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"Wir müssen härter und überzeugter kämpfen"
Mary Robinson, die frühere UN-Hochkommissarin für Menschenrechte.
© Nationaal Comité 4 en 5 mei
Die frühere UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, über autoritäre Regierungen und Klimagerechtigkeit. Mit ihr sprach Manuela Reimann.
Wie haben sich die Menschenrechte in den vergangenen Jahren entwickelt?
Die Situation der Menschenrechte ist meiner Meinung nach viel schwieriger geworden. Zum Teil wegen Populisten, die die Interessen des eigenen Landes über die Lösung globaler Probleme stellen. Dazu kommt die grassierende Angst vor dem Anderen, sogar vor Migranten und Flüchtlingen – mit der Folge, dass deren Rechte weniger respektiert werden als zuvor. Menschenrechtsverteidiger sind heute weltweit gefährdet. Regierungen verteidigen Freiheitsrechte, wie zum Beispiel die Pressefreiheit, nicht mehr. Aber der Einsatz für Menschenrechte war schon immer ein Kampf. Wir müssen ihn fortführen, härter und überzeugter, gerade weil er schwieriger geworden ist.
Wo sehen Sie Hoffnung?
Von Erzbischof Desmond Tutu habe ich einen guten Ausspruch gelernt. Als ihm vorgeworfen wurde, er sei ein Optimist, antwortete er: "Nein, ich bin kein Optimist. Ich bin ein Gefangener der Hoffnung." Diese Aussage finde ich sehr wichtig. Denn für einen Gefangenen der Hoffnung ist ein Glas nie einfach halb voll oder halb leer. Vielmehr sieht er im Glas etwas, mit dem sich arbeiten lässt. Das ist es, was Menschenrechtsengagierte überall auf der Welt unter ganz unterschiedlichen Umständen machen. Trotz aller Widerstände schließen sie sich zusammen, gründen Solidaritätsgruppen für Umwelt- oder Frauenrechte, organisieren sich für bessere Arbeitsbedingungen. Das heißt, sie tun etwas, um die Situation zu verbessern. Wir müssen Gefangene der Hoffnung bleiben, auch wenn die Zeiten schwierig sind.
Werden die Vereinten Nationen ihrer Rolle als Verteidigerin der Menschenrechte noch gerecht?
Die UN gehen tatsächlich durch eine sehr schwierige Phase. Im Sicherheitsrat verursacht das Vetorecht riesige Probleme. Ich halte es für unmoralisch und äußerst bedauerlich, dass dadurch Krisen wie in Syrien, im Jemen und anderswo andauern. Auch der UN-Menschenrechtsrat durchläuft eine schwierige Phase, aber das gab es schon früher. Die USA wollen keine Führungsrolle übernehmen, isolieren sich und sind sogar aus dem UN-Menschenrechtsrat ausgetreten. Das ist sehr bedauerlich. Dennoch bleiben die Vereinten Nationen eine starke, normative Stimme für die Menschenrechte. Und das müssen sie auch bleiben.
Als Hochkommissarin für Menschenrechte waren Sie für Ihre scharfe Kritik bekannt. Auch Ihre Nachfolger sprachen häufig Klartext, allerdings ohne großen Erfolg.
UN-Generalsekretär Antonio Gutierrez sagt ganz klar, "Menschenrechte zuerst". Auch der im August zurückgetretene Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Ra’ad al-Husseini, war eine sehr starke Stimme für die Menschenrechte. Er war sehr mutig und wurde von der Menschenrechtsgemeinschaft sehr geschätzt. Und ich habe keinen Zweifel daran, dass seine Nachfolgerin Michelle Bachelet diese Tradition fortführen wird.
Internationale Konzerne spielen eine immer wichtigere Rolle. Was können Regierungen tun, damit Unternehmen die Menschenrechte achten?
