Aktuell Russische Föderation 17. September 2019

Einsatz für Menschenrechte wird immer gefährlicher

Ein Mann steht in einem Käfig in einem Gerichtssaal, seine Arme steckt er duch die Gitterstäbe und legt die Hände ineinander.

Der Menschenrechtsverteidiger Oyub Titiev vor Gericht im August 2018. Am 21. Juni 2019 wurde er aus der Haft entlassen.

Mit Beginn der dritten Amtszeit von Präsident Wladimir Putin im Jahr 2012 haben sich nicht nur die Rahmenbedingungen für die Menschenrechtsarbeit in der Russischen Föderation verschlechtert: Menschenrechtsverteidiger werden immer häufiger zur Zielscheibe gewaltsamer Übergriffe und müssen willkürliche Festnahmen und Strafverfahren befürchten. Ein neuer Amnesty-Kurzbericht zeigt anhand mehrerer Fälle, welche Risiken Menschenrechtsarbeit in Russland heute mit sich bringt. 



Der Einsatz für die Menschenrechte wird in Russland immer gefährlicher. Das liegt zum einen an den russischen Behörden selbst, die mit repressiven Gesetzen und fingierten Strafverfahren gegen Kritiker und Aktivisten vorgehen. Zum anderen gibt es eine wachsende Zahl gewaltsamer Übergriffe und Morddrohungen gegen Menschenrechtler. Das dokumentiert ein neuer Amnesty-Kurzbericht.



"Wer sich in Russland für die Menschenrechte einsetzt, muss um seine Freiheit, seine Gesundheit, sein Leben fürchten", sagt Peter Franck, Russland-Experte von Amnesty International in Deutschland. "Das gilt insbesondere seit Präsident Putin im Jahr 2012 seine dritte Amtszeit angetreten hat. Die Situation für Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtler hat sich in den vergangenen Jahren massiv verschlechtert."



"Seit 2012 hat es in Russland Dutzende Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger und Aktivisten gegeben. Diese Angriffe werden nicht effektiv untersucht, sodass die Verantwortlichen ungestraft davonkommen. Es fehlt der politische Wille, Menschenrechtsverteidiger wirksam zu schützen", kritisiert Franck. "Damit tragen die russischen Behörden eine Verantwortung für die Übergriffe."

Am 28. Dezember 2017 wurden der Umweltaktivist Andrey Rudomakha aus der Region Krasnodar, zwei seiner Kollegen und eine lokale Journalistin von drei maskierten Männern brutal zusammengeschlagen. Mehr als anderthalb Jahre später haben die Ermittlungen zum Vorfall immer noch keine substanziellen Fortschritte gemacht.



"Besonders dramatisch ist die Situation für Menschenrechtsverteidiger im Nordkaukasus, insbesondere in Tschetschenien. Sie leben jeden Tag mit der Gefahr, überfallen, festgenommen, gefoltert oder getötet zu werden. Menschenrechtsarbeit ist unter diesen Umständen kaum noch möglich", so Franck.

Nach dem bis heute nicht aufgeklärten Mord an einer Mitarbeiterin des Menschenrechtszentrums von Memorial, Natalia Estemirowa, im Jahr 2009 sind Menschenrechtsverteidiger in der Region immer wieder überfallen und schwer misshandelt worden. Auf Büros von Menschenrechtsorganisationen wurden Brandanschläge verübt. Täter wurden weder ermittelt noch zur Verantwortung gezogen.

Im Januar 2018 wurde Oyub Titiev, Leiter des Memorial-Büros im tschetschenischen Grosny, wegen absurder Vorwürfe verhaftet und schließlich auch zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Er saß unschuldig in Haft, bis er im Juni 2019 auf Bewährung freikam. Memorial hat sein Büro in Grosny im Zusammenhang mit der Verhaftung geschlossen.



Seit 2012 hat das russische Parlament zudem eine Reihe von Gesetzen verabschiedet, mit denen die Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit massiv beschränkt werden. "Mit diesen Gesetzen wird die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen enorm behindert", sagt Franck. "Gleichzeitig beobachten wir, dass insbesondere in den elektronischen Medien die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen als Unterstützung von Terroristen diffamiert wird."

"Menschenrechtler leisten einen unverzichtbaren Beitrag für die Gesellschaft. Sie kritisieren Unrecht, kämpfen für Gerechtigkeit und treten für das Wohl aller Menschen ein", so Franck. "Die russischen Behörden verletzen ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen. Es ist wichtig, dass die Bundesregierung und die Europäische Union die Arbeit von Menschenrechtsverteidigern weiter unterstützen, das Vorgehen gegen sie durch russische Behörden deutlich benennen und kritisieren sowie die russische Führung an ihre Verantwortung zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern erinnern."

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