Aktuell Deutschland 21. Januar 2016

Türkei: Bundesregierung ignoriert Menschenrechtsverletzungen

Deutsch-türkische Regierungskonsultationen
Türkei: Bundesregierung ignoriert Menschenrechtsverletzungen

Türkische Sicherheitskräfte in der hauptsächlich von Kurden bewohnten Stadt Silvan im November 2015

21. Januar 2016 - Vor den am 22. Januar stattfindenden deutsch-türkischen Regierungskonsultationen fordert Amnesty von der Bundesregierung klare Worte zu den Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen und der Zivilbevölkerung im Südosten der Türkei.

"Die Bundesregierung fürchtet offensichtlich, durch Kritik an Menschenrechtsverletzungen die Zusammenarbeit mit der Türkei zu gefährden. Deshalb schweigt sie seit Monaten zu völkerrechtswidrigen Abschiebungen von Flüchtlingen nach Syrien und in den Irak, zur willkürlichen Tötung von Zivilisten und unverhältnismäßigen Ausgangssperren im Südosten der Türkei", sagt Marie Lucas, Türkei-Expertin von Amnesty International in Deutschland.

"Die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei müssen Kernthema der morgigen Gespräche sein. Die Bundesregierung ist dazu verpflichtet, auch in ihren Außenbeziehungen für einen besseren Menschenrechtsschutz zu sorgen. Diese Pflicht gilt immer und ausnahmslos, nicht nur dann, wenn das Thema Menschenrechte gerade keine anderen Interessen stört."

Amnesty International hat dokumentiert, wie zahlreiche Flüchtlinge in der Türkei willkürlich festgenommen und zurück nach Syrien und den Irak geschickt wurden.

"Solange die Türkei Flüchtende zur Rückkehr nach Syrien und in den Irak zwingt, müssen Bundesregierung und EU ihre Zusammenarbeit mit der Türkei in der Flüchtlingsfrage auf Eis legen. Die Bundesregierung aber ignoriert diese Völkerrechtsverletzungen und scheint an ihrem bisherigen Kurs festhalten zu wollen", so Lucas.

In einem neuen Bericht dokumentiert Amnesty International weitere Menschenrechtsverletzungen in vor allem von Kurden bewohnten Gebieten im Südosten der Türkei. Im Zuge der Auseinandersetzungen mit der PKK verhängen türkische Sicherheitskräfte seit August 2015 immer wieder wochenlange Ausgangssperren über ganze Stadtteile im Südosten der Türkei und schneiden die Bewohner dadurch vom Zugang zu Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung ab.

"Das unverhältnismäßige Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte ähnelt kollektiver Bestrafung und setzt das Leben Zehntausender Menschen aufs Spiel", sagt Lucas. Sicherheitskräfte setzen rücksichtslos schwere Waffen in Wohngebieten ein, dabei werden immer wieder Zivilisten getötet, darunter Kinder. Auch bei Anschlägen der PKK kamen Zivilisten ums Leben.

"Die Regierung lässt keine unabhängigen Beobachter in die betroffenen Städte und geht rigoros gegen Kritiker des Regierungskurses vor", fordert Lucas. "Auch von Seiten Deutschlands musste sie bisher keine Kritik fürchten. Dieses Schweigen der Bundesregierung muss nun ein Ende haben."

Weitere Informationen zur Menschenrechtslage in der Türkei:
Offensive gegen die Kurdengebiete bringt Zehntausende in Lebensgefahr (Artikel auf www.amnesty.ch)

Türkei: Meinungsfreiheit zunehmend bedroht

Amnesty International verurteilt Anschlag in Istanbul

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