Amnesty Journal 02. Juni 2021

@engagiert

Ein altes Gebäude, davor steht im plattgelaufenen Schnee ein großes Banner, an einem Bauzaun aufgehängt, mit der AUfschrift: "Hass ist krass. Liebe ist krasser."

ich_bin_barbara: Barbara auf der Woche des Erinnerns in Dresden.

Instagram erreicht vor allem junge Menschen. In dem bildstarken Online-Netzwerk machen sich auch Künstler_innen für Menschenrechte stark.

Eine Auswahl von Malte Göbel

Instagram rückt Fotos in den Mittelpunkt und trifft damit den Zeitgeist junger Menschen wie derzeit kein anderes soziales Medium. Der Kanal ist nicht so überladen wie Facebook, nicht so aufwändig wie TikTok, nicht so textbasiert wie Twitter. Ein Foto, egal ob lange inszeniert oder schnell geschossen, kann einen unmittelbar berühren. Kein Wunder, dass auch und gerade Künstler_innen Instagram für sich entdeckt haben – einige von ihnen machen sich mit ihrer Kunst explizit für Menschenrechte stark. Um die Accounts anzusehen, muss man sich übrigens nicht die App herunterladen – es reicht ein normaler Browser mit der Adresse: www.instagram.com/[Accountname].

@smishdesigns

Die indische Künstlerin Smish ist seit 2019 auf Instagram und hat inzwischen knapp 54.000 Abonnent_innen. "Ich äußere mich zu Dingen, die mir am Herzen liegen, Diskriminierung und Ungleichheit", beschreibt sie im Podcast Redesyn ihre Arbeit. Smish ist ein Pseudonym, ihren bürgerlichen Namen will sie im Zusammenhang mit ihrer aktivistischen Arbeit nicht ­angeben – aus Angst, sexistischen Repressionen ausgesetzt zu sein, denn die Rechte von Frauen sind oft Thema ihrer Werke. So fordert sie etwa einen besseren Zugang zu Verhütungsmitteln und das Recht auf Abtreibung. Als im September 2020 indische Bauern massenhaft gegen die Landwirtschaftspolitik protestierten, schuf Smish ein Porträt des indischen Premierministers Narendra Modi im Stil von Obamas ikonischem "Hope"-Plakat – nur dass darunter "Shame" stand. Die Künstlerin zeichnet vor allem digital und reduziert ihre Zeichnungen auf das Wesentliche, dazu verwendet sie klare Farben – mit Erfolg, wie sie im Podcast erzählt: "Instagram ist eine tolle Plattform für Künstler und Grafikdesigner, um die eigene Arbeit zu zeigen und sich mit anderen Künstlern zu vernetzen, deren Werk man mag." Als sie anfing, habe sie vor allem für sich selbst gemalt. "Aber dann hat mich Instagram sehr motiviert und mir geholfen, zu wachsen."

@vhils

Auf Instagram ist der Streetart-Künstler Alexandre Farto unter seinem Pseudonym Vhils ein Star – fast eine halbe Million Menschen folgen dem bärtigen Portugiesen, der Kunst per Kratztechnik schafft: Statt Farbe aufzubringen, raut er Oberflächen auf, bohrt, sprengt oder schlägt den Putz weg und visualisiert so Konturen und Muster, die sich zu meist großflächigen Bildern formen. "Scratching the Surface" nennt Vhils die Technik und beschreibt auch seinen politischen Anspruch, nicht oberflächlich schöne Bilder zu schaffen, sondern tiefer zu gehen und der eigenen Kunst eine Bedeutung zu geben. Oft setzt sich Vhils mit der Menschenrechtslage in Brasilien auseinander, 2018 hat er etwa in Kooperation mit Amnesty International ein überlebensgroßes Porträt von Marielle Franco in eine Betonwand gekratzt. Die Aktivistin wurde im März 2018 ermordet, weil sie sich in ­ihrer brasilianischen Heimat für Schwarze Frauen, LGBTI und Jugendliche eingesetzt hatte. "Dass ich mit meiner Kunst auf ihre Geschichte hinweisen kann, ist für mich ein Privileg", sagte Vhils damals. Auf Instagram postet der 34-Jährige alle paar Tage Fotos seiner Werke und Making-Of-Videos. Er ist längst in den Galerien dieser Welt angekommen und bearbeitet die verschiedensten Materialien, etwa Möbel oder Türen, er filmt und druckt, am beeindruckendsten sind jedoch seine großflächigen Werke an Häuserfassaden, inzwischen meist Auftragsarbeiten. Im Sommer 2020 schuf er vor einem Krankenhaus in der portugiesischen Stadt Porto ein Wandbild, um den Beschäftigten für ihr Engagement in der Corona-Pandemie zu danken.

