DEINE SPENDE KANN LEBEN RETTEN!
Mit Amnesty kannst du dort helfen, wo es am dringendsten nötig ist.
DEINE SPENDE WIRKT!
Keine Besuche für inhaftierte Anwältin
Ein Angeklagter im Gerichtssaal eines Gefängnisses im Süden Kairos im August 2015
© Amr Nabil/AP/pa
Die Menschenrechtsanwältin Hoda Abdelmoniem ist im Frauengefängnis Al-Qanater inhaftiert. Seit ihrer Festnahme am 1. November 2018 verweigern ihr die Behörden Besuche ihrer Angehörigen, auch sonst darf sie keinen Kontakt zu ihnen aufnehmen. Ihre Familie hat sie zuletzt bei einer Anhörung am 18. Juli 2020 kurz gesehen.
Appell an
Hamada al-Sawi
Office of the Public Prosecutor
Madinat al-Rehab
Cairo
ÄGYPTEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Arabischen Republik Ägypten
S.E. Herr Khaled Mohamed Galaleldin Abdelhamid
Stauffenbergstraße 6-7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de
...oder schicke diesenTweet an die ägyptischen Behörden (@AlsisiOfficial): https://twitter.com/AmnestyMENA/status/1298246487885983746
Amnesty fordert:
- Bitte lassen Sie Hoda Abdelmoniem umgehend und bedingungslos frei und lassen Sie alle Anklagen gegen sie fallen.
- Sorgen Sie bitte dafür, dass sie bis zu ihrer Freilassung umgehend regelmäßigen Zugang zu ihrer Familie und einem Rechtsbeistand ihrer Wahl, sowie zu einer angemessenen medizinischen Versorgung – zu der auch der Einblick in die medizinischen Unterlagen gehört – erhält.
Sachlage
Die 61-jährige Hoda Abdelmoniem wird seit dem 1. November 2018 willkürlich festgehalten. Gegen sie wird wegen unbegründeter Terrorismus-Vorwürfe ermittelt. Amnesty International ist der Ansicht, dass sie ausschließlich wegen ihrer Arbeit als Menschenrechtsanwältin in Haft ist. Seit ihrer Festnahme darf sie keine Besuche von Angehörigen oder ihren Rechtsbeiständen erhalten. Die Gefängnisbehörden geben keine Begründung für diese Maßnahme an.
Die ägyptischen Behörden setzten am 15. März 2020 alle Gerichtsverfahren aus, um die Verbreitung des Corona-Virus zu begrenzen. Kurz zuvor, am 3. Februar 2020, konnten ihre Angehörigen Hoda Abdelmoniem noch kurz bei einer Anhörung sehen. Ihre Tochter berichtete Amnesty International anschließend, dass ihre Mutter sehr schlecht ausgesehen habe. Hoda Abdelmoniem hätte am 26. Januar 2020 einen Herzinfarkt erlitten und sei deswegen ins Krankenhaus eingewiesen worden. Außerdem leidet die Menschenrechtsanwältin an einem Blutgerinsel im linken Bein und an hohem Blutdruck. Hoda Abdelmoniems Angehörige durften die medizinischen Unterlagen nicht einsehen, die Auskunft über ihren Gesundheitszustand gegeben hätten. Das hat ihre Sorge weiter verstärkt. Ihre Tochter sagte gegenüber Amnesty International, dass das Personal des Krankenhauses, in dem sie wegen des Herzinfarktes behandelt worden war, ihr mitgeteilt habe, dass die Polizei sämtliche medizinischen Unterlagen mitgenommen habe.
Obwohl Gerichtsverhandlungen bereits am 1. Mai 2020 wieder aufgenommen wurden, fand die nächste Anhörung von Hoda Abdelmoniem erst am 18. Juli 2020 statt. Bei dieser Gelegenheit konnte ihr Mann ein paar Minuten mit ihr sprechen.
Die ägyptischen Behörden setzten am 10. März 2020 alle Gefängnisbesuche aus, um die Verbreitung des Corona-Virus zu begrenzen. Am 15. August 2020 gab das Innenministerium bekannt, dass die Besuche ab 22. August unter einigen Auflagen wieder aufgenommen werden könnten. Amnesty International befürchtet, dass Hoda Abdelmoniem angesichts der bisherigen Weigerungen der Gefängnisbehörden von der Wiederaufnahme der Besuche ausgeschlossen werden könnte. Obwohl andere Gefangene im Frauengefängnis Al-Qanater seit dem Ausbruch von COVID-19 ihren Angehörigen schreiben und auch Briefe von ihnen empfangen dürfen, wurde dies Hoda Adbelmoniem von den Gefängnisbehörden verboten.
