Amnesty Report Russische Föderation 18. Februar 2017

Russland 2017

Amnesty Report 2016 / 2017

Die Rechte auf freie Meinungsäußerung sowie auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit waren im Jahr 2016 verstärkten Einschränkungen unterworfen. Die Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Teilnehmende der regierungskritischen Proteste auf dem Moskauer Bolotnaya-Platz wurden fortgesetzt. Es gab Zweifel daran, dass dabei die internationalen Standards für ein faires Gerichtsverfahren eingehalten wurden.

Menschenrechtsverteidiger wurden wegen ihrer Aktivitäten mit Geldstrafen belegt oder strafrechtlich verfolgt. Zum ersten Mal kam es wegen eines Verstoßes gegen das sogenannte Agentengesetz zur Strafverfolgung. Eine Reihe von Personen wurde wegen ihrer Kritik an der Staatspolitik oder des Besitzens bzw. Verbreitens extremistischer Materialien nach den Rechtsvorschriften zur Bekämpfung des Extremismus unter Anklage gestellt. Es gab Berichte über Folterungen und andere Misshandlungen in den Strafvollzugsanstalten des Landes.

Aufgrund der unangemessenen medizinischen Versorgung in den Hafteinrichtungen war das Leben vieler Gefangener gefährdet. Auch 2016 wurden im Zusammenhang mit Operationen der Sicherheitskräfte im Nordkaukasus schwere Menschenrechtsverletzungen gemeldet. Wer in Tschetschenien Kritik an den Behörden äußerte, musste mit Angriffen nichtstaatlicher Akteure und mit Strafverfolgung rechnen. Menschenrechtsverteidiger, die aus der Region berichteten, wurden Opfer von Schikanen durch nichtstaatliche Akteure. Russland wurde wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen russischer Streitkräfte in Syrien international kritisiert. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) setzte seine vorläufige Untersuchung zur Lage in der Ukraine fort und befasste sich dabei u. a. mit in der Ostukraine und auf der Krim begangenen Straftaten. Die Rechte von Flüchtlingen und Asylsuchenden wurden in Russland nicht gewahrt.

GESETZLICHE, VERFASSUNGSRECHTLICHE UND INSTITUTIONELLE ENTWICKLUNGEN

Am 7. Juli 2016 wurden die unter dem Begriff Yarovaya-Paket zusammengefassten Änderungen der Gesetze zur Bekämpfung des Extremismus in Kraft gesetzt. Die geänderten Rechtsvorschriften waren zu weiten Teilen unvereinbar mit Russlands internationalen Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte. So wurden alle missionarischen Aktivitäten außerhalb eigens dazu bestimmter religiöser Institutionen verboten und Provider dazu verpflichtet, den gesamten Nachrichtenverkehr sechs Monate lang und alle Metadaten drei Jahre lang zu speichern. Zudem wurde die Höchststrafe für extremistische Delikte von vier auf acht Jahre und für Anstiftung zur Beteiligung an Massenunruhen von fünf auf zehn Jahre Haft angehoben.

RECHT AUF VERSAMMLUNGSFREIHEIT

Im März 2016 wurde das Gesetz über öffentliche Versammlungen um eine Bestimmung zu "nicht genehmigten" Autokorsos erweitert. Im August kam es auf Grundlage der neuen Bestimmung zu Strafverfolgungsmaßnahmen gegen eine Gruppe von Bauern aus dem südostrussischen Kuban-Gebiet, die mit ihren Traktoren und Privatwagen nach Moskau fuhren, um gegen die Landaneignung durch große Agrarunternehmen zu protestieren. Ihr Anführer Aleksei Volchenko wurde wegen "Teilnahme an einer nicht genehmigten Demonstration" zu zehn Tagen Verwaltungshaft verurteilt, weil er an einem Treffen der Bauern mit dem stellvertretenden regionalen Bevollmächtigten des Präsidenten teilgenommen hatte. Andere Teilnehmende des Treffens erhielten Geldstrafen oder kurze Verwaltungshaftstrafen.

