Amnesty Journal Deutschland 10. Mai 2019

Behindertenrechte: Wahlrecht für alle

Eine Straßenszene von oben, in der Mitte schiebt eine Frau eine Rollstuhlfahrerin.

Vor zehn Jahren trat in Deutschland die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen in Kraft. Ihr Ziel: Menschen mit Beeinträchtigung volle und gleich berechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen.

Neben fairem Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung sieht die Konvention vor, Diskriminierung aufgrund von Behinderung zu verbieten und zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderung rechtlich vor Diskriminierung geschützt sind.

Ein Jahrzehnt nach ihrem Inkrafttreten könnte die Bilanz jedoch besser ausfallen: Allen Fortschritten zum Trotz sei Deutschland keine inklusive Gesellschaft, moniert das Deutsche Institut für Menschenrechte. Dass Menschen mit Beeinträchtigung das Recht haben, selbst über ihr Leben zu bestimmen, sei zwar zunehmend ins gesellschaftliche Bewusstsein gerückt, sagt Valentin Aichele, Leiter der Monitoringstelle UN-Behindertenrechtskonvention des Instituts: "Es ist in den letzten zehn Jahren allerdings nicht gelungen, das Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderungen zum Normalfall und Sondereinrichtungen wie Förderschulen, Werkstätten und Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen überflüssig zu machen."

Hinzu kommt, dass bestimmte Gruppen von Menschen mit Beeinträchtigung bislang nur in einzelnen Bundesländern wählen durften, nicht jedoch bei Bundestags- oder Europawahlen. Etwa 81.000 Menschen waren deutschlandweit davon betroffen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht diese Wahlrechtsausschlüsse im Januar jedoch als verfassungswidrig einstufte, beschloss die Bundesregierung im März, dass Menschen mit Vollbetreuung künftig ihre Stimme abgeben dürfen.

Auch psychisch erkrankte Straftäter, die für schuldunfähig befunden wurden, haben nun das Recht zu wählen. Aus Sicht von Verbänden wie der Lebenshilfe und dem Sozialverband VdK, die schon lange für ein inklusives Wahlrecht kämpfen, ist das ein Erfolg. Und zwar ein doppelter: Nach einem Eilantrag der Opposition muss die Reform bereits zur Europawahl umgesetzt sein, beschloss das Bundesverfassungsgericht im April.

 

Hier findest Du ein Interview mit Christian Specht zum Thema Wahlen und Behinderung aus dem Amnesty-Journal 3/19: https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-journal/deutschland-ich-will-wissen-was-auf-der-welt-passiert

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