Aktuell 17. November 2020

Enttäuschende Bilanz der Dual-Use-Reform

Digitale Überwachung: Hier ist nichts mehr privat.

Nach jahrelangen Verhandlungen hat sich die Europäische Union Anfang November auf die Grundlagen neuer Exportkontrollen für Dual-Use-Güter geeinigt. Als Dual-Use-Güter werden Waren bezeichnet, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können. Durch die Reform wurde insbesondere der Handel mit Überwachungstechnologie neuen Regeln unterworfen. Amnesty kritisiert die Reform als nicht weitgehend genug, weil sie nicht verhindert, dass Dual-Use-Güter auch bei Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden.

"Angesichts der hohen Hoffnungen, die nach den ersten guten Vorschlägen von EU-Kommission und EU-Parlament aufkeimten, ist die Bilanz der Dual-Use-Reform enttäuschend. Insgesamt gelingt es der Europäischen Union mit dieser Reform nicht, Menschenrechte umfassend zu schützen", sagt Lena Rohrbach, Amnesty-Expertin für Menschenrechte im digitalen Zeitalter.

Zwar gibt es einige greifbare Fortschritte, insbesondere bei der Transparenz. Künftig müssen EU-Staaten darüber berichten, für welche Arten von Dual-Use-Gütern sie in welchem Umfang Exportgenehmigungen erteilt haben. Das ist ein deutlicher Fortschritt, denn nur wenn bekannt sind, welche Technologien in welche Länder verkauft werden, können Menschenrechtler_innen auf mögliche Menschenrechtsverletzungen in diesen Ländern hinweisen.

Tweet zum Beitrag von Lena Rohrbach auf netzpolitik.org über die EU-Exportpolitik:

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Andererseits gibt es herbe Enttäuschungen: Auch künftig bleibt die EU-Exportkontrolle träge und wird der schnellen technischen Entwicklung hinterherlaufen. Auf einer neu eingeführten sogennannten "EU-Watchlist" wollen die EU-Staaten neue Überwachungstechnologie mit hohen Menschenrechtsrisiken auflisten, die einer Exportkontrolle unterliegen soll. Allerdings ist diese Liste für die Mitgliedsstaaten rechtlich nicht verbindlich und kann durch das vorgesehene Einstimmigkeitsprinzip ganz einfach durch Einzelstaaten blockiert werden.

Im Verlauf der Reform wurden viele gute Vorschläge, die Kommission und Parlament anfangs unterbreitet hatten, durch einige Mitgliedsstaaten immer weiter verwässert. Deshalb können Technologien mit hohen Menschenrechtsrisiken weiterhin ohne Genehmigungspflicht exportiert werden, wenn sie nicht zur "verdeckten" Überwachung konstruiert sind. Das gilt etwa für öffentliche Videoüberwachung mit Gesichtserkennungsfunktion.

Für eine endgültige Einschätzung – etwa zur Frage, inwieweit auch die Unternehmen endlich Verantwortung für ihre Exporte übernehmen müssen – muss aber nicht nur die erzielte Einigung schriftlich vorliegen, sondern auch die Reform abgeschlossen werden. Über manche Fragen wird erst noch entschieden, daher heißt es: Dranbleiben.

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