uns alle als "Weltmeister*innen im Geschichtenerzählen".
Zur Wahrheit gehört, dass die meisten von uns daran scheitern, immer zu tun, was wir "eigentlich" richtig finden. Die Klimakrise – eine existenzielle Bedrohung? Klar! Unser Leben entschieden danach ausrichten? Fehlanzeige. Kein Platz für Rassismus? Klar! Aber was tue ich, wenn jemand in der U-Bahn belästigt wird?
Wir finden "gute" Gründe, nicht das zu tun, was wir richtig finden. Weil es mit Aufwand, Kosten, Risiken oder Unannehmlichkeiten verknüpft ist. Es finden sich Erzählungen, die das eigene (Nicht-) Handeln rechtfertigen, wenn das Gewissen beruhigt werden will.
Eine solche Erzählung ist die der "Realpolitik": "Wir würden ja gerne, aber die Realitäten sind leider andere." Oder frei nach Bertolt Brecht: "Wir wär’n gern gut, anstatt so roh, doch die Verhältnisse, sie sind nicht so." Brecht übte damit allerdings Kritik an diesen Verhältnissen und wollte sie verändern.
Der russische Angriffskrieg konfrontiert uns mit unangenehmen Realitäten. Eine ist, dass wir Verstöße gegen Völkerrecht und Menschenrechte von Russland, der Türkei, China oder den Kriegsparteien im Jemen-Konflikt hingenommen haben – Business as usual. Man hat weggeschaut und nun scheinen die Handlungsspielräume durch globale Abhängigkeit und akute "Sachzwänge" erschreckend eingeengt. Robert Habeck, gepriesen für ehrliche Worte, formuliert zur Energieversorgung: "Wir können nicht alle Länder von Lieferungen ausschließen." Es ehrt ihn, dass er dieses Dilemma ausspricht. Und richtig ist: Wir werden nicht mit einem Rutsch alle Sünden der Vergangenheit heilen können. Richtig ist aber auch:
So wie es gilt, Versorgungssicherheit zu gewährleisten und gleichzeitig (!) aus fossilen Energien auszusteigen, so gilt es, Handels- und Sicherheitsbeziehungen aufzubauen und dabei (!) die Achtung von Völkerrecht und Menschenrechtsstandards zum "Teil des Deals" zu machen.
Wenn Katar seinen selbst ausgerufenen Wandel "ehrlich" meint, dann gehört zu einer "Energie-Partnerschaft" unser aktives Dringen auf die Verbesserung der Arbeitnehmer*innenrechte. Wenn die Türkei anerkanntes Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft sein will, dann muss sie die europäische Menschenrechtskonvention achten – und die Urteile gegen den Kulturmäzen Osman Kavala und den Amnesty-Ehrenvorsitzenden Taner Kiliç aufheben.
Im Grundgesetz, Artikel 1, Absatz 2, bekennen wir uns zu "Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt". Tun wir das? Oder ist dies auch nur eine unserer vielen "Erzählungen"?
Markus N. Beeko ist Generalsekretär der deutschen Amnesty-Sektion.