Amnesty Report El Salvador 23. Mai 2018

El Salvador 2017/18

Report Cover 17/18

Das hohe Ausmaß an geschlechtsspezifischer Gewalt machte El Salvador zu einem der gefährlichsten Länder für Frauen weltweit. Das absolute Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen bestand weiter. Frauen, die Fehlgeburten oder andere Komplikationen im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft erlitten hatten, wurden weiterhin wegen Mord in einem besonders schweren Fall verurteilt. Die Regierung ergriff eine Reihe von Maßnahmen zur Bekämpfung der Gewaltkriminalität, die nicht den internationalen Menschenrechtsstandards entsprachen. Es gab Bemühungen, gegen die Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen vorzugehen, die in der Vergangenheit verübt worden waren. Die Regierung gestand jedoch ein, dass sie noch keine Konsequenzen aus dem Urteil des Obersten Gerichtshofs von 2016 gezogen hatte, mit dem das Amnestiegesetz von 1993 für verfassungswidrig erklärt worden war.

Hintergrund

El Salvador wies weiterhin eine der weltweit höchsten Mordraten auf, auch wenn die Anzahl der Morde, die 2016 bei 5280 gelegen hatte, im Jahr 2017 auf 3605 zurückging. 429 der Morde im Jahr 2017 waren Femizide.

Frauenrechte

Schwangerschaftsabbrüche waren nach wie vor ausnahmslos verboten und zogen Strafen für die betroffenen Frauen und die Personen nach sich, die ihnen bei dem Schwangerschaftsabbruch geholfen hatten. Frauen mit geringem Einkommen waren davon überproportional betroffen.

Im März 2017 nahm die Interamerikanische Menschenrechtskommission eine Beschwerde im Fall von Manuela an. Sie war wegen Mord verurteilt worden, nachdem sie eine Fehlgeburt erlitten hatte, und starb in der Haft an Krebs. 

Am 5. Juli 2017 wurde Evelyn Beatriz Hernández Cruz wegen Mord in einem besonders schweren Fall zu 30 Jahren Haft verurteilt, nachdem es während ihrer Schwangerschaft zu Komplikationen gekommen war, die zu einer Fehlgeburt geführt hatten. Am 13. Dezember lehnte ein Gericht die Freilassung von Teodora del Carmen Vásquez ab. Sie hatte im Jahr 2007 eine Totgeburt erlitten und wurde später wegen Mord in einem besonders schweren Fall zu 30 Jahren Haft verurteilt. 

Im August 2017 präsentierte ein Parlamentarier der Oppositionspartei Alianza Republicana Nacionalista (ARENA) einen neuen Gesetzentwurf zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in zwei Fällen: wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr war oder wenn die Schwangerschaft die Folge einer Vergewaltigung einer Minderjährigen war. Der Vorschlag war im Parlament noch anhängig. Schon 2016 hatte es Versuche gegeben, Schwangerschaftsabbrüche unter bestimmten Voraussetzungen straffrei zu stellen, die allerdings gescheitert waren.

Im August 2017 verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das Ehen von Minderjährigen ausnahmslos verbietet.

Im November nahm die Interamerikanische Menschenrechtskommission eine Beschwerde im Fall von Beatriz an. Ihr war 2013 ein Schwangerschaftsabbruch verwehrt worden, obwohl ihr Leben durch die Schwangerschaft gefährdet war und eine Untersuchung des Fötus ergeben hatte, dass er aufgrund einer schweren Missbildung nach der Geburt nicht überlebensfähig sein würde.

Menschenrechtsverteidiger

Im Juni 2017 durchsuchten Angehörige der Nationalpolizei widerrechtlich die Wohnung der Menschenrechtsverteidigerin Sonia Sánchez Pérez. Die Ombudsstelle für Menschenrechte (Procuraduría para la Defensa de los Derechos Humanos) hatte ihr 2015 Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit ihrer Arbeit für den Umweltschutz zugebilligt.

Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche

Im Oktober 2017 erklärte die Menschenrechtsverteidigerin und Gründerin der ersten Vereinigung Transgeschlechtlicher in El Salvador, Karla Avelar, dass sie in Europa Asyl beantragen wolle. Sie kritisierte, dass die Behörden sie nicht ausreichend schützten, obwohl es mehrere sicherheitsrelevante Vorfälle gegeben habe und sie bedroht und von kriminellen Banden erpresst werde. Die Vereinigung für Kommunikation und Training Transgeschlechtlicher Frauen in El Salvador (Asociación Comunicando y Capacitando a Mujeres Trans en El Salvador) berichtete, dass es von Januar bis September 2017 mindestens 28 schwere Angriffe auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche gegeben habe. In den meisten Fällen habe es sich um Mord gehandelt.

Außergerichtliche Hinrichtungen

Im September 2017 berichteten das Menschenrechtsinstitut der Zentralamerikanischen Universität José Simeón Cañas und der Sozialdienst der katholischen Ordensgemeinschaft der Passionisten (El Servicio Social Pasionista) vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission, dass das Militär und die Nationalpolizei für außergerichtliche Hinrichtungen verantwortlich seien.

Polizei und Sicherheitskräfte

Im November 2017 forderte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte El Salvador mit Nachdruck auf, die "außerordentlichen Maßnahmen" einzustellen, die 2016 zur Bekämpfung von Bandengewalt und organisierter Kriminalität eingeführt worden waren, da diese nicht den internationalen Menschenrechtsstandards entsprächen. Die Maßnahmen sahen u. a. lang andauernde Einzelhaft unter unmenschlichen Bedingungen und die lang anhaltende Aussetzung von Familienbesuchen für die Gefangenen vor.

Binnenvertriebene

Am 6. und 13. Oktober 2017 erließ die Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofs erstmals zwei Verfügungen (Amparo) zum Schutz von Binnenvertriebenen. Sie umfassten u. a. Schutzmaßnahmen für eine Familie, die nach Vergewaltigung, Drohungen, Schlägen und Schikanen durch eine kriminelle Bande gezwungen war, ihren Wohnort zu verlassen. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission und die UN-Sonderberichterstatterin für die Menschenrechte Binnenvertriebener begrüßten die Entscheidung.

Straflosigkeit

Sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene wurden Maßnahmen beschlossen, um Entschädigungen für völkerrechtliche Verbrechen zu ermöglichen und die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen zu bestrafen, die während des bewaffneten Konflikts (1980–92) in El Salvador begangen worden waren. 

Im Mai 2017 ordnete ein Gericht die Wiedereröffnung des Verfahrens im Fall des Erzbischofs von San Salvador, Monseñor Óscar Arnulfo Romero y Galdámez, an, der 1980 von einer Todesschwadron ermordet worden war, als er eine Messe zelebrierte. 

Der Oberste Gerichtshof hielt im Juli 2017, im Nachgang zu seiner Entscheidung von 2016, mit der er das Amnestiegesetz von 1993 für verfassungswidrig erklärt hatte, eine Anhörung ab, um festzustellen, welche Schritte die Regierung unternommen hatte, um dieses Urteil umzusetzen. Bei der Anhörung räumten Regierungsvertreter ein, dass sie bisher keine Konsequenzen aus dem Urteil gezogen hatten.

Im September 2017 setzte die Regierung eine Kommission ein, die den Verbleib von Personen klären soll, die während des bewaffneten Konflikts Opfer des Verschwindenlassens geworden waren. 

Im November 2017 machte der Oberste Gerichtshof der USA den Weg frei, um Colonel Inocente Orlando Montano Morales in Spanien vor Gericht zu stellen. Ihm wurde vorgeworfen, 1989 an einer Verschwörung zur Ermordung von sechs Jesuitenpriestern, ihrer Haushälterin und deren Tochter in El Salvador beteiligt gewesen zu sein.

Bericht von Amnesty International

Americas: "No Safe Place" – Salvadorans, Guatemalans and Hondurans seeking asylum in Mexico based on their sexual orientation and/or gender identity (AMR 01/7258/2017)

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