Amnesty Journal Türkei 03. Juni 2025

Pressefreiheit in der Türkei: "Ich war nicht die Einzige, die derart behandelt wurde"

Eine Frau mit lockigem Haar, das ihr bis zum Kinn reicht, trägt ein Blümchenkleid und steht vor einer Glasscheibe.

Die Journalistin Özgür Sevinç Şimşek

Sie wurde wegen ihrer Berichterstattung über kritische Studierende in der Türkei inhaftiert, im Gefängnis geschlagen und misshandelt. Ein Erfahrungsbericht der Journalistin Özgür Sevinç Şimşek.

2014 berichtete ich als Regionalreporterin der oppositionellen Zeitung Evrensel über eine Pressekonferenz in Isparta, bei der Studierende die Angriffe der bewaffneten Gruppe Islamischer Staat auf das kurdische Rojava verurteilten. Ich machte die für meinen Bericht notwendigen Fotos, schrieb meinen Artikel und verließ den Ort.

Zwei Jahre später, am 27. Mai 2016, als ich mich mit zwei Freundinnen auf der Rückfahrt von einem Kurzurlaub befand, wurden wir in Denizli plötzlich von fünf, sechs Polizeifahrzeugen gestoppt. Die maskierten und schwer bewaffneten Polizisten traten äußerst grob und bedrohlich auf. Feindselig und barsch forderten sie mich auf, aus unserem Auto auszusteigen und brachten mich zum Polizeipräsidium in Denizli. Während der Befragung misshandelte mich dort eine Polizeibeamtin – sie schlug mich mehrfach ins Gesicht. Anschließend wurde ich einer Nacktdurchsuchung unterzogen, was sich wie Folter anfühlte. 

Journalistische Arbeit kriminalisiert

Doch damit hörte es nicht auf. Vor dem Transport zum Gericht ist eine Untersuchung im Krankenhaus Pflicht, damit etwaige Misshandlungen dokumentiert werden. Trotz der Rötungen und Prellungen in meinem Gesicht bescheinigte der Arzt, dass an mir nichts Auffälliges festzustellen und ich vollkommen gesund sei. Lakonisch meinte er zu mir, dass bei Verhaftungen auch mal Gewalt angewendet würde. Als hätte er keinen hippokratischen Eid abgelegt.

Meine Festnahme und das folgende Gerichtsverfahren gegen mich wurden damit begründet, dass ich Mitglied einer terroristischen Organisation sei. In der Anklageschrift stand, dass "Özgür Sevinç Şimşek bei der Pressekonferenz 2014 ein Foto der Gruppe von Studierenden gemacht hat, was beweist, dass sie Aktivistin einer terroristischen Vereinigung ist." Das Gericht ignorierte meinen Nachweis, dass ich dort als Journalistin tätig war und verurteilte mich ohne weitere Beweise zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten. Tatsächlich wurde also meine journalistische Arbeit kriminalisiert.

In der Türkei ist es sehr schwer, als Frau selbstbestimmt und frei zu leben, doch als Journalistin zu arbeiten, ist eine besonders große Herausforderung.

Im Gefängnis brachte man mich in einen Raum, in dem eine Wärterin zu mir sagte: "Özgür, ich betrachte mich als deine Mutter – zieh deine Kleidung aus." Ich entgegnete, dass sie nicht meine Mutter sei und dass meine Mutter niemals ohne meine Zustimmung meinen Körper berühren würde. Daraufhin rief sie zwei weitere Wärterinnen hinzu, die mir mit Gewalt die Kleidung auszogen. Nackt wurde ich gewaltsam an den Armen gepackt und sollte mich vornüberbeugen. Als ich mich weigerte, wurde ich erneut geschlagen und getreten – als Strafe dafür, dass ich versuchte, meine Würde zu bewahren. Die Tür des Raums stand die gesamte Zeit über offen. Der Gefängnisdirektor und männliche Wärter begafften meinen nackten Körper und lachten. Ich war nicht die einzige Frau, die derart behandelt wurde – viele wurden in Gewahrsam misshandelt, belästigt oder sogar vergewaltigt.