Vier Teilnehmer der Protestkundgebung auf dem Moskauer Bolotnaya-Platz am 6. Mai 2012 verbüßten noch immer ihre Strafen, und gegen zwei weitere wurde Anklage erhoben. Am 5. Januar 2016 erklärte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dass Yevgeniy Frumkins 15-tägige Inhaftierung wegen "Missachtung polizeilicher Anweisungen" im Zusammenhang mit den Protesten auf dem Bolotnaya-Platz willkürlich war. Zudem stellte der Gerichtshof einen Verstoß gegen sein Recht auf friedliche Versammlung fest. Der EGMR befand, die Festnahme von Yevgeniy Frumkin sowie seine Inhaftierung und die Verwaltungsstrafe seien "in höchstem Maße unverhältnismäßig" und lediglich dazu bestimmt gewesen, ihn und andere von der Teilnahme an Protestkundgebungen und vom Engagement in der politischen Opposition abzuhalten.

Am 12. Oktober 2016 wurde Dmitry Buchenkov wegen der Teilnahme an Massenunruhen und der Anwendung "nicht tödlicher Gewalt" gegen Polizeibeamte während der Kundgebung am Bolotnaya-Platz in sechs Fällen angeklagt. Er erklärte, dass er zum fraglichen Zeitpunkt in Nischni Nowgorod gewesen sei und deshalb gar nicht an der Kundgebung hätte teilnehmen können. Dmitry Buchenkov war im Dezember 2015 festgenommen worden und befand sich Ende 2016 noch immer in Haft.

RECHT AUF VEREINIGUNGSFREIHEIT – MENSCHENRECHTSVERTEIDIGER

2016 wurde die Liste "ausländischer Agenten" um Dutzende unabhängiger NGOs erweitert, die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhielten, darunter auch die Internationale Gesellschaft für historische Aufklärung, Menschenrechte und soziale Fürsorge Memorial.

Nach wie vor mussten NGOs, die gegen das Gesetz über "ausländische Agenten" verstießen, mit Geldstrafen rechnen. Ende Juni wurde die Gründerin und Vorsitzende der russischen NGO Vereinigung der Frauen vom Don (Women of the Don Union) Valentina Cherevatenko darüber in Kenntnis gesetzt, dass Strafverfolgungsmaßnahmen wegen "systematischer Unterlassung von Verpflichtungen, welche das Gesetz über Non-Profit-Organisationen mit der Funktion ausländischer Agenten vorschreibt," gegen sie eingeleitet wurden. Im Falle eines Schuldspruchs würden ihr bis zu zwei Jahre Haft drohen. Dies war das erste Mal, dass es gemäß den 2012 eingeführten Bestimmungen zu einer strafrechtlichen Verfolgung kam. Das Ermittlungsverfahren gegen Valentina Cherevatenko war Ende 2016 noch nicht abgeschlossen. Die Ermittler verhörten immer wieder Mitarbeiter ihrer NGO und überwachten alle Veröffentlichungen der Organisation.

Lyudmilla Kuzmina, pensionierte Bibliothekarin und Koordinatorin der Wahlbeobachterorganisation Golos in Samara, wurde von der russischen Finanzbehörde auf Zahlung von 2222521 Rubel (etwa 31000 Euro) verklagt. Die Behörde stufte einen Zuschuss der US-Behörde für internationale Entwicklung (United States Agency for International Development – USAID) als steuerpflichtigen Gewinn ein und erklärte, Lyudmilla Kuzmina habe den Betrag zu Unrecht als Unterstützungszahlung deklariert. USAID war zur "unerwünschten ausländischen Organisation" erklärt worden. Am 14. März gab ein Gericht einem von der Finanzbehörde gegen die Entscheidung des Bezirksgerichts von Samara eingelegten Rechtsmittel statt. Das Bezirksgericht hatte am 27. November 2015 entschieden, dass Lyudmilla Kuzmina den Staat nicht betrogen und das Geld nicht missbräuchlich für sich selbst verwendet habe. Nach dem erfolgreichen Rechtsmittel wurde ihr Auto beschlagnahmt und sie erhielt keine Rentenzahlungen mehr.

RECHT AUF FREIE MEINUNGSÄUSSERUNG

Auch im Jahr 2016 führte die exzessive Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen zur Bekämpfung von Extremismus zu Verstößen gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung. Nach Angaben des SOVA-Instituts ergingen 90% aller Verurteilungen unter diesen Bestimmungen wegen der Veröffentlichung und Verbreitung von Beiträgen in sozialen Medien. Am 3. November veröffentlichte das Plenum des Obersten Gerichtshofs der Russischen Föderation auf Verlangen des SOVA-Instituts und anderer NGOs Richtlinien zur Anwendung der Anti-Extremismus-Bestimmungen für Richter. Darin wurde dargelegt, dass eine Äußerung erst dann den Straftatbestand der Anstiftung zum Hass erfüllt, wenn darin ein Element der Gewalt wie ein Aufruf zum Völkermord, zu kollektiven Unterdrückungsmaßnahmen, zur Deportation oder zu Gewalt enthalten ist.

