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Polizei geht gegen Menschen vor, die Geflüchteten helfen

In Nordfrankreich gehen die Behörden mit Schikanen, Einschüchterungen und Gewalt gegen Menschen vor, die Migranten, Asylsuchende und Flüchtlinge humanitär und auf andere Weise unterstützen. Dies ist eine kalkulierte Strategie mit dem Ziel, die Solidarität mit Geflüchteten zu unterbinden. Der neue Amnesty-Bericht "Targeting solidarity: Criminalization and harassment of people defending migrant and refugee rights in northern France" macht deutlich, wie Polizei und Gerichte Menschen ins Visier nehmen, die Flüchtlingen und Migranten in Calais und Grande-Synthe helfen.
Zweieinhalb Jahre nach dem Abriss des sogenannten "Dschungels" leben mehr als 1.200 Flüchtlinge und Migranten, darunter auch unbegleitete Minderjährige, in Zelten und inoffiziellen Lagern nahe Calais und Grande-Synthe. Sie haben keinen regelmäßigen Zugang zu Lebensmitteln, Wasser, Sanitäranlagen, Unterkünften und rechtlichem Beistand. Zudem laufen sie stets Gefahr, von der Polizei vertrieben, schikaniert oder tätlich angegriffen zu werden. "Obwohl 2016 der 'Dschungel von Calais' aufgelöst wurde, leben mehr als eintausend Männer, Frauen und Kinder, die Migranten oder Flüchtlinge sind, immer noch unter prekären Bedingungen in der Gegend. Zudem gehen die Behörden regelmäßig gegen diejenigen vor, die Flüchtlingen und Migranten Hilfe anbieten", so Lisa Maracani, Expertin für die Situation von Menschenrechtsverteidigern bei Amnesty International. "Doch die Unterstützung durch die Menschenrechtsaktivisten ist entscheidend."
In den vergangenen zwölf Monaten hat die Anzahl der zerstörten Lager und Zelte in Calais und Grande-Synthe zugenommen. Allein von Anfang Januar bis Ende Mai 2019 kam es zu 391 Zwangsräumungen. Migranten und Flüchtlinge, die aus ihren Lagern vertrieben werden, sind in großer Gefahr, Opfer von Gewalt und Menschenrechtsverstößen zu werden.
Beleidigungen und Übergriffe sind an der Tagesordnung
In Frankreich verfolgt man die politische Strategie, die Einrichtung von Lagern von vornherein zu unterbinden, um zu verhindern, dass Flüchtlinge und Migranten sich lange an einem Ort aufhalten. Die steigende Anzahl an Zwangsräumungen ist eine Folge dieses Kurses. Zwar haben die französischen Behörden einen Kontaktdienst eingerichtet, um den Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen und Büros für Asylfragen zu ermöglichen, doch diese sind weit von Calais und Grande-Synthe entfernt und haben manchmal nicht genügend Kapazitäten. Um den Betroffenen zu helfen, haben Menschenrechtsverteidiger versucht, die Lücke zu füllen und die grundlegende Unterstützung anzubieten, die der Staat nicht in der Lage ist, bereitzustellen.

Flüchtlingscamp in Grande-Synthe im Februar 2016
© AIF
Statt die Bedeutung dieser Unterstützung anzuerkennen, reagieren die Behörden mit Einschränkungen, Einschüchterungsversuchen, Schikanen und manchmal auch mit Gewalt. In einigen Fällen wurden sogar strafrechtliche Ermittlungen auf der Grundlage konstruierter Vorwürfe eingeleitet.
Amnesty hat mit Menschenrechtsaktivisten gesprochen, die berichten, dass das Androhen von Festnahme sowie Einschüchterungsversuche und Beleidigungen mittlerweile ein normaler Teil ihrer Arbeit sind. Die Mitarbeiterin einer Hilfsorganisation gab an, von Sicherheitskräften zu Boden gedrückt und gewürgt worden zu sein, als sie im Juni 2018 vier Beamte filmte, die in Calais hinter einem ausländischen Staatsangehörigen herrannten.
Ein Bericht, der 2018 von vier Organisationen veröffentlicht wurde, spricht von 646 Fällen polizeilicher Schikanen gegen Ehrenamtliche zwischen November 2017 und Juni 2018. Für das Jahr 2019 sind bisher 72 solcher Vorfälle dokumentiert, die wahre Zahl liegt vermutlich weit höher.
Menschen, die Menschenrechtsverstöße gegen Flüchtlinge, Migranten oder Menschenrechtsaktivisten anzeigen, beschweren sich darüber, nicht ernst genommen zu werden. Charlotte Head, eine ehrenamtliche Helferin, zeigte mehrere Fälle polizeilichen Fehlverhaltens bei der polizeiinternen Untersuchungskommission an. Man warnte sie, dass ihre Beschwerden als "Diffamierung" gewertet und somit eine "Straftat" darstellen könnten.
Stress, Angst und die Furcht vor Strafverfolgung
Zahlreiche Menschenrechtsaktivisten sprachen mit Amnesty über ihr Gefühl, zunehmendem Druck ausgesetzt zu sein, der sich negativ auf alle Lebensbereiche auswirke. Manche leiden unter Schlaflosigkeit, Stress und Angstzuständen, während andere die Folgen strafrechtlicher Ermittlungen als lähmend beschreiben.
Loan Torondel, ein ehrenamtlicher Helfer in Calais, sagte Amnesty : "Ich habe das Gefühl, hin- und hergerissen zu sein: zwischen den akuten Bedürfnissen der Menschen, denen ich helfen möchte, und der Einschüchterung durch die französischen Behörden, die alle humanitären Aktivitäten zu verhindern suchen und unsere Handlungen als Straftaten darstellen wollen. So können wir auf Dauer nicht weiterarbeiten, und dann zahlen die Menschen, die unsere Hilfe benötigen, den höchsten Preis."
Von einem anderen Menschenrechtsaktivisten erfuhr Amnesty: "Es ist sehr schwierig für die ehrenamtlichen Unterstützer. Sie haben Angst. Wir informieren sie über die Sicherheitslage und die allgemeine Situation, und sie bekommen Angst. Wir haben Schwierigkeiten, neue Ehrenamtliche zu finden."
"Statt zu versuchen, Migranten und Flüchtlingen das Leben so schwer wie möglich zu machen, sollten die französischen Behörden konkrete Maßnahmen ergreifen, um ihre Notlage zu lindern und allen Obdachlosen Unterkünfte und Hilfe anzubieten", so Amnesty-Expertin Lisa Maracani. "Auch Menschenrechtsaktivisten müssen verteidigt werden. Statt sie wie Feinde zu behandeln, sollten die Behörden sie als wichtige Verbündete betrachten. Solidarische und empathische Handlungen dürfen nicht kriminalisiert, sondern sollten wertgeschätzt werden."