Aktuell 12. Oktober 2017

Brief von İdil Eser aus dem Gefängnis in der Türkei

İdil Eser 

İdil Eser 

Seit Juli 2017 ist İdil Eser, die Direktorin von Amnesty International in der Türkei, im Hochsicherheitsgefängnis Silivri inhaftiert. 

İdil und neun weitere Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger wurden während eines Workshops zu Menschenrechtsarbeit in Istanbul festgenommen. Ein Monat zuvor wurde Untersuchungshaft gegen Taner Kılıç, Vorstandsvorsitzender der türkischen Amnesty-Sektion, angeordnet. Die Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten werden der Mitgliedschaft bzw. Unterstützung einer terroristischen Organisation beschuldigt. Die Vorwürfe sind absurd und entbehren jeglicher Grundlage.

Weltweit fordert Amnesty ihre Freilassung. Nun hat İdil einen Brief aus ihrer Gefängniszelle geschrieben. Es ist eine Dankesnachricht, eine Nachricht voller Hoffnung und Mut. 

12. September 2017, Silivri-Gefängnis Nr. 9

Ich möchte mich aus tiefstem Herzen bei der gesamten Amnesty-Bewegung bedanken. Mein Dank gilt dem Internationalen Sekretariat, dem Vorstand der türkischen Sektion von Amnesty International, den Campaignern, den Aktivistinnen und Aktivisten, die uns mit ihren Unterschriften unterstützt haben, und ganz besonders auch meinen Kolleginnen und Kollegen, die ihre Arbeit trotz großem persönlichen Risiko fortsetzen.

Ich danke meinen Freundinnen und Freunden, die meine Familie sind – wenn auch nicht im biologischen Sinne. Ich bin froh, euch zu haben. Sicher hätten viele Menschen gerne Geschwister und Freunde wie euch. Und es tut mir leid, euch so mit meinen eigenen Schwierigkeiten zu belasten.

Ich bedauere auch die Umstände für meine Kolleginnen und Kollegen, die sich nun zusätzlich zu all den anderen Fällen auch um meinen Fall kümmern müssen. Meine Hoffnung ist, dass ich und die anderen Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtler sehr bald wieder bei euch in Freiheit sind.

Ich bin überzeugt, dass Amnesty International in diesem Prozess eine sehr wichtige Rolle beim Schutz der Menschenrechte weltweit spielt. Ich habe immer an die Arbeitsweise und die Grundsätze der Organisation geglaubt und die Wahrung der Menschenrechte für unabdingbar gehalten – und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Ich bin stolz, Direktorin der türkischen Amnesty-Sektion zu sein. Meiner Ansicht nach gewinnen Organisationen wie Amnesty International immer mehr an Bedeutung, da wir in einer Welt leben, in der gesellschaftliche Spaltungen und fremdenfeindliches Gedankengut zunehmen.

Ich denke, dass unser Fall die Solidarität zwischen vielen Organisationen noch weiter gefestigt hat, und darüber freue ich mich. Ich wünschte, meine ebenfalls inhaftierten Freundinnen und Freunde würden sich im selben Trakt befinden wie ich.

Ich vermisse meine Musik, meine Katzen, meine Freunde und meine Arbeit. Dennoch geht es mir gut, macht euch also keine Sorgen.

Setzt eure gute Arbeit fort...

İdil

 

Weitere Informationen zur Lage der Menschenrechte in der Türkei findest du auf www.amnesty.de/tuerkei

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