Am 20. Februar 2016 erging gegen die Verkäuferin Yekaterina Vologzheninova aus Jekaterinburg (Ural-Region) gemäß Paragraph 282 des russischen Strafgesetzbuchs ein Schuldspruch wegen "Anstiftung zu Hass und Feindschaft aus ethnischen Gründen". Sie hatte im Internet die Annexion der Krim durch Russland und das militärische Eingreifen Russlands im ostukrainischen Donbass kritisiert. Ihre Kritik hatte vor allem darin bestanden, dass sie Artikel aus ukrainischen Medien geteilt hatte. Die alleinerziehende Mutter, die zudem noch ihre alte Mutter alleine versorgte, musste 320 Stunden unbezahlte "Zwangsarbeit" ableisten. Außerdem ordnete der Richter die Zerstörung ihres Computers als "Tatwaffe" an.

Am 2. November 2016 begann das Gerichtsverfahren gegen die gewaltlose politische Gefangene Natalya Sharina, Leiterin der staatlichen Bibliothek für ukrainische Literatur in Moskau. Sie wurde gemäß Paragraph 282 des russischen Strafgesetzbuchs wegen "Anstiftung zu Hass und Feindschaft durch Amtsmissbrauch" und darüber hinaus wegen "Veruntreuung von Bibliotheksgeldern" angeklagt. Bei einem Schuldspruch würden ihr bis zu zehn Jahre Haft drohen. Ihr wurde vorgeworfen, dass auf einem Stapel noch nicht katalogisierter Bücher in der Bibliothek mehrere als extremistisch eingestufte Werke gefunden worden sein sollen. Natalya Sharina wurde am 30. Oktober 2015 unter Hausarrest gestellt, der bis Ende 2016 nicht aufgehoben wurde.

NORDKAUKASUS

Auch 2016 wurden aus dem Nordkaukasus schwere Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Operationen der Sicherheitskräfte gemeldet, darunter Fälle von Verschwindenlassen und mutmaßlichen außergerichtlichen Hinrichtungen. Auch Menschenrechtsverteidiger waren in der Region gefährdet. Am 9. März 2016 wurden zwei Mitglieder der Menschenrechtsorganisation Joint Mobile Group (JMG), die zusammen mit ihrem Fahrer und sechs Journalisten aus Russland, Norwegen und Schweden auf dem Weg von Nordossetien nach Tschetschenien waren, Ziel eines Angriffs. An einem Sicherheitskontrollpunkt nahe der Verwaltungsgrenze zwischen Inguschetien und Tschetschenien stoppten vier Fahrzeuge ihren Kleinbus. Zwanzig maskierte Männer zwangen sie, auszusteigen, prügelten auf sie ein und setzten dann den Bus in Brand. Zwei Stunden später wurde das Büro der Menschenrechtsorganisation in Inguschetien verwüstet. Am 16. März 2016 forderte der Manager eines Hotels in Grozny den JMG-Direktor Igor Kalyapin auf, das Hotel zu verlassen, weil er den tschetschenischen Präsidenten Ramzan Kadyrov "nicht möge". Igor Kalyapin wurde anschließend von einem wütenden Mob geschlagen sowie mit Eiern, Kuchen, Mehl und Desinfektionsmittel beworfen.

Am 5. September 2016 wurde der für seine Kritik an der tschetschenischen Führung bekannte unabhängige Journalist Zhalaudi Geriev vom Bezirksgericht Shali in Tschetschenien wegen des angeblichen Besitzes von 167 Gramm Marihuana zu drei Jahren Haft verurteilt. In seinem Gerichtsverfahren zog er sein "Geständnis" zu der Anklage zurück und erklärte, drei Männer in Zivil hätten ihn am 16. April festgenommen, in ein Auto gezwungen und zu einem Waldstück außerhalb von Grozny gefahren. Dort sei er gefoltert worden, ehe man ihn den Sicherheitskräften übergeben hätte, die ihn zu seinem "Geständnis" zwangen.

