Amnesty Report Mazedonien 07. Mai 2015

Mazedonien 2015

 

Die Menschenrechte wurden 2014 zunehmend beschnitten. Das Verhältnis zwischen den Bevölkerungsgruppen der ethnischen Mazedonier und der ethnischen Albaner wurde von gewaltsamen Auseinandersetzungen überschattet. Es kamen neue Details zur Überstellung des CIA-Gefangenen Khaled el-Masri ans Licht, an der Mazedonien mitgewirkt hatte.

Hintergrund

Die Regierungspartei VMRO-DPMNE (Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation –Demokratische Partei für die Nationale Einheit Mazedoniens) blieb nach den Parlamentswahlen im April 2014 an der Macht. Die wichtigste Oppositionspartei warf der Regierung Wahlbetrug vor.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung wurde immer stärker beschnitten, und die Behörden übten massiven Einfluss auf Polizei und Justiz aus. Während die Europäische Kommission erneut empfahl, EU-Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien aufzunehmen, verschob der EU-Ministerrat die Entscheidung im Dezember 2014 zum sechsten Mal.

Die Beziehungen zwischen ethnischen Mazedoniern und ethnischen Albanern blieben angespannt. Im Mai 2014 führte die Festnahme eines ethnisch albanischen Studenten, der im Verdacht stand, einen ethnisch mazedonischen Studenten getötet zu haben, im Stadtviertel Gjorče Petrov der Hauptstadt Skopje zu zweitägigen gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen.

Am 30. Juni 2014 wurden sechs ethnische Albaner zu lebenslanger Haft verurteilt, denen die Ermordung von fünf ethnischen Mazedoniern am Smilkovci-See im April 2012 zur Last gelegt wurde. Zwei der Angeklagten wurden in Abwesenheit verurteilt. Das Gericht stufte die Tat als "Terrorismus" ein. Ein weiterer Angeklagter wurde freigesprochen. Am 4. Juli marschierten Tausende ethnischer Albaner durch das Stadtzentrum von Skopje und erklärten: "Wir sind keine Terroristen."

Die friedliche Demonstration eskalierte vor dem Hohen Gericht, als die Bereitschaftspolizei mit exzessiver Gewalt gegen die Protestierenden vorging und dabei u.a. Gummigeschosse, Tränengas, Blendgranaten und Wasserwerfer einsetzte. Am 6. Juli kam es zu weiteren Protesten.

In den überwiegend von ethnischen Albanern bewohnten Städten Tetovo und Gostivar setzte die Polizei Tränengas und Blendgranaten ein. Sechs Männer erhielten dreijährige Haftstrafen wegen "Beteiligung an einem Menschenauflauf zwecks Begehung einer Straftat".

Strafverfolgung von Kriegsverbrechen

2014 herrschte weiterhin Straflosigkeit in Bezug auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die während des bewaffneten Konflikts im Jahr 2001 verübt wurden. Es wurden keine Schritte unternommen, um den Verbleib der sterblichen Überreste von 13 Personen ausfindig zu machen, die seit dem Ende des bewaffneten Konflikts vermisst werden.

Antiterrormaßnahmen und Sicherheit

Der im Dezember 2014 vom US-Senat veröffentlichte Bericht über das geheime Inhaftierungsprogramm der CIA enthielt Details zum Fall des deutschen Staatsbürgers Khaled el-Masri, der 2003 von den mazedonischen Behörden entführt und rechtswidrig festgehalten worden war. Der Bericht bestätigte, dass Khaled el-Masri Opfer einer Namensverwechslung wurde und die CIA diesen Fehler zu vertuschen versuchte.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte Ende 2012 in einem wegweisenden Urteil Mazedonien dafür verantwortlich gemacht, dass Khaled el-Masri rechtswidrig inhaftiert und ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten wurde, dass er Opfer des Verschwindenlassens wurde, Folter und andere Misshandlungen erlitt und von Mazedonien aus an Orte überstellt wurde, an denen ihm weitere schwere Menschenrechtsverletzungen zugefügt wurden.

Außerdem wurde Mazedonien angelastet, den Fall nicht gründlich untersucht zu haben. Ende 2014 hatten die Behörden dem Ministerkomitee des Europarats noch keinen Aktionsplan zur Umsetzung des Gerichtsurteils vorgelegt, der seit Oktober 2013 überfällig war.

