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Szene aus "The Darkest Files"
© Paintbucket Games
Während die große Masse der für den Computer angebotenen Unterhaltungsware nicht selten sinnfrei ist, gibt es immer wieder Games, die nicht nur Spaß machen, sondern auch aufklären und bilden. Vier aktuelle Spiele im Praxistest.
Von Klaus Ungerer
Glasfäden
Dieses Spiel ist weder teuer noch sonderlich knifflig und bleibt trotzdem als Vergnügen in Erinnerung: Der interaktive Comic "Glasfäden" erzählt die Geschichte einer jungen vietnamesischen Vertragsarbeiterin in der DDR: Fortgezogen aus der Heimat, angekommen in einem fremden, grauen Land, verrichtet sie eine monotone Arbeit, ohne viel Kontakt zu den Einheimischen und ohne jemals Dankbarkeit zu erfahren. Kurz darauf nimmt die Weltgeschichte die DDR aus dem Spiel: Es folgen Unsicherheit und zunehmender Rassismus. "Glasfäden" bereitet das in einer kurzen Stunde Spielzeit in schöner Comicoptik auf. Es gibt eingespielte Originalinterviews, und auch die nachfolgende Generation kommt zu Wort. "Glasfäden" ist als interaktiver Comic für Handys erschienen und kostet nichts.

Szene aus "Loulu"
© onlinetheater.live
Loulu
Die Influencerin Frida hat ein Problem. Seit sie in einem Video gesagt hat, sie werde sich ihre Achseln nicht mehr rasieren, wird sie von ein paar Nazis übel beschimpft. Das Problem an diesen Leuten: Sie sind Antifeministen der schlimmsten Sorte, aber doch schlau genug, ihre politische Gesinnung zunächst zu verbergen. Sie wollen vielmehr Fridas Fangemeinschaft immer tiefer in ihre eigenen Social Media-Kanäle locken. Wollen wir also die Nazis infiltrieren, um Frida zu helfen? Klar, wollen wir. Spielerisch gerät man auf die Kanäle des Schnurrbart-Schwadroneurs, des Gutelaunebär-Identitären und der antifeministischen Germano-Hausfrau. Die beteiligten Jungschauspieler*innen hatten erkennbar Spaß an ihren Rollen, die sie nur geringfügig karikieren. Ein Spiel mit hohem Funfaktor trotz des ernsten Themas. "Loulu" ist kostenlos fürs Handy herunterladbar.
Half Earth Socialism
15 Uhr, ich kann Schluss machen. Die Welt ist gerettet. Als sie mich um 13 Uhr ins Amt wählten, schien alles noch schwierig: Der Planet glühte, Fluten und Dürren suchten die Erde heim, alles recht ungemütlich. Wie gut, dass die Menschheit soeben die Weltrevolution vollbracht hat, nachdem sie alle Macht in meine Hände gelegt hatte. Eine gute Wahl! Was hätte ein anderer an meiner Stelle getan? Ich jedenfalls klickte auf alles, was irgendwie vernünftig klang: Ich setzte voll auf Forschung, Aufklärung und Umbau, auf Offshore-Wind, synthetisches Fleisch, Beton aus Hanf und Männlichkeits-Detox. Zwischenzeitlig wurde es zwar etwas heißer auf dem Planeten, und der Berggorilla hat es leider nicht geschafft. Aber 30 Spieljahre nach meinem Dienstantritt waren alle glücklich, selbst mein Assistent, die sprechende Tulpe! "Half Earth Socialism" ist kostenlos spielbar unter play.half.earth.

Szene aus "Half Earth Socialism"
© Trust
The Darkest Files
Bis die Welt tatsächlich gerettet sein wird, können wir noch ein bisschen auf "The Darkest Files" warten. Dessen Produktionsfirma hat bewiesen, dass sich schwierige Themen in lehrreiche Unterhaltung verwandeln lassen. Ihr Spiel "Through The Darkest Of Times", das die Geschichte einer Widerstandszelle in der NS-Zeit schildert, wurde allenthalben gelobt. Die neue Produktion "The Darkest Files" spielt in der Nachkriegszeit. Wir schlüpfen in die Rolle einer jungen Staatsanwältin namens Esther Katz, die zum Team des Juristen und hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer gehört. Dieser sitzt hinter seinem Schreibtisch, qualmt und gibt Tipps zum weiteren Vorgehen: welche Akten zu untersuchen, welche Verdächtigen zu vernehmen, welche Aussagen kritisch zu hinterfragen sind. Recht geruhsam und in schöner Noir-Optik geht es darum, NS-Verbrecher ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Doch dabei muss Esther Katz zahlreiche Widerstände überwinden. "The Darkest Files" erscheint im Lauf des Jahres, nähere Infos unter paintbucket.de.
Klaus Ungerer ist freier Journalist. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International oder der Redaktion wieder.