Amnesty Journal 26. März 2019

Album über Unabhängigkeit: Blick zurück in die Zukunft

Ein Mann lehnt an einer weißen Wand.

Politische Botschaften ziehen sich durch die traditionellen Rhythmen auf dem Album "1985" des kamerunischen Künstlers Blick Bassy.

Der kamerunische Musiker Blick Bassy thematisiert auf dem Album "1958" die Folgen des Unabhängigkeitskampfes für sein Land.

Von Daniel Bax

Vor mehr als 60 Jahren, im September 1958, wurde der Unabhängigkeitskämpfer Ruben Um Nyobé in Kamerun von französischen Kolonialtruppen erschossen. Um Nboyé gilt als "vergessener Vater des Kamerun" – vergessen, weil sein Name in seiner Heimat noch bis vor kurzem bei Androhung von Gefängnisstrafe in der Öffentlichkeit nicht genannt werden durfte.

Auch darum ist er in Europa weit weniger bekannt als andere afrikanische Befreiungsikonen, wie Patrice Lumumba aus der Demokratischen Republik Kongo oder Kwame Nkrumah aus Ghana. Dabei sprach Um Nyobé 1952 als erster Kameruner vor den Vereinten Nationen und forderte ein Ende des britisch-französischen Mandats. Zwei Jahre bevor ­Kamerun in die Unabhängigkeit entlassen wurde, wurde er ­ermordet, im Alter von 45 Jahren.  

An ihn erinnert nun der Songwriter und Sänger Blick Bassy auf seinem neuen Album, das schlicht mit der Jahreszahl 1958 betitelt ist. Darin schlägt der Musiker, der inzwischen in Frankreich lebt, einen Bogen von der Vergangenheit in die heutige Zeit. 

Blick Bassy startete seine musikalische Laufbahn in der Jazzfusion-Band Macase, die über Kamerun hinaus Bekanntheit erlangte. 2005 siedelte er nach Paris über, um eine Karriere als ­Solokünstler zu starten. Mit Erfolg: 2009 erschien sein Debüt, mit seinem dritten Album "Akt" gelang ihm der Durchbruch. Dass Apple seinen darauf enthaltenen Song "Kiki" nutzte, um damit eine Werbekampagne für das "iPhone 6" zu begleiten, sorgte für einen zusätzlichen Karriereschub.

In Frankreich ein Star

Seitdem ist Blick Bassy in Frankreich ein Star und auf Konzertbühnen weltweit unterwegs. Nebenbei hat er auch noch einen Roman veröffentlicht, einen Talentwettbewerb ins Leben gerufen, Labels und Produktionsfirmen gegründet und Erklärvideos über das Musikgeschäft ins Netz gestellt, kurz: Er ist ein Multitalent.  

Blick Bassys Markenzeichen sind sanfte Balladen, in denen Elemente aus Folk und Soul mit traditionellen Rhythmen und dörflichen Traditionen aus Westafrika verschmelzen. Geschmeidig und weich ist seine Stimme, die er schon als Kind im Kirchenchor trainierte, und zart ist auch die Instrumentierung auf "1958", die von Bassys Gitarrenspiel, Cello, Keyboards und Bläsern getragen wird. 

Der Song "Mpodol" trägt den Spitznamen von Um Nyobé im Titel: Er bedeutet so viel wie "der, der die Stimme seines Volkes in sich trägt". "Maquis" erzählt vom Mut der Freiheitskämpfer, die sich gegen die französische Kolonialmacht auflehnten. In "Poche" klagt Blick Bassy Korruption und den Ausverkauf seines Landes an. In "Ngugi Yi" kritisiert er Kameruns Jugend, die sich von den Konsumversprechen des Westens blenden lässt. Und im Song "Newa", vorab als Single ausgekoppelt, befragt er die Geister der Ahnen, was aus ihrem Land geworden ist.

Im Video wird Bassy, als Stellvertreter seines Kontinents, von einer Horde Ritter gejagt. Der Song will eine Meditation über den Zustand des Kontinents sein. Was wäre gewesen, wenn die Kolonialmächte nicht jeden Widerstand brutal unterdrückt hätten? Wie kann sich Afrika angesichts Europas fortwirkender Übermacht behaupten? Für Bassy ist klar: Nur wer die eigene Geschichte kennt und daraus lernt, kann seine Zukunft gestalten.

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