Hintergrundinformation
Am 1. November 2018 um 1:30 Uhr morgens drangen Sicherheitskräfte unbefugt in die Wohnung von Hoda Abdelmoniem in Kairo ein und durchsuchten sie. Danach verbanden sie Hoda Abdelmoniem die Augen und fuhren gemeinsam mit ihr zum Haus ihrer Mutter. Während die Sicherheitskräfte auch das Haus ihrer Mutter durchsuchten, ließen sie Hoda Abdelmoniem mit verbundenen Augen im Polizeiauto zurück. Die Tochter von Hoda Abdelmoniem war Zeugin der Festnahme. Die Männer wiesen sich gegenüber der Tochter als Angehörige der Staatssicherheit aus. Sie legten ihr jedoch keinen Haftbefehl vor und verweigerten auch jegliche Auskunft über die Gründe für die Festnahme oder den Zielaufenthaltsort ihrer Mutter. Sie gestatteten Hoda Abdelmoniem nicht, ihre Medikamente oder andere persönliche Gegenstände mitzunehmen.
Nachdem der Verbleib von Hoda Abdelmoniem 20 Tage lang unbekannt gewesen war, wurde sie am 21. November 2018 der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit (SSSP) vorgeführt. Die SSSP ist eine Sonderabteilung der Staatsanwaltschaft, die für Ermittlungen im Bereich nationale Sicherheit zuständig ist. Am nächsten Tag durften ihre Familienangehörigen sich mit ihr im Büro der SSSP treffen. Sie berichteten, dass sie noch dieselbe Kleidung trug wie vor ihrem Verschwindenlassen und dass sie Angst hatte, am ganzen Körper zitterte und nicht über die Geschehnisse sprechen wollte. Anschließend wurde Hoda Abdelmoniem wieder an einen unbekannten Ort gebracht. Am 24. und 28. November 2018 fanden im SSSP-Büro weitere Treffen zwischen Hoda Abdelmoniem und ihrer Familie statt. Vom 2. Dezember 2018 bis zum 14. Januar 2019 wussten ihre Angehörigen und Rechtsbeistände jedoch wieder nichts über ihr Schicksal und ihren Verbleib.
Erst am 14. Januar 2019 wurde der Familie mitgeteilt, dass Hoda Abdelmoniem am 15. Januar 2019 erneut vor der Staatsanwaltschaft erscheinen werde. Dabei wurde ihre Untersuchungshaft erneut um 15 Tage verlängert. Sie sagte ihrer Tochter, dass sie nicht wisse, wo sie festgehalten wird. Die Tochter von Hoda Abdelmoniem gab an, ihre Mutter habe bei diesem Termin abgemagert ausgesehen, was auf die unzureichende Versorgung mit Nahrungsmitteln und die schlechte Qualität des Essens zurückzuführen ist. Nach ihrer Befragung durch die SSSP brachten die Sicherheitskräfte sie wieder mit verbundenen Augen an einen unbekannten Ort. Nachdem sie weitere zwei Wochen "verschwunden" war, wurde sie am 31. Januar 2019 in das Frauengefängnis von Al-Qanater verlegt.
Am 1. November 2018, dem Tag ihrer Festnahme, begannen die ägyptischen Behörden eine Serie von Durchsuchungen und nahmen mindestens 31 Menschenrechtsverteidiger_innen fest – zehn Frauen und 21 Männer. Die Menschenrechtsorganisation Egyptian Coordination for Rights and Freedoms (ECRF), die das Verschwindenlassen von Personen und die zunehmende Anwendung der Todesstrafe dokumentiert sowie Opfern von Menschenrechtsverletzungen Rechtshilfe leistet, ist vom harten Vorgehen der Behörden besonders betroffen, da viele ihrer Mitglieder festgenommen wurden. In einer am 1. November 2018 veröffentlichten Erklärung kündigte die ECRF die Aussetzung ihrer Menschenrechtsarbeit an. Die Organisation bezeichnete die Situation in Ägypten als unvereinbar mit jeglicher Form der Menschenrechtsarbeit und forderte den UN-Menschenrechtsrat auf, einzuschreiten.
Hoda Abdelmoniem engagierte sich ehrenamtlich als Rechtsberaterin bei der ECRF. Sie hat in den vergangenen Jahren Menschenrechtsverletzungen im Land dokumentiert, darunter auch Fälle des Verschwindenlassens. Desweiteren ist Hoda Abdelmoniem ein ehemaliges Mitglied des nationalen Menschenrechtsrats und der Anwaltskammer von Ägypten. Im Jahr 2013 wurde ihr ein Auslandsreiseverbot auferlegt, ohne dass sie eines Vergehens beschuldigt wurde.
Ab Mai 2020 verlängerten ägyptische Gerichte und Staatsanwaltschaften die Haftbefehle für Tausende von Untersuchungshäftlingen in deren Abwesenheit. Dieses Vorgehen stellt eine massive Verletzung des Rechts auf ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren dar, einschließlich des Rechts, die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung anfechten zu können. Seit der Wiederaufnahme von Gerichtsverhandlungen am 1. Mai 2020 wurden nur wenige Angeklagte dem Gericht vorgeführt. Rechtsbeiständen zufolge weigerten sich Richter_innen auch, ihre Verteidigung – einschließlich der Bedenken, dass die Verlängerungsentscheidungen gegen ägyptisches Recht verstoßen könnten – anzuhören. Während einer Anhörung bat ein Richter die anwesenden Rechtsbeistände, fünf von sich zu benennen, die Hunderte von Angeklagten vertreten sollten.