Amnesty Journal Deutschland 25. September 2018

"Jeder Mensch hat das Recht auf Respekt"

Ein Mädchen sitzt an einem Tisch und schreibt einen Brief

Schreibt mit. Julia Schrick im September in ihrem Klassenzimmer in Düsseldorf.

Julia Schrick (21) lebt seit drei Jahren in Deutschland und macht fast ebenso lange beim Briefmarathon an Schulen mit. Dieses Jahr ist die Abiturientin des Leo-Statz-Berufskollegs in Düsseldorf zum dritten Mal dabei.

Interview: Hannah El-Hitami

Warum machst du beim Briefmarathon mit?

Weil es viele Leute gibt, die unsere Hilfe brauchen – auch im eigenen Umfeld. Wenn Menschen in unserer Klasse gemobbt werden, weil sie schwul sind, dann finde ich das nicht gut. ­Jeder Mensch hat das Recht auf Respekt.

Wie kam die Idee auf, beim Briefmarathon mitzumachen?

Der Vorschlag kam von unserer Lehrerin. Ich kannte Amnesty International vorher aus dem Fernsehen und hatte schon oft Plakate in der Altstadt gesehen, wusste aber nicht, was das eigentlich ist. Wir haben drei Fälle ausgewählt: Sakris Kupila, der sich in Finnland für Transgender-Rechte einsetzt, die in der ­Türkei inhaftierten Istanbul10 und Shackelia Jackson, deren Bruder in Jamaika von Polizisten erschossen wurde.

Wer hat mitgemacht?

Fast alle hatten Lust. Wir waren eine internationale Klasse und wussten, wie sich Rassismus und Diskriminierung anfühlen. Darum haben wir uns gleich für Amnesty interessiert. Bei dem Fall der inhaftierten Menschenrechtler in der Türkei haben wir uns etwas Sorgen gemacht, weil viele Schüler Türken sind, und wir nicht wussten, was sie davon halten würden. Aber unsere Klassenlehrerin hat uns alle sehr gut betreut, und so haben letztendlich 20 von 24 Leuten aus der Klasse ­mitgemacht.

Wie lief das Briefeschreiben ab?

Wir haben uns einen Monat lang darauf vorbereitet. Wir haben ein kleines Video gedreht, in dem wir erklären, was Amnesty International und was der Briefmarathon ist. Am 15. Dezember haben wir dann verschiedene Klassen in die Aula eingeladen und ihnen die Fälle präsentiert. Es gab leere Blätter zum Briefeschreiben. Und wer nicht schreiben wollte, der konnte eine Postkarte schicken oder einen Vordruck unterschreiben.

Was gab es noch für Aktionen?

Wir haben eine Umfrage an der Schule gemacht, in der wir die Schülerinnen und Schüler zu ihrer Meinung über die Briefmarathon-Fälle befragt haben. Manche sahen den Transgender-Fall aus Finnland kritisch, aber die allermeisten haben sich für die Menschenrechte ausgesprochen.

Welcher Fall hat dich am meisten bewegt?

Der von Shackelia Jackson. Ihr Bruder wurde von Polizisten getötet, nur weil er die gleiche Frisur hatte wie ein Verdächtiger. Das ist ungerecht und kein Einzelfall. Wir haben erfahren, dass auf Jamaika regelmäßig Menschen von der Polizei erschossen werden.

Machst du dieses Jahr wieder mit?

Ich bin jetzt in einer neuen Klasse und bisher die einzige, die den Briefmarathon kennt. Ich werde aber noch mehr Leute motivieren mitzumachen, denn gemeinsam bringt das ja viel mehr.

 

Aus der Schule in die Welt

Briefeschreiben kann Leben retten – das zeigt der weltweite Briefmarathon, den Amnesty International jedes Jahr rund um den Tag der Menschenrechte am 10. Dezember veranstaltet. Dabei fordern Millionen Menschen in aller Welt Regierungen auf, politische Gefangene freizulassen und Unrecht zu beenden. Außerdem schicken sie Solidaritätsbotschaften an Menschen, deren Rechte verletzt wurden, um ihnen und ihren Angehörigen Mut zu machen. Im vergangenen Jahr schrieben Menschen aus nahezu allen Ländern der Erde mehr als 5,5 Millionen Briefe – so viele wie nie zuvor. Allein aus Deutschland wurden 250.000 Appelle und Solidaritätsschreiben verschickt.

Auch Schulen können sich am Briefmarathon beteiligen. Amnesty stellt Lehrerinnen und Lehrern Unterrichtsmaterial für die Jahrgangsstufen 7 bis 13 zur Verfügung, die sich für die Fächer Deutsch, Englisch, Französisch, Geschichte, Ethik, Religion oder Gemeinschafts-/Sozialkunde eignen. Die Materialien umfassen Informationen zu den Menschen, für die wir uns beim Briefmarathon einsetzen, Hintergrundinformationen zum jeweiligen Land und Thema, Briefvorlagen und Tipps zur Formulierung individueller ­Briefe sowie Unterrichtsvorschläge zu Menschenrechtsthemen wie Flucht, Meinungsfreiheit oder Todesstrafe.

Der Briefmarathon an Schulen bietet aber noch sehr viel mehr Möglichkeiten. Für Schülerinnen und Schüler, die gern schreiben, kann er ein Anlass sein, um einen Beitrag für die Schülerzeitung oder die Internetseite der Schule zu verfassen. Sie können sich auch an lokale Magazine und Tageszeitungen wenden oder ihren Artikel an Amnesty schicken: briefmarathon-schule@amnesty.de. Der Kunstunterricht eignet sich, um eine begleitende Ausstellung in der Schule zu präsentieren. Schülerinnen und Schüler können zu den einzelnen Fällen, Ländern und Themen Zeichnungen oder Comics anfertigen. Auch große Ankündigungsplakate zum Briefmarathon bieten Raum für ­kreative Ideen.

Weitere Informationen und Erfolgsgeschichten zum Briefmarathon gibt es hier.

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