Amnesty Journal 22. Januar 2013

Besondere Beziehung

Wir alle kennen die Geschichte von Winnetou, dem von Karl May romantisierten Apachen-Häuptling, der gegen die Siedler im "Wilden Westen" und den Bau einer Eisenbahnlinie durch das Apachenland kämpft. So umstritten die Darstellung des "edlen Wilden" aus heutiger Sicht auch sein mag, so enthält die Romanfigur doch einen noch heute relevanten Aspekt.

Von Alexia Knappmann

Denn Winnetous Apachen sind ein indigenes Volk, das sich gegen die wirtschaftlichen Interessen und Entwicklungsmaßnahmen der Regierung und für den Erhalt seines Landes einsetzt. Und dieser Konflikt ist hochaktuell. Heute würde Winnetou zwar nicht mehr seine "Silberbüchse" benötigen, sondern könnte sich auf internationales Recht berufen. Doch bleibt der Kampf der indigenen Völker ein lang­wieriger und schwieriger Prozess.

Weltweit gibt es schätzungsweise 370 Millionen Menschen, die indigener Herkunft sind. Sie alle vereint, dass sie eine besondere Beziehung zu ihrem traditionell angestammten Land pflegen, das ihnen ihre kulturelle Identität, ihre Existenz und ihre Lebensweise sichert. Der Erhalt dieses Landes und seiner Bodenschätze ist für sie von essenzieller Bedeutung. Der Ressourcenreichtum ­indigener Lebensräume macht das Land jedoch auch für private und staatliche Akteure interessant, die nach Wachstum und Entwicklung streben.

Oft kommt es dabei zu Konflikten zwischen wirtschaftlichen Interessen und der Einhaltung von Menschenrechten. Weil indigene Völker häufig marginalisiert und rechtlich benachteiligt sind, ist die Gefahr groß, dass sie Opfer von Menschenrechtsverletzungen werden. Nachdem sich indigene Organisationen jahrzehntelang dafür eingesetzt hatten, wurden endlich internationale Vereinbarungen getroffen, die die Landrechte indigener Gemeinden anerkennen und schützen sollen. Insbesondere die 2007 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete Erklärung über die Rechte der indigenen Völker und die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sind dabei von zentraler Bedeutung. Diese Abkommen schützen die kulturelle Identität und Lebensweise indigener Gemeinden und räumen ihnen ein Konsultationsrecht bei Projekten ein, die ihr Land betreffen. Wenn sie ein Projekt ablehnen, muss dies akzeptiert werden.

Diese internationalen Standards werden vermehrt auch in nationale Gesetze umgesetzt. Dennoch versuchen Regierungen weltweit immer wieder, die Rechte ­indigener Gemeinden zu umgehen. Und auch nationale und multinationale Konzerne tragen dazu bei, dass in­ternationale Normen untergraben werden. Wehren sich die indigenen Gruppen, werden sie bedroht und eingeschüchtert, ihr legitimer Protest wird kriminalisiert. Dabei müssen sie die Konsequenzen, wie massive Umweltzerstörung und negative gesundheitliche Folgen, tragen. Daher bedarf es dringend wirksamer Mechanismen, um die Konsultationsrechte indigener Völker zu gewährleisten.

Alexia Knappmann ist Politologin und lebt Berlin.

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