Amnesty Report 07. Juni 2016

Madagaskar 2016

 

Im Rahmen von Maßnahmen gegen Viehdiebstahl im Süden von Madagaskar führten die Sicherheitskräfte weiterhin außergerichtliche Hinrichtungen durch. Dabei gingen die Täter fast immer straffrei aus. Journalisten, Studierende, Umweltaktivisten und andere Personen wurden schikaniert und eingeschüchtert. Einige von ihnen erhielten Haftstrafen.

Hintergrund

Schätzungen zufolge mussten 92 % der Madagassen 2015 mit umgerechnet weniger als 2 US-Dollar pro Tag auskommen. Damit gehörte Madagaskar zu den ärmsten Ländern der Welt. Im Index der menschlichen Entwicklung (Human Development Index) nahm das Land einen Platz am unteren Ende ein.

Es herrschte weiterhin politische Instabilität, welche sowohl den Prozess zur nationalen Versöhnung als auch die wirtschaftliche Entwicklung gefährdete. Am 26. Mai 2015 stimmten die Mitglieder der Opposition in der Nationalversammlung mit einer überwältigenden Mehrheit für die Amtsenthebung von Präsident Hery Rajaonarimampianina. Der Präsident stellte die Rechtmäßigkeit der Abstimmung jedoch in Frage und lehnte das Ergebnis ab. Am 13. Juni entschied das Verfassungsgericht zugunsten des Präsidenten.

Die anhaltend hohe Armut, die einen Großteil der Bevölkerung betraf, führte zu Einschränkungen beim Zugang zu wirtschaftlichen und sozialen Rechten, wie den Rechten auf Nahrung, Wasser und Bildung. In der Folge kam es vermehrt zu sozialen Spannungen. Ein Ausbruch der Pest im August 2015 hatte mindestens zehn Todesfälle zur Folge. Zehntausende Menschen flüchteten zwischen Januar und März 2015 vor schweren Über-schwemmungen aus ihren Heimatorten. Mindestens 19 Menschen kamen durch die Fluten ums Leben.

Viehdiebstahl stellte noch immer ein schwerwiegendes Problem dar und führte zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Dorfbewohnern und Viehdieben, bei denen zahlreiche Personen getötet wurden.

Polizei und Sicherheitskräfte

Nach wie vor gab es zahlreiche Fälle, in denen mutmaßliche Viehdiebe getötet wurden. Bei einer Mitte August 2015 durchgeführten militärischen Operation zur Bekämpfung des Viehdiebstahls (Fahalemana 2015) kam es zu mehreren gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Viehdieben und Sicherheitskräften. Beide Seiten waren dabei für Tötungen verantwortlich. Das Militär richtete mehrere Personen außergerichtlich hin, die unter dem Verdacht des Viehdiebstahls standen. Auch Anwohner wurden verletzt und getötet. Es wurden weder Ermittlungen zu den Tötungen durchgeführt noch Verantwortliche vor Gericht gestellt.

Am 26. August 2015 starben bei gewaltsamen Zusammenstößen in Ankazoabo-Sud acht Soldaten und 15 mutmaßliche Viehdiebe. Augenzeugen berichteten, dass die Sicherheitskräfte Dorfbewohner, die sie für Viehdiebe hielten, willkürlich angriffen. Im September 2015 wurden mindestens ein Polizist, drei Dorfbewohner und 14 mutmaßliche Viehdiebe bei gewaltsamen Zusammenstößen in der Gemeinde Ivahona getötet. Zeugenaussagen zufolge waren die mutmaßlichen Viehdiebe summarisch hingerichtet worden.

Laut Berichten wurden am 2. September 2015 drei Personen außergerichtlich hingerichtet, nachdem Sicherheitskräfte in dem Dorf Tsarazaza Maevatanana Ausweisüberprüfungen durchgeführt hatten.

Recht auf freie Meinungsäußerung – Umweltaktivisten

Umweltaktivisten riskierten ihre Inhaftierung, wenn sie Aktivitäten der Rohstoffindustrien, insbesondere den illegalen Einschlag von Palisanderholz, kritisierten.

Am 22. Mai 2015 erhielt der Umweltaktivist Armand Marozafy eine Haftstrafe von sechs Monaten und eine Geldstrafe in Höhe von 12 Mio. Ariary (ca. 3400 Euro), nachdem über soziale Medien eine persönliche E-Mail von ihm verbreitet worden war. Darin hatte er berichtet, dass zwei lokale Reiseveranstalter in den illegalen Handel mit Palisanderholz verwickelt seien. Das Gericht in Maroantsetra sprach ihn auf der Grundlage umstrittener gesetzlicher Bestimmungen zur Internetkriminalität der Verleumdung schuldig.

Exzessive Gewaltanwendung

Am 31. August 2015 ging die Gendarmerie mit exzessiver Gewalt vor, um eine Demonstration von Studierenden der Ankatso-Universität in der Hauptstadt Antananarivo aufzulösen. Der Studentenführer Jean-Pierre Randrianamboarina wurde geschlagen und erlitt zahlreiche Verletzungen. Nachdem er u. a. wegen Anstiftung zur Störung der öffentlichen Ordnung und zum Sturz der Regierung verurteilt worden war, erhielt er im September 2015 eine Bewährungsstrafe von sechs Monaten.

Kinderrechte

Im März 2015 berichtete das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF), dass 47% aller Kinder unter fünf Jahren chronisch unterernährt seien. Faktoren wie Obdachlosigkeit, Mangelernährung und fehlender Zugang zu medizinischen Grundversorgungsleistungen wirkten sich laut UNICEF nachteilig auf die Lebensbedingungen von Kindern dieser Altersklasse aus.

Haftbedingungen

In den Gefängnissen des Landes herrschte Überbelegung. Mehr als die Hälfte aller Inhaftierten befand sich in Untersuchungshaft. Nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz wurden die Nahrungsmittelrationen für die Gefangenen im Jahr 2015 um mehr als die Hälfte gekürzt. In der Folge war die Gesundheit der Häftlinge in hohem Maße gefährdet.

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