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"Katastrophen führen die Dringlichkeit des Klimaschutzes vor Augen"

Die Klimakrise führt weltweit zu neuen Konflikten. Im globalen Süden vernichten Stürme und Dürren die Ernten und zwingen Menschen zur Flucht. Im globalen Norden verstärken sich die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um den Klimawandel. Menschenrechtsexpertin Angelika Nußberger erklärt, wie Klimaschutz und Recht zusammenhängen.
Interview: Uta von Schrenk
Viele Autofahrer*innen sehen ihre Freiheit durch die sogenannten Klimakleber*innen eingeschränkt. Diese wiederum sagen, sie nehmen ihr Recht auf öffentlichen Protest wahr. Wer ist im Recht?
Bei gesellschaftlichen Konflikten gilt es immer, einen Ausgleich zwischen widerstreitenden Interessen zu finden, dies umso mehr, wenn die jeweiligen Positionen auch grundrechtlich geschützt sind, hier einerseits die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes, andererseits die Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 des Grundgesetzes – dies allerdings nur, soweit die Behinderungen keine strafbare Nötigung darstellen. Die Klimakleber nehmen eine Art Endzeitverantwortung für sich in Anspruch. Sie wollen nicht "im Recht", sondern außerhalb des Rechts agieren. Allerdings ermöglicht die Demokratie Entscheidungen zu Klimafragen. Ich sehe nicht, dass die Klimakleber und Klimakleberinnen den Nachweis erbracht hätten, dass sie bessere, allgemein akzeptierte Lösungen haben als jene, die im demokratischen Prozess gefunden werden.
Gibt es ein Menschenrecht auf Klima- und Umweltschutz?
In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, im Zivil- und im Sozialpakt, in der Europäischen Menschenrechtskonvention und im Grundgesetz finden sich keine expliziten Garantien. Allerdings lassen sich entsprechende Rechte aus anderen Rechten wie dem Recht auf Leben, dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und dem Recht auf Privatleben ableiten. Im Grundgesetz hilft uns Artikel 20 a, auch wenn dies eine Staatszielbestimmung und kein Grundrecht ist. Anders als bei den klassischen Menschenrechten geht es hier nicht um Individual- sondern um Kollektivrechte; für deren Verwirklichung wir erst noch effektive Verfahren erfinden müssen.

Menschenrechtsexpertin Angelika Nußberger
© Deutscher Bundestag
Wie kann das Völkerrecht den Klimaschutz legitimieren und voranbringen?
Aus meiner Sicht sind multilaterale Abkommen der beste Weg. Darin lassen sich konkrete Pflichten festlegen, die auch sanktionierbar sind. Es ist auch möglich, flexible Klauseln zu vereinbaren, die dem wissenschaftlichen Fortschritt entsprechend anzupassen sind. Die Versuche, den Klimaschutz vor internationale Gerichte – wie gegenwärtig den Internationalen Gerichtshof, den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – zu bringen, halte ich für weniger aussichtsreich. Bleiben die gerichtlichen Feststellungen vage, bringen sie nicht viel, sind sie sehr konkret und auf die unterschiedlichen Staaten zugeschnitten, ist zu erwarten, dass sie als nicht legitim erachtet und nicht befolgt werden.
Die Klimakrise gefährdet schon heute in vielen Regionen des globalen Südens sowohl das Recht auf Gesundheit als auch das auf Nahrung. Was müsste sich im internationalen Recht ändern, damit beide gewährleistet werden?
Rechte zu garantieren, die im großen Stil nicht umgesetzt werden, bringt wenig. Um den Menschen in den betroffenen Gebieten zu helfen, bedarf es wohl vor allem Unterstützungsleistungen mit Technologie, mit denen sich den Risiken im Voraus und im Nachhinein entgegenwirken lässt. Allgemeinrezepte, die sich in einem Satz zusammenfassen und im internationalen Recht abbilden ließen, gibt es leider nicht.
Und bis dahin, was ist der wirksamste Hebel für den Klimaschutz?
Das Wichtigste ist, dass alle – sowohl auf der nationalen als auch auf der internationalen Ebene – an einem Strang ziehen. Dafür ist vor allem Aufklärung notwendig. Leider sind es immer erst die Katastrophen, die die Dringlichkeit des Klimaschutzes vor Augen führen.
Angelika Nußberger ist Professorin für Rechtswissenschaften und leitet die Akademie für europäischen Menschenrechtsschutz an der Universität Köln. Zuvor war sie unter anderem Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sowie dessen Vizepräsidentin.
Uta von Schrenk ist Redakteurin des Amnesty Journals.