Amnesty Journal Deutschland 15. Juli 2020

Kunst gewinnt

Die Flammen brennender Farne in einem Wald schlagen bis zu den Stämmen von Nadelbäumen hoch; das Bild ist in der Mitte symmetrisch gespiegelt.

In seinem Werk "Feuer mit Feuer" erforscht Julius von Bismarck Waldbrände künstlerisch (2020).

Unter dem Motto "HEART – 100 Artists. 1 Mission." hat die UNO-Flüchtlingshilfe eine Kunstlotterie gestartet. Mit etwas Glück gewinnt man ein Werk namhafter Künstlerinnen und Künstlern und unterstützt Flüchtlinge.

Von Cornelia Wegerhoff

In warmem Rot, in Orange und Gelb leuchten die Farben rund um die weiße Hand, ein Negativ-Abdruck, durch Sprayen erzeugt. "Die Hand ist ein komplexes Werkzeug. Mit ihr formen und interagieren wir. Ihre Bedeutung ist für die Menschheit universell", sagt Katharina Grosse, die das Kunstwerk geschaffen hat. Es ist gerade mal so groß wie ein DIN-A5-Schulheft. Normalerweise taucht die Künstlerin ganze Landschaften und Gebäude in ein Farbenmeer – so wie derzeit eine Halle und den Außenbereich des Museums Hamburger Bahnhof in Berlin. Aber die UNO-Flüchtlingshilfe, der Katharina Grosse ihr kleines Gemälde gespendet hat, wünschte sich für eine Wanderausstellung ein handlicheres Format.

Erlös kommt Projekten zugute

"HEART – 100 Artists. 1 Mission." lautet die Aktion, an der sich hundert Künstlerinnen und Künstler beteiligt haben. Die gespendeten Werke werden vom 1. September an jeweils zwei Wochen lang im Bonner Kunstmuseum, in der Hamburger Kunsthalle und in der Berlinischen Galerie zu sehen sein. Am 26. November sollen sie dann bei einer Kunstlotterie neue Besitzer finden. Der Erlös kommt Projekten der UNO-Flüchtlingshilfe zugute.

Auf einem Bild der Künstlerin Katharina Grosse, leuchte in warmem Rot, in Orange und Gelb Farben rund um eine weiße Hand, die als Negativ-Abdruck durch Spraytechnik erzeugt wurde.

Komplexes Werkzeug: Mit der Hand interagieren und formen wir, sie habe universelle Bedeutung, sagt Künstlerin Katharina Grosse (Kunstwerk: Ohne Titel, 2020).

 

"In unserer schnelllebigen Zeit braucht man neue Ansätze", sagt Katharina Grosse zu der ungewöhnlichen Aktion. Die Künstlerin engagiert sich auch im Netzwerk "Wir machen das", das Zuwanderung und Vielfältigkeit als Chance und Bereicherung sieht. Gleichzeitig sei es wichtig, Organisationen wie die UNO-Flüchtlingshilfe zu unterstützen, die in Kriegs- und Krisengebieten tätig ist, sagt Katharina Grosse. Ein Bild zu spenden, sei ein vergleichsweise kleiner Beitrag, der aber durch die Anzahl der Kunstschaffenden zu etwas Besonderem werde.

Eine mittelalte Frau mit blonden Haaren, es ist die Künstlerin Katharina Grosse, trägt einen bunten Pulli und steht mit ernstem Blick und verschränkten Armen in ihrem Atelier vor Farbtöpfen und einer Leinwand.

"Neue Ansätze für eine schnelllebige Zeit": Die Künstlerin Katharina Grosse (2020).

 

"Wir lernen einfach nichts aus unserer Geschichte"

Die Liste der Mitwirkenden liest sich in der Tat wie ein "Who is Who" der zeitgenössischen Kunstszene: Stephan Balkenhol, Norbert Bisky, Ólafur Elíasson, Douglas Gordon, Candida Höfer, Jenny Holzer, Anish Kapoor, Anselm Kiefer, Herlinde Koelbl, Markus Lüpertz, Thomas Ruff, Pascale Marthine Tayou, Jorinde Voigt, Rose Wylie, He Xiangyu und viele weitere beteiligen sich mit einem Werk im DIN-A5-Format.

Die UNO-Flüchtlingshilfe in Bonn – der deutsche Partner des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) – feiert in diesem Jahr ihr 40-jähriges Bestehen. "Dabei gibt es an so einem Jubiläum eigentlich nichts zu feiern", meint Geschäftsführer Peter Ruhenstroth-Bauer. Denn tragischerweise steige die Zahl der Flüchtlinge seit Jahren an. 2019 waren knapp 80 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht.

"Wir lernen einfach nichts aus unserer Geschichte", sagt Igor Sacharow-Ross bitter. Der russische Künstler musste sein Leben lang Flucht und Vertreibung erfahren. Seine Eltern wurden von Stalin in den Fernen Osten verbannt, wo er geboren wurde. Als junger Künstler floh Sacharow-Ross nach Leningrad, um sich dort der nonkonformistischen Szene anzuschließen, wurde jedoch bald festgenommen und in die Verbannung geschickt. 1978 verwies ihn die damalige Sowjetunion aus politischen Gründen des Landes.

Schwarzweißfoto eines Kunstwerks der Künstlerin Jenny Holzer, die einen weißen Schriftzug (You dreamed about your children in a distant city) auf eine dunkle Fläche projiziert.

"You dreamed":  Projektion der US-amerikanischen Künstlerin Jenny Holzer (2019).

 

Zeichen der Humanität und Solidarität

Heute lebt der 73-Jährige in Köln. In sein Kunstwerk, das er der UNO-Flüchtlingshilfe gespendet hat, integrierte er historische Fotografien einer anonymen Menschenmasse, der "Entwurzelten", und russischer Granaten. Die hätten schon im Zweiten Weltkrieg Millionen Menschen in die Flucht getrieben und würden dies im Syrien-Krieg und anderswo immer noch tun, erklärt Sacharow-Ross.

"Die Künstlerinnen und Künstler haben ein starkes Zeichen der Humanität und der Solidarität gesetzt", sagt Peter Ruhenstroth-Bauer von der UNO-Flüchtlingshilfe in Bonn. Das Motto der Lotterie laute: "Leben retten, Kunst gewinnen". Schon mit dem Kauf eines Loses für 40 Euro könne man beispielsweise ein Kind impfen und es in einem Flüchtlingscamp einen Monat lang mit sauberem Wasser versorgen.

Mehr Informationen

Ausstellungstermine

1.-13. September 2020, Kunstmuseum Bonn

20. Oktober bis 8. November, Hamburger Kunsthalle

18. bis 26. November, Berlinische Galerie – Museum für Moderne Kunst

Informationen zum Verkauf der Lose unter : www.uno-fluechtlingshilfe.de/kunst

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