Es gibt eine positive und eine negative Dimension. Die positive Dimension besteht darin, dass die UN-Leitsätze für Wirtschaft und Menschenrechte bei vielen Unternehmen angekommen sind. Ich arbeite sehr eng mit Unternehmen zusammen, die sich dafür einsetzen, die C02-Emissionen bis 2050 auf null zu senken. Sie wollen, dass sich ihnen die gesamte Koalition der Unternehmen anschließt, die vor dem Pariser Klimaabkommen entstanden ist. Das ist sehr wichtig, denn die Unternehmen haben Einfluss auf Regierungen – und der Klimawandel hat sehr negative Auswirkungen auf die Menschenrechte.
Auf der anderen Seite sehen wir, dass die Macht der Unternehmen die Ungleichheit in der Welt verstärkt. Geld spielt in der Politik eine viel zu große Rolle. Besonders problematisch sind Rohstoffkonzerne, die behaupten, dass fossile Brennstoffe unsere Welt nicht schädigen würden. Dabei wissen wir sehr wohl, dass das Gegenteil der Fall ist. Studien belegen das seit Langem.
Wer kann sich gegen diese Konzerne stellen, wenn nicht Regierungen und die Vereinten Nationen?
Viele von uns, darunter Kumi Naidoo, der neue Generalsekretär von Amnesty International, sind der Meinung, dass wir als breite Bewegung zusammenstehen müssen. Als Bewegung, die sich von unten nach oben bildet. Wir müssen darauf bestehen, dass die Regierungen verbindlich umsetzen, wozu sie sich verpflichtet haben: die Agenda 2030, das Pariser Klimaabkommen sowie ihre Verpflichtungen aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Eine breite Mobilisierung der Menschen kann großen Einfluss auf die Politik haben. Ein Beispiel ist die #MeToo-Kampagne: Hier wurde deutlich gemacht, dass sexuelle Belästigung heute nicht mehr akzeptabel ist.
Wie können Menschen erreicht werden, die sich von der Politik im Stich gelassen fühlen und Populisten wählen, die Flüchtlinge und Migranten zu Sündenböcken machen?
Die negative Einstellung gegenüber Migranten und Flüchtlingen ist wirklich ein sehr negativer Trend. Er ist teilweise durch die Angst vor Terrorismus verursacht und mündet in einer Ablehnung von allen, die gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen. Das ist sehr bedauerlich, denn es verhindert Maßnahmen, die wir eigentlich brauchen: eine bessere Steuerung der Migration. Was wir ebenfalls benötigen, ist ein anderes Narrativ. Einerseits müssen wir zu unserer moralischen Verpflichtung zurückfinden. Andererseits müssen wir begreifen, dass die Menschen schon immer mobil waren und dass diese Mobilität für Länder, die die Migration gut gemanagt haben, sehr positiv war. Sie werden dadurch zu Ländern mit Vielfalt und Innovationsgeist. Denn es braucht Mut, sein Herkunftsland zu verlassen.
Einer der Gründe für die Migration ist der Klimawandel – eine große Bedrohung für die Menschenrechte, wie Sie sagen. Was ist das Ziel von Klimagerechtigkeit?
Es geht um die Ungerechtigkeit des Klimawandels, von dem die ärmsten Länder, aber auch die ärmsten Bevölkerungsgruppen in den reicheren Ländern besonders betroffen sind. Menschen, die zumeist nicht für den Klimawandel verantwortlich sind, deren Menschenrechte aber überproportional vom Klimawandel betroffen sind. Das müssen wir korrigieren. Außerdem müssen wir die Milliarde Menschen erreichen, die zum Teil überhaupt keinen Zugang zu Energie haben. Es soll "niemand zurückgelassen werden", heißt es in der Agenda 2030. Und diejenigen, die es am nötigsten haben, müssen Vorrang haben.
Die 1944 in Ballina geborene Juristin Mary Robinson wurde 1990 zur ersten Präsidentin Irlands gewählt. Von 1997 bis 2002 war sie UN-Hochkommissarin für Menschenrechte. Noch vor ihrer Zeit als UN-Sondergesandte für den Klimawandel von 2014 bis 2015 gründete sie die Mary Robinson Foundation – Climate Justice, die für Klimagerechtigkeit eintritt.