Auch 2016 übte die tschetschenische Führung unmittelbaren Druck auf die Justiz aus. Am 5. Mai berief Ramzan Kadyrov eine Versammlung aller Richter ein und zwang vier von ihnen zum Rücktritt. Eine Reaktion seitens der Behörden der Russischen Föderation gab es darauf nicht.

UNFAIRE GERICHTSVERFAHREN

Am 26. Mai 2016 wurden die beiden ukrainischen Staatsbürger Mykola Karpyuk und Stanislav Klykh nach einem unfairen Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof der Tschetschenischen Republik zu 22 Jahren und sechs Monaten bzw. 20 Jahren Haft verurteilt. Der Oberste Gerichtshof der Russischen Föderation bestätigte die Urteile im Rechtsmittelverfahren. Mykola Karpyuk wurde für schuldig befunden, Mitbegründer und Anführer einer bewaffneten Gruppe gewesen zu sein, die während des Tschetschenienkonflikts (1994–1996) 30 russische Soldaten getötet haben soll. Auch Stanislav Klykh soll Mitglied dieser Gruppe gewesen sein. Die beiden Männer gaben an, nach ihrer Festnahme im März bzw. im August 2014 gefoltert worden zu sein. In den Monaten nach ihrer Festnahme erhielten ihre Anwälte weder Zugang zu ihnen noch grundlegende Informationen über ihren Verbleib. Stanislav Klykh, der vor seiner Inhaftierung nie unter psychischen Problemen gelitten hatte, wirkte während des gesamten Verfahrens, das im Oktober 2015 begonnen hatte, psychisch schwer gestört. Möglicherweise war dies eine Folge seiner Folterung. Der Anwalt von Mykola Karpyuk erklärte, dass in der Fallakte wichtige entlastende Beweise, die das Alibi seines Mandanten bestätigten, fehlten. Der zuständige Richter untersagte die Befragung von Zeugen in der Ukraine.

FOLTER UND ANDERE MISSHANDLUNGEN

Auch 2016 waren systematische Folter und andere Misshandlungen in den ersten Tagen der Haft und in Gefängniskolonien weit verbreitet.

Am 30. August 2016 wurden Murad Ragimov und sein Vater in der Küche ihres Hauses in Moskau von Angehörigen einer Sondereinheit des Innenministeriums zwei Stunden lang geschlagen und gefoltert. Die Beamten warfen Murad Ragimov vor, in Dagestan zwei Polizisten getötet und in Syrien für die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat (IS) gekämpft zu haben. Sein Cousin, der ebenfalls anwesend war, wurde mit Handschellen am Küchentisch fixiert und musste zusehen, wie die Beamten Murad Ragimov folterten.

Unter anderem setzten sie einen Elektroschlagstock ein und nahmen ihm die Luft, indem sie ihm eine Plastiktüte über den Kopf zogen. Schließlich behaupteten die Beamten, sie hätten in seinen Taschen Drogen gefunden, und nahmen ihn mit auf die Polizeiwache. Ende 2016 befand sich Murad Ragimov noch immer in Haft, wo er auf die Eröffnung seines Gerichtsverfahrens wegen Drogenbesitzes wartete.

Im Jahr 2015 wurde Ildar Dadin als erste Person unter Paragraph 212.1 des russischen Strafgesetzbuchs wegen der Teilnahme an friedlichen Demonstrationen verurteilt. Der Paragraph stellt Verstöße gegen die Bestimmungen über die Durchführung von öffentlichen Versammlungen unter Strafe. Das Urteil gegen Ildar Dadin lautete auf drei Jahre Haft, im Berufungsverfahren wurde das Strafmaß dann auf zweieinhalb Jahre verringert. In einem im November 2016 veröffentlichten Brief an seine Frau erklärte er, dass man ihn in der Gefängniskolonie Segezha in der Region Karelien gefoltert und anderweitig misshandelt habe. Er sei wiederholt von Gruppen aus zehn bis zwölf Strafvollzugsbeamten geschlagen und getreten worden, und auch der Direktor der Gefängniskolonie habe ihn einmal auf diese Weise misshandelt. Ildar Dadin gab zudem an, man habe seinen Kopf in die Toilette in seiner Zelle gedrückt, ihn an Handschellen an der Decke befestigt und ihm mit Vergewaltigung gedroht. Von seiner Ankunft in der Gefängniskolonie im September 2016 bis zum Jahresende wurde er siebenmal in eine Strafzelle gesteckt. Aufgrund seiner Foltervorwürfe ordneten die Gefängnisbehörden eine Überprüfung an und gelangten zu dem Schluss, dass es keine Misshandlung gegeben habe.