@ich_bin_barbara

"Das Kleben ist schön" steht auf dem Instagram-Account von "Barbara." (mit Punkt), der knapp 370.000 Abonnent_innen hat. Barbara. ist bekannt für ihre künstlerischen Interventionen im öffentlichen Raum: Ein Spruch in weißen Buchstaben auf einem schwarzen Plakat, hingeklebt und fotografiert, eignet sich perfekt für Instagram! So klebte sie zum Beispiel unter die Werbung eines Sportstudios "Gezielte Behandlung von Problemzonen" den Kommentar: "Die Missachtung der Menschenwürde ist hier die einzig wahre Problemzone." Vor eine Kebab-Imbissbude hängte sie ein Schild mit der Aufschrift: "Fremdenhass, das ist bekannt, endet oft hungrig am Dönerstand." 2017 war sie mit der Initiative Viva con Agua in Uganda und klebte dort an einen Brunnen das Schild: "Build wells not walls." 2016 hatte sie bereits die Kampagne unterstützt und ein Schild aufgehängt: "Armut ist krass, Durst ist noch krasser, Viva con Agua, Leben braucht Wasser." Wegen ihrer politisch bewussten Kunst wird Barbara. auch als "der deutsche Banksy" bezeichnet. Dazu passt, dass kaum etwas über ihre Person bekannt ist – ihre Kunst tauchte zunächst in Berlin auf, dann in Heidelberg und dann über ganz Deutschland verteilt. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung vermutete hinter dem Namen ein Kollektiv aus mehreren Künstler_innen. Zuletzt versteigerte sie ein Spruchband mit der Aufschrift: "Hass ist krass. Liebe ist krasser." Der Erlös ging an die Seenotrettung der Mission Lifeline im Mittelmeer.

Illustration eines Mannes in schwarzem Unterhemd in einer Straße, im Hintergrund ein Haus mit Werbeplakat auf dem Dach und Strommäste.

Black lives matter: Illustration des irischen Comic-Zeichners Pan Cooke.

@thefakepan

Der Comic-Zeichner Pan Cooke hat als thefakepan rund 360.000 Abonnent_innen auf Instagram – dafür ist Cooke erstaunlich bescheiden, in seiner Kurzbiografie steht: "Still learning." Das bezieht sich jedoch nicht auf Kunst oder Zeichnen – sondern auf Politisches. Künstlerisch ist Pan Cooke kein Anfänger, der 1990 geborene Ire wurde mit Straßenkunst in Dublin bekannt und verdient sein Geld vor allem mit Porträts. Erst 2019 startete er seinen Cartoon-Account thefakepan mit zunächst autobiografisch gefärbten Strips. Politisch wurde es ab Juni 2020, als nach dem Tod von George Floyd die Black-Lives-Matter-Bewegung laut wurde. "Meine eigene passive Unkenntnis war der Hauptgrund für meine Comics", sagte Cooke im Interview mit der Website artshelp.net. "Ich hatte mit ihnen ein einfaches Ziel – mich selbst kreativ weiterzubilden." Er recherchierte über Fälle von Polizeigewalt und fasste sie in kurzen Comics zusammen, etwa über Eric Garner, Tamir Rice und Breonna Taylor. Seine prägnante grafische Darstellung fand schnell Fans, die Like-Zahlen verzehnfachten sich. Inzwischen liegt sein Schwerpunkt auf Menschenrechtsverletzungen überall in der Welt, auch in Saudi-Arabien und der Türkei.

Malte Göbel arbeitet als freier Journalist in Berlin. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International oder der Redaktion wieder.

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