Pressemitteilung Aktuell Deutschland 12. Juni 2020

Entschlossenes Vorgehen gegen Rassismus auch in Deutschland notwendig

Mehrere Personen stehen nebeneinander mit Schildern "Rassistische Gewalt stoppen" und "Wir nehmen Rassismus persönlich"

Institutioneller Rassismus ist kein neues Problem: Amnesty demonstrierte am 4. November 2016 vor dem Bundesinnenministerium in Berlin gegen die mangelhafte Aufarbeitung der