Amnesty Report Honduras 07. April 2021

Honduras 2020

Eine junge Frau mit Mundschutz steht vor einem Transparent, das ihre Freilassung fordert und zeigt darauf.

Kelly Gonzalez Aguilar direkt nach ihrer Freilassung vor der Hafteinrichtung in Colorado am 14. Juli 2020

Während der Corona-Pandemie wandten die Sicherheitskräfte exzessive Gewalt an, um Lockdowns durchzusetzen und Proteste einzudämmen. Medizinisches Personal wies mit Nachdruck auf die Gesundheitsrisiken hin, die aus dem Mangel an persönlicher Schutzausrüstung in den Krankenhäusern resultierten. Honduras war für Menschenrechtsverteidiger_innen weiterhin eines der Länder der Welt mit dem höchsten Risiko getötet zu werden.

Hintergrund

Das Ausmaß an Gewalt und Straflosigkeit blieb hoch, ebenso wie die Armut und Ungleichheit. Im November 2020 führten verheerende Erdrutsche und Überschwemmungen, die durch die Wirbelstürme Eta und Iota verursacht wurden, zu mindestens 94 Todesopfern. Die Katastrophen betrafen fast 4 Mio. Menschen und ließen befürchten, dass die Rechte bereits marginalisierter Gruppen auf Nahrung, Wasser und Lebensunterhalt noch weiter beeinträchtigt sein würden.

Exzessive Gewaltanwendung 

Die Polizei und das Militär wandten unverhältnismäßige Gewalt an, um Ausgangssperren und Lockdowns, die zur Bekämpfung der Pandemie verhängt worden waren, auf nationaler und lokaler Ebene durchzusetzen und Proteste wegen fehlender staatlicher Nahrungsmittelhilfe und hoher Arbeitslosigkeit zu unterdrücken. Zivilgesellschaftliche Organisationen dokumentierten Fälle von Verletzungen und willkürlichen Inhaftierungen – auch von Journalist_innen, die über die Proteste berichteten – und mindestens einen Fall einer möglicherweise außergerichtlichen Hinrichtung.

Recht auf Gesundheit

Medizinisches Personal 

Aufgrund der Pandemie verschlechterten sich die schon prekären Arbeitsbedingungen des medizinischen Personals noch weiter. Gleichzeitig wurden Korruptionsvorwürfe sowie Beschwerden über das unzulängliche Management von Notfallfonds für den Kauf von Medikamenten und Material erhoben. Das medizinische Personal wies wiederholt auf den Mangel an persönlicher Schutzausrüstung hin. 

In mehreren Kliniken wurden Beschäftigte aufgefordert, Vertraulichkeitsvereinbarungen zu unterschreiben, mit denen sie sich verpflichteten, in der Öffentlichkeit nicht über ihre Bedenken zu sprechen. 

Rechte von Migrant_innen und Flüchtlingen

Im Januar und Oktober 2020 schlossen sich Tausende Honduraner_innen den sogenannten "Karawanen" an, um das Land zu verlassen und damit vor Gewalt und Armut zu fliehen. Die meisten von ihnen wurden aus Mexiko, den USA oder Guatemala wieder nach Honduras zurückgeführt bzw. abgeschoben, oft unter Verletzung ihrer Rechte.

Menschenrechtsverteidiger_innen

Menschenrechtsverteidiger_innen, vor allem diejenigen, die sich für die Verteidigung indigener Territorien, den Schutz der Umwelt sowie den Zugang zu Land einsetzten, sahen sich weiterhin einem hohen Maß an Gewalt ausgesetzt. Die meisten Übergriffe blieben straffrei.
Bis zum Ende des Jahres hatte der Prozess gegen einen 2018 inhaftierten Geschäftsmann, der beschuldigt wird, für die Ermordung der indigenen Menschenrechtsverteidigerin Berta Cáceres verantwortlich zu sein, noch nicht begonnen. Die Indigenenorganisation Consejo Cívico de Organizaciones Populares e Indígenas de Honduras (COPINH) wies wiederholt auf Verzögerungen und Unregelmäßigkeiten hin. Es gab keine Fortschritte bei den Ermittlungen gegen andere Personen, die für die Planung und Anordnung der Tötung von Berta Cáceres verantwortlich sein sollen.

Fünf Männer der afro-honduranischen Garífuna-Gemeinde Triunfo de la Cruz, darunter vier Aktivisten der NGO Organización Fraternal Negra Hondureña (OFRANEH), wurden mutmaßlich Opfer des Verschwindenlassens. Sie waren am 18. Juli 2020 von Unbekannten in Polizeikleidung entführt worden. Am Jahresende lagen noch keine Informationen über das Schicksal und den Verbleib der Männer vor. 
Gegen Menschenrechtsverteidiger_innen wurden auch weiterhin unbegründete Gerichtsverfahren geführt, die zum Ziel hatten, sie einzuschüchtern, zu schikanieren und ihre Menschenrechtsarbeit zu behindern. Zu den Betroffenen gehörten auch Mitglieder des Kommunalen Ausschusses für gemeinschaftliche und öffentliche Güter (Comité Municipal por la Defensa de los Bienes Comunes y Públicos – CMDBCP).

Im Juni 2020 trat ein neues Strafgesetzbuch in Kraft, das Bestimmungen enthält, die teilweise mehrdeutig sind oder gegen das Legalitätsprinzip verstoßen. Sie könnten willkürlich ausgelegt werden, um die Ausübung der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit einzuschränken, und es leichter machen, Menschenrechtsverteidiger_innen zu kriminalisieren.

Geschlechtsspezifische Gewalt

Frauen und Mädchen waren im Jahr 2020 einem hohen Maß an geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt. Die Beobachtungsstelle der Nationalen Autonomen Universität von Honduras zur Erfassung der Gewalt (Observatorio de la Violencia de la Universidad Nacional Autónoma de Honduras – OV-UNAH) meldete zwischen Januar und Dezember 224 Femizide. Nach Angaben der NGO Movimiento de Mujeres por la Paz "Visitación Padilla" wurden zwischen Januar und Oktober bei der nationalen Notrufnummer 911 mehr als 65.000 Anrufe wegen häuslicher und innerfamiliärer Gewalt registriert.

Die Organisation Cattrachas berichtete über mindestens 19 gewaltsame Todesfälle von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- oder intergeschlechtlichen Menschen sowie über das hohe Maß an Straflosigkeit für solche Verbrechen.

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