Diskriminierung verstärkt sich in der Haft

Im türkischen Gefängnissystem sind Männer in der Überzahl. Daher werden die geschlechtsspezifischen Bedürfnisse von Frauen oft ignoriert oder vernachlässigt. Die Diskriminierung, der Frauen in der türkischen Gesellschaft ohnehin ausgesetzt sind, verstärkt sich in der Haft. Dies betrifft vor allem politisch aktive Frauen, die wegen ihres Kampfes für Freiheit und Selbstbestimmung inhaftiert werden. Ein "Umerziehungskonzept" soll sie in die gesellschaftlich vorgegebenen Geschlechterrollen zurückzwingen und unterwerfen.

Wenn Betroffene Strafanzeige wegen erzwungener Nacktdurchsuchungen erstatten, hat dies in der Regel keine Konsequenzen. Bei der regelmäßigen Durchsuchung der Zellen gehen die Wärterinnen besonders rücksichtslos vor. Sie zertrampeln oder werfen Unterwäsche und andere persönliche Gegenstände weg – oft unter Beteiligung männlicher Wärter. Als ich einmal zum Besuch meiner Familie, die ich lange nicht gesehen hatte, einen knielangen Rock trug, drohte mir ein Wärter, er werde mir Familienbesuche monatelang verwehren, weil mein Rock zu kurz und damit nicht anständig sei. Grundlegende Bedürfnisse wie Damenbinden werden im Gefängnis nicht gedeckt, sondern zu exorbitanten Preisen verkauft. Aufklärung zu sexueller Gesundheit und gynäkologischen Erkrankungen findet nicht statt. Präventive Gesundheitsmaßnahmen sind schwer zugänglich; ärztliche Untersuchungen gibt es lediglich für verheiratete Frauen.

Infahftiert, gefoltert, ermordet

Journalist*innen sind sowohl in der Türkei als auch anderen Staaten, in denen Kurd*innen leben, seit Jahren von massiven Menschenrechtsverletzungen und Repressionen bedroht. Hunderte, die während Wirtschaftskrisen oder in Kriegszeiten zu politischen Prozessen gearbeitet und ihren Beruf ernst genommen haben, wurden inhaftiert, gefoltert oder ermordet. Je nach politischer Lage nimmt die repressive Politik der Regierung gegen kritische Journalist*innen und Medien zu – seit 2016 wieder verstärkt. Und dennoch setzen Journalist*innen alles daran, weiterhin zu schreiben und zu berichten.

Neben der Gewalt des patriarchalen Staats erleben Frauen auch im männlich dominierten Medienbereich Diskriminierung und Gewalt. In der Türkei ist es sehr schwer, als Frau selbstbestimmt und frei zu leben, doch als Journalistin zu arbeiten, ist eine besonders große Herausforderung. Noch schwieriger ist es, wenn man wie ich eine kurdisch-alevitische Identität hat. Weil Journalistinnen aufgrund ihres Geschlechts Gefahr laufen, angegriffen und ausgegrenzt zu werden, erhalten oftmals männliche Kollegen den Auftrag, über gesellschaftspolitische Ereignisse, Gerichtsverfahren oder Kriminalfälle zu berichten. In einer Branche, in der Arbeitgeber, Chefredakteure und Ressortleiter Männer sind, wird von Journalistinnen erwartet, dass sie schick, attraktiv und charmant auftreten. Sachlich-fachliche Qualifikation ist nicht gefragt und wird oft nicht respektiert. Frauen, die in derselben Position arbeiten wie männliche Kollegen, sind häufig Mobbing ausgesetzt.

Ich hoffe trotzdem, dass wir alle Arten von Unterdrückung überwinden werden, solange wir nach der Wahrheit streben, für die Menschenrechte kämpfen und solidarisch handeln.

Özgür Sevinç Şimşek arbeitet als Journalistin und Regisseurin in der Türkei. Nach ihrer Verurteilung wegen angeblicher "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" wurde sie 2021 nach mehr als fünf Jahren Haft auf Bewährung entlassen. Sie war bis Mitte 2025 für ein Jahr mit einem Stipendium der hessischen Landesregierung und des Vereins Gefangenes Wort in Deutschland.

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