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Schmutziger Krieg auf dem Sinai
Im Kampf gegen den Islamischen Staat setzt die ägyptische Armee international geächtete Streubomben ein.
Von Markus Bickel
Der Krieg ist nicht zu gewinnen. Hunderte Tote haben Ägyptens Streitkräfte und Polizei seit 2013 auf der Sinai-Halbinsel zu beklagen – gefallen im Kampf gegen die Terrorgruppe Wilayat al Sinai (Provinz Sinai), die sich vor vier Jahren dem Islamischen Staat anschloss. Im Februar hat Präsident Abdel Fattah al-Sisi den Konflikt ausgeweitet. "Operation Sinai" heißt die jüngste Offensive gegen die Dschihadisten, geführt mit mehr als 35.000 Soldaten. Und mit international geächteten Streubomben, wie Amnesty International im Februar aufdeckte.
Streumunition vom Typ Mk-118 ließe sich auf einem von der ägyptischen Armee veröffentlichten Video eindeutig erkennen, sagt der Amnesty-Nahostexperte Raed Jaara. "Man könnte von einem rauchenden Colt sprechen, weil diese Munition ganz offensichtlich von Kampfjets abgeworfen wurde." Über die verfügt auf dem Sinai nur die ägyptische Luftwaffe. Weshalb die Armee selbst die Beweise für den Einsatz von Streumunition lieferte, erklärt Jaara auch: "Die ägyptische Regierung ist so tief in ihre eigenen Lügen und Propaganda verstrickt, dass sie den Überblick über ihre eigenen Lügen verloren hat." Ein bereits zugesagtes Interview mit der ägyptischen Tourismusministerin Rania al-Mashat zur Lage auf dem Sinai wurde kurz vor Redaktionsschluss abgesagt.
Mehr als 100 Staaten haben Streubomben geächtet, darunter auch der Libanon und der Irak; Ägypten jedoch nicht. Experten gehen davon aus, dass die Streitkräfte über mehr als 300.000 Bomblets vom Typ Mk-118 verfügen und über 1.300 Rockeye-Streubomben, beide aus US-Produktion. Streumunition sitzt in Behältern, die sich nach dem Abwurf öffnen, sodass die Minibomben über breite Flächen verteilt aufprallen. Da bis zu 30 Prozent der Bomblets beim Aufschlag nicht explodieren, bleiben sie als Blindgänger liegen und stellen ähnlich wie Landminen über Jahre eine Gefährdung für die Zivilbevölkerung dar.
Dass die Luftwaffe auf Streumunition zurückgreift, zeigt, wie verzweifelt die Armeeführung in ihrem Kampf gegen den ägyptischen IS-Arm Wilayat Sinai ist. Den Dschihadisten ist es seit dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi im Juli 2013 gelungen, ganze Gebiete in der Grenzregion zu Israel im Nordosten der sozial und politisch von Kairo im Stich gelassenen Sinai-Halbinsel unter ihre Kontrolle zu bekommen.
Zudem hat der IS seine Angriffe auf Ägyptens Christen im ganzen Land ausgeweitet: Am Palmsonntag 2017 zündeten Angehörige der Terrororganisation Bomben während Gottesdiensten in Kirchen in Alexandria und Tanta, im Mai vergangenen Jahres griffen sie in Minja einen Pilgerbus an. Mehr als siebzig Menschen fielen den Anschlägen zum Opfer. Und auf dem Nordsinai sorgten die Dschihadisten 2017 mit gezielten Tötungen von Kopten dafür, dass von den einst 5.000 Christen nur noch 1.000 auf der Halbinsel verblieben sind.
Das Ziel hinter den Angriffen ist klar: Nach dem Verlust seiner Hochburgen im Irak und in Syrien baut der IS den Sinai zu seinem neuen Rückzugsgebiet auf. Das belegt auch ein "Flammen des Krieges II" betiteltes Video des IS-Medienarms al Hayat, veröffentlicht nach dem Angriff auf eine Moschee in Rawda im Nordsinai mit 311 Toten im November 2017. Danach wies Sisi die Sicherheitskräfte an, "mit aller brutaler Gewalt" vorzugehen, um das Gebiet wieder unter Kontrolle zu bringen. Den Streitkräften gab er eine Frist von drei Monaten, das zu erreichen. Als diese im Februar ablief, gab er den Startschuss für die "Operation Sinai". Eine Operation, die nicht zu gewinnen ist.