Aktuell Deutschland 21. März 2021

Antirassismus zum Alltag machen – auch in der Polizei

Das Bild zeigt Polizist_innen in Ausrüstung von hinten, auf der Uniform steht "POLIZEI"

Polizist_innen in Deutschland haben den Auftrag gegen Rassismus vorzugehen, fallen aber immer wieder selbst durch rassistisches Verhalten auf. 

Die Polizei kann ihrer Aufgabe als Schutzinstanz gegen Rassismus nur gerecht werden, wenn Antirassismus ein fester Bestandteil der Polizeiausbildung und -arbeit wird. 

Vor einem Monat jährte sich das rassistische Attentat in Hanau. Die Berichterstattung dazu und die Forderung der Angehörigen nach Aufklärung warfen viele Fragen zur Rolle der Polizei rund um die Tat auf. Verletzte wurden Berichten zufolge wie Verdächtige behandelt, Angehörige erhielten Gefährderansprachen.

Gleichzeitig vergeht kaum eine Woche ohne Pressemeldung über rassistische Vorfälle bei der Polizei. Werden Vorwürfe über mutmaßliche Polizeigewalt bekannt, sind nicht selten Menschen of Color betroffen. Die Beispiele zeigen, dass Handlungsbedarf besteht – die Polizei wird ihrer Aufgabe als Schutzinstanz gegen Rassismus und rassistische Gewalt nicht gerecht.

Keine Organisation ist frei von Rassismen

Dabei ist das Ziel klar: Es braucht eine antirassistische Polizei. Damit kann keine zu 100 Prozent rassismusfreie Polizei gemeint sein, das ist Utopie in unserer aktuellen Gesellschaft. Damit ist die Polizei übrigens nicht allein – keine Organisation, kein Unternehmen, nicht die Schule und Parteien sind gänzlich frei von Rassismen.

Für die Polizei ist mehr Wissen über und Sensibilisierung für Rassismus ein Muss. Anders kann sie ihre Aufgabe, Menschen vor Rassismus zu schützen, nicht erfüllen. Eine antirassistische Polizei stellt sich der Verantwortung, Rassismus jeder Art immer wieder aufs Neue zurückzudrängen. Sie ist sich bewusst, dass dies eine dauerhafte Aufgabe und ein Prozess ist – kein einmaliges "Aufräumen".

Antirassismus muss daher bereits fester Bestandteil der Polizeiausbildung sein. Noch wichtiger aber sind regelmäßige Antirassismus-Trainings als verpflichtende Fortbildungen im Berufsalltag, bei denen die eigene Rolle und Verantwortung reflektiert werden und Wissen aufgefrischt wird. All das hat nur eine nachhaltige Wirkung, wenn Führungskräfte sich ebenfalls schulen lassen und ihren Mitarbeiter_innen vorleben, dass Rassismus nicht toleriert wird.

Unabhängige Polizeiforschung, unabhängige Beschwerdestellen 

Ein erster Schritt besteht darin, genau hinzuschauen, wo Missstände sind. Sich nicht über niedrige Fallzahlen freuen, sondern das Dunkelfeld ausleuchten. Dazu gehört, unabhängige Polizeiforschung zuzulassen und zu unterstützen. Nur wenn erforscht wird, wo die Probleme liegen, können sie behoben werden. Auch wenn die Ergebnisse wehtun, unabhängige Studien zu strukturellen Missständen bei der Polizei liegen in ihrem eigenen Interesse.

Der Anwalt Blaise Francis El Mourabit berichtet über rassistisches Fehlverhalten bei der Polizei:

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Auch ihren Widerstand gegen unabhängige Beschwerdestellen für Betroffene von mutmaßlicher Polizeigewalt sollten Polizeiorganisationen und -gewerkschaften aufgeben. Nur wenn der Eindruck widerlegt wird, dass "Polizisten sowieso nichts passiert", kann das Vertrauen in die Polizei wiederhergestellt werden. Dazu gehört auch, dass Polizeihandeln jederzeit auf die jeweils verantwortliche Person zurückführbar sein muss – nur so kann, wenn nötig, auch eine strafrechtliche Aufklärung stattfinden. Dafür müssen die letzten sechs Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Saarland, Sachsen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen endlich eine individuelle numerische Kennzeichnungspflicht für Polizist_innen einführen.

Werden rassistische Vorfälle in den Reihen der Polizei bekannt, müssen die Verantwortlichen durch einen entsprechenden Aufklärungswillen, durch Sanktionen und Signale an alle Kolleg_innen klar und deutlich zeigen, dass für Rassismus und Rechtsextremismus null Toleranz besteht. Das Beispiel des Sonderbeauftragten für Rassismus und Rechtsextremismus bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen zeigt: Wer es ernst meint und genau hinschaut, wird zunächst einmal viele Fälle aufdecken. Der nächste Schritt ist dafür zu sorgen, dass in Zukunft rechtsextreme Chatgruppen gar nicht erst jahrelang unentdeckt bleiben. Und Wege zu finden, dass auf lange Sicht genau hingesehen wird.

Menschen mit Migrationsgeschichte fühlen sich im Stich gelassen

Die Weichen müssen nachhaltig in Richtung antirassistischer Polizei gestellt werden, damit mutmaßliche Rassismusvorfälle nicht mehr nur durch Zufall, Videomitschnitte oder couragierte Beamt_innen bekannt werden. Zwar handeln zahlenmäßig immer nur wenige rassistisch, aber alle, die wegschauen, vertuschen, kleinreden und Aufklärung verhindern, untergraben ebenso das Vertrauen in die Polizei. Vor allem das Vertrauen von Menschen mit Migrationsgeschichte, die sich im Stich gelassen fühlen.

Einer von ihnen ist Armin Kurtović, der Vater des in Hanau ermordeten Hamza Kurtović, der von der Polizei nicht zum Leichnam seines Sohnes gelassen wurde, weil der "beschlagnahmt" war. Seine Schlussfolgerung lautet: "Ich weiß auch nicht mehr, wen ich anrufen soll, wenn ich ein Problem habe. Die Deutsche Post? Oder wen soll ich anrufen? Die 110 werd' ich nie wieder wählen." Diese Enttäuschung muss gehört werden. Polizei und Innenbehörden müssen alles daransetzen, dass von Rassismus betroffene Menschen sich weiter an die Polizei wenden und dort den erhofften Schutz erhalten.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Frankfurter Rundschau.

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