Folter und andere Misshandlungen

2014 trafen weiterhin Beschwerden über Folter und andere Misshandlungen durch Polizeibeamte ein. Überdurchschnittlich häufig waren Roma betroffen. Im Mai wurden zwei minderjährige Roma, die fälschlicherweise verdächtigt wurden, eine Geldbörse gestohlen zu haben, von Polizisten der Sondereinheit Alfi geschlagen. Das ältere der beiden Kinder wurde zwei Stunden lang auf einer Polizeiwache vernommen, ohne dass ein Anwalt oder die Eltern anwesend waren, und erlitt Verletzungen im Kopf-, Hals- und Brustbereich.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Im April 2014 kritisierte der UN-Sonderberichterstatter über Meinungsfreiheit und das Recht der freien Meinungsäußerung, dass sich die Situation im Hinblick auf Meinungsfreiheit, Pluralismus und die Unabhängigkeit der Medien in Mazedonien zunehmend verschlechtere.

Dem Vernehmen nach gab die Regierung 1% ihres Etats dafür aus, um in regierungsfreundlichen Medien Werbung zu schalten oder diese Medien in anderer Form zu unterstützen. Internationale Organisationen berichteten, dass die Wahlberichterstattung der staatlichen Medien die Regierungspartei begünstigt habe.

Während der gewaltsamen Ausschreitungen im Mai beschlagnahmte die Polizei die Ausrüstungsgegenstände von Mitarbeitern dreier Medienunternehmen und löschte deren Filmaufzeichnungen. Politiker strengten nach wie vor Verleumdungsklagen gegen Journalisten an. Mazedonische und internationale Organisationen forderten, den Journalisten Tomislav Kezharovski von der Tageszeitung Nova Makedonija aus dem Hausarrest zu entlassen.

Er war 2013 zu einer Haftstrafe verurteilt worden, weil er die Identität eines geschützten Zeugen in einem als politisch motiviert geltenden Strafverfahren aufgedeckt haben soll. Nach internationalen Protesten hatten die Behörden Tomislav Kezharovski aus dem Gefängnis in den Hausarrest entlassen.

Diskriminierung von Roma

Die staatlichen Stellen unternahmen 2014 nichts, um die vielfachen Formen von Diskriminierung der Roma zu verhindern und die Betreffenden davor zu schützen. Aktionspläne für die "Dekade der Roma-Integration" wurden ebenso wenig umgesetzt wie Empfehlungen, die der UN-Ausschuss zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau 2013 in Bezug auf die Rechte von Roma-Frauen ausgesprochen hatte.

Im Juni 2014 entschied das Verfassungsgericht, dass mehrere Klauseln im Passgesetz, die es den Behörden ermöglichen, die Pässe mazedonischer Staatsbürger einzuziehen, die aus einem anderen Land ausgewiesen oder abgeschoben wurden, nicht mit dem Recht auf Freizügigkeit vereinbar seien. Vorausgegangen war eine Beschwerde der NGO European Roma Rights Centre im Namen von Roma, die unverhältnismäßige Diskriminierung durch Grenzbeamte erfahren hatten.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und Intersexuellen

Es gab 2014 weiterhin keine Änderung des Antidiskriminierungsgesetzes, um Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung zu verbieten. Verfechter der Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und Intersexuellen wurden regelmäßig bedroht. Im Oktober 2014 überfielen 30 junge Männer eine Feier zum zweijährigen Bestehen eines Beratungszentrums für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle in Skopje und verletzten zwei Menschen schwer.

Für den Angriff wurde niemand zur Rechenschaft gezogen. Im Juli schlug die Regierung eine Verfassungsänderung vor, die die Ehe ausschließlich als Verbindung zwischen Mann und Frau definiert.

Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten

Etwa 850 aus dem Kosovo geflohene Roma und Aschkali befanden sich weiterhin in Mazedonien, ohne dass eine dauerhafte Lösung für sie in Sicht war. Bis Ende September 2014 hatten 7105 mazedonische Staatsbürger in Ländern der Europäischen Union Asyl beantragt.

Von den insgesamt 1260 in Mazedonien registrierten Asylsuchenden stellten 440 Personen einen Asylantrag, doch nur zehn Syrern wurde der Flüchtlingsstatus zuerkannt, eine Person erhielt subsidiären Schutz. Migranten, darunter Frauen, unbegleitete Minderjährige und Flüchtlinge aus Syrien, waren unter fürchterlichen Bedingungen inhaftiert. Mazedonische Grenzbeamte beteiligten sich an Rückschiebungen nach Serbien.

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