DEINE SPENDE KANN LEBEN RETTEN!
Mit Amnesty kannst du dort helfen, wo es am dringendsten nötig ist.
DEINE SPENDE WIRKT!
MENSCHENRECHTE SCHÜTZEN!
Wir setzen uns für den Schutz von bedrohten Aktivist*innen ein, stellen klare Forderungen an die Politik.
UNTERSTÜTZE UNSERE ARBEIT MIT DEINER SPENDE.
Staatenlos heißt nicht rechtlos

Christiana Bukalo setzt sich für Staatenlose ein.
© Dominik Morbitzer
15 Millionen Staatenlose gibt es weltweit, davon 125.000 in Deutschland. Christiana Bukalo ist eine von ihnen. Mit ihrer Organisation Statefree hat sie eine Anlaufstelle für Betroffene geschaffen.
Von Till Schmidt
Staatenlos? Das kann es doch nicht geben. Muss denn nicht jeder Mensch eine Nationalität haben? Diese Frage wird Christiana Bukalo häufig gestellt, wenn sie mit Menschen über dieses Thema ins Gespräch kommt. Oft ist die Frage mit der Annahme verbunden, Staatenlose seien für ihre Situation selbst verantwortlich. So als hätten sie sich beim Erwerb einer Staatsangehörigkeit nicht genug anstrengt und seien selbst schuld an ihrem Alltag voller Hürden und Ausschlüsse.
Die Realität ist jedoch anders: Etwa ein Drittel der Staatenlosen in Deutschland hat den Status von der Familie "geerbt". So wie Christiana Bukalo, deren Eltern wenige Jahre vor ihrer Geburt aus Westafrika flohen und deren Staatsangehörigkeit wegen unzureichender Nachweise nicht geklärt werden konnte. Die 30-Jährige ist in Puchheim nahe München aufgewachsen und absolvierte ein duales BWL-Studium und einen Masterstudiengang in Medien- und Kommunikationsmanagement. Doch hatte sie nicht das Glück, einen der wenigen Kontingent-Studienplätze für Staatenlose an staatlichen Hochschulen zu ergattern. "Mir blieb nur ein Studium an einer privaten Uni, finanziert per Studienkredit", erzählt Bukalo.
Reisen oft mit Hürden verbunden
Inzwischen ist sie beruflich viel in Berlin unterwegs. Ihrer alten Heimat in Bayern fühlt sie sich aber nach wie vor verbunden. Bukalos Biografie und ihr Selbstverständnis widersprechen dem Klischee, wonach Staatenlose stets internationale Migrationserfahrung haben. Im Gegenteil: Für Staatenlose sind Reisen oft mit Hürden und Unsicherheit verbunden. Mangels Personalausweis konnte Bukalo lange Zeit nicht ins Ausland. Mit 18 Jahren erhielt sie immerhin einen speziellen Reiseausweis, doch wird dieser nicht von allen Staaten anerkannt. "Es gibt keine Garantie, dass mich ein Land einreisen lässt", erklärt sie. Dass sie an der Grenze einfach abgewiesen wird, erlebte Bukalo zum Beispiel, als sie in Marokko Urlaub machen wollte.
Als Staatenlose darf sie außerdem nicht wählen, und selbst alltägliche Dinge, wie ein Paket bei der Post abholen, kann sie nicht ohne Hürden erledigen. "Lange Zeit dachte ich, dass kaum jemand außer mir und meiner Familie in dieser Situation steckt", erzählt Bukalo. Umso überraschter war sie von den Zahlen, die sie als junge Erwachsene im Internet fand: Weltweit gibt es 15 Millionen Staatenlose, in Deutschland sind es etwa 125.000. Um Wissen zu diesem Thema zu vermitteln und gleiche Rechte für Staatenlose einzufordern, gründete Bukalo vor dreieinhalb Jahren die Organisation Statefree. Inzwischen hat sie ein Team aus Angestellten, Honorarkräften und Ehrenamtlichen aufgebaut, dem es gelungen ist, das Thema in der deutschen Medienöffentlichkeit sichtbarer zu machen, Politiker*innen anzusprechen und sich auch immer wieder in den politischen Prozess im Bundestag einzubringen.
Derzeit kann es für Staatenlose jahrelang dauern, anerkannt zu werden, weil verschiedene Behörden unterschiedliche Voraussetzungen für eine Staatsangehörigkeit fordern. Statefree arbeitet deshalb daran, das Procedere zu vereinheitlichen. Im Jahr 2024 startete die Organisation die Kampagne "70 Years, 70 Voices". Anlass war das 70-jährige Jubiläum des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechtsstellung der Staatenlosen aus dem Jahr 1954, das Mindeststandards zum Schutz der Betroffenen festlegt.
Für diese Kampagne sucht Statefree weiterhin prominente Unterstützer*innen. Eine weitere zentrale Aufgabe der Organisation ist die Vernetzung Staatenloser: "Für die meisten von uns war Staatenlosigkeit lange Zeit vor allem mit Isolation verbunden", sagt Bukalo. Statefree ist inzwischen eine wichtige Anlaufstelle für Betroffene geworden.
Till Schmidt ist freier Journalist. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International wieder.
Mehr Infos finden Sie unter https://statefree.world.