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Willkommen im Frost
Szene aus dem Film "Welcome to Norway"
© Polyfilm
Rune Denstad Langlo gelingt mit "Welcome to Norway" eine eiskalte Komödie zum Thema Flucht.
Von Jürgen Kiontke
"Brauchen die was zu essen?" Der rassistische Hotelbesitzer Primus (Anders Baasmo Christiansen) wittert zwar das ganz große Geschäft, aber das löst natürlich nicht die vielen Detailfragen. "Die", das sind Flüchtlinge. Und Primus will mit ihnen sein marodes Hotel irgendwo in der norwegischen Ödnis nahe des Polarkreises wiederbeleben – erst Fremde einquartieren, dann Subventionen kassieren.
Dann kommen sie: Busladungen voller Menschen aus verschiedenen Ländern, wenn nicht Kontinenten. Es dauert keine fünf Minuten, dann werden die kleinen Schwachstellen in der Bruchbude des erfolglosen Hoteliers gnadenlos offenbar. Es gibt nicht nur nichts zu essen, zubereiten könnte man es auch nicht. Die Anlage ist ohne Strom. Die Beauftragten der Kommune wollen das Ausbeutungsprojekt nicht genehmigen, aber entsorgen schon einmal alte Bücher, indem sie dort eine Bibliothek einrichten. Dabei wollen die Geflüchteten nur an die Playstation.
Keine Unterstützung, kein Geld – die Menschen sind trotzdem da. Die Ehekrise des Hoteliers und der Krach mit Tochter Oda (Nini Kristiansen) auch. Die Ausgangslage scheint günstig für Rune Denstad Langlos Komödie "Welcome to Norway".
Als Slapstick-Stoff ist die Asylthematik ein gefährliches Pflaster, zu schnell können fade Gags nach hinten losgehen, kann das Geschehen in jovialen Paternalismus abkippen.
Langlo kontert die dramaturgischen Problemstellungen mit einem speziellen Blick auf das Zwischenmenschliche: Die Spannungen dieser Welt konzentrieren sich in den Auseinandersetzungen der Gäste. Schon die Frage, wer mit wem die Zimmer bezieht, endet in existenziellen Sackgassen: Christen und Muslime? Geht nicht. Schiiten und Sunniten? Undenkbar. Frauen und Männer sowieso nicht. Bald hängen die ersten Transparente an den Fenstern: "Guantanamo" steht darauf.
Es ist Winter und das Norwegen in diesem Film ist eine kalte, leere Welt. Flüchtling Zoran (Slimane Dazi) sagt: "Ich bin seit zehn Jahren auf der Flucht. So etwas habe ich noch nicht erlebt." Der gelernte Elektroingenieur setzt schließlich, mürrisch wie er ist, die Stromversorgung in Gang.
Auf der Basis des Absurden entstehen jede Menge neuer Koalitionen: Oda heiratet Mona (Elisar Sayegh) aus dem Libanon, Primus beginnt eine Affäre mit der Kommunalsachbearbeiterin, um an das Geld zu kommen. Doch wie alles andere geraten auch die Liebesdinge außer Kontrolle, während sich stattdessen die Selbstorganisation der Flüchtlinge als hilfreich erweist.
Langlos Film zeichnet sich dadurch aus, immer noch eine Wendung, einen Ausweg bereit zu haben, immer noch etwas draufzusetzen. Einen ersten Test konnte der Film beim Filmfest in Emden bestehen, wo er den mit 7.000 Euro dotierten DGB-Publikumspreis "Die Sinne" gewann. Der Preis würdigt in besonderer Weise gesellschaftlich engagierte Filme.
"Welcome to Norway" handelt vom gegenwärtigen Zustand Europas. Er versucht, zu zeigen, wer hier wie unterwegs ist. Dabei werden weder Härten noch Schwierigkeiten verschwiegen. Der Film ist ein Plädoyer, im Menschen den Menschen zu sehen. Er stellt sich nicht über die Gegenwart, er lässt ihr Platz.
"Welcome to Norway". NOR 2016. Regie: Rune Denstad Langlo, Darsteller: Anders Baasmo Christiansen, Olivier Mukuta. Kinostart: 13. Oktober 2016
Dieser Artikel ist in der Oktober/November-Ausgabe 2016 des Amnesty Journal erschienen