FEHLENDE ANGEMESSENE MEDIZINISCHE VERSORGUNG

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kam 2016 in zwölf Fällen zu dem Schluss, dass die Verweigerung einer angemessenen medizinischen Versorgung für Gefangene in russischen Gefängnissen und Untersuchungshaftzentren Folter und anderweitiger Misshandlung gleichkam. Am 27. April stellte der Generalstaatsanwalt in einem Bericht an den Föderationsrat fest, dass das Fehlen antiviraler Medikamente in Hafteinrichtungen für HIV-positive Gefangene lebensbedrohlich sei. Laut einem im November 2016 veröffentlichten Bericht der NGO Zona Prava waren die Gesundheitsleistungen in Hafteinrichtungen extrem unterfinanziert, was einen Mangel an antiviralen Medikamenten für HIV-Patienten zur Folge hatte. In dem Bericht hieß es weiter, dass viele Krankheiten erst in einem kritischen Stadium diagnostiziert würden und das medizinische Personal nicht über die notwendige Unabhängigkeit verfüge, da es bei den Strafvollzugsbehörden angestellt sei. Das russische Recht beinhaltet zwar die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung aus gesundheitlichen Gründen, entsprechenden Anträgen von Gefangenen wurde jedoch nur in einem von fünf Fällen stattgegeben.

Anfang Oktober 2016 starb der Gefangene Amur Khakulov in einem Gefängniskrankenhaus in der Region Kirow in Zentralrussland an Nierenversagen. Am 15. Juni hatte ein Gericht seine Freilassung aus medizinischen Gründen abgelehnt, obwohl ein Ärztegremium diese empfohlen hatte. Amur Khakulov befand sich bereits seit Oktober 2005 im Gefängnis. Laut Angaben seiner Familie hatte sich bei ihm in der Haft ein chronisches Nierenleiden entwickelt.

BEWAFFNETER KONFLIKT – SYRIEN

In Kooperation mit der syrischen Regierung führte die russische Armee in Syrien wahllose Angriffe sowie gezielte Angriffe auf Zivilpersonen und zivile Ziele durch, darunter auch Wohngebiete, medizinische Einrichtungen und Hilfskonvois. Tausende Zivilpersonen kamen dabei ums Leben oder wurden verletzt.

INTERNATIONALE STRAFVERFOLGUNG

Am 14. November 2016 erklärte die Chefanklägerin des IStGH, die Lage auf der Krim und in Sewastopol sei als internationaler bewaffneter Konflikt zwischen Russland und der Ukraine einzustufen. Eine Prüfung, ob dies ebenfalls für die Ostukraine zutrifft, war noch nicht abgeschlossen.

Am 16. November kündigte Präsident Putin an, dass Russland nicht länger beabsichtige, Vertragsstaat des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs zu werden. Russland hatte das Statut im Jahr 2000 unterschrieben, jedoch nie ratifiziert.

RECHTE VON FLÜCHTLINGEN UND MIGRANTEN

Nach wie vor schob Russland Asylsuchende, Flüchtlinge und Arbeitsmigranten nach Usbekistan und in andere Länder ab, in denen sie der konkreten Gefahr ausgesetzt waren, gefoltert und anderweitig misshandelt zu werden. In vielen Fällen erfolgten die Abschiebungen, weil die Visa der Betroffenen abgelaufen waren oder gesetzlich vorgeschriebene Dokumente fehlten. In solchen Fällen können die Betroffenen abgeschoben werden, ohne dass Gerichte die Schwere begangener Delikte, die Lebensumstände der Betroffenen und mögliche Folgen einer Abschiebung aus Russland berücksichtigen müssen. Zudem muss ihnen in solchen Fällen keine kostenlose Rechtsberatung zur Verfügung gestellt werden.

Am 1. Juli 2016 wurde der usbekische Asylsuchende Olim Ochilov in sein Herkunftsland abgeschoben, ungeachtet der am 28. Juni vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte getroffenen Entscheidung zu Interimsmaßnahmen.

Der Gerichtshof hatte eine Abschiebung nach Usbekistan aufgrund konkreter Foltergefahr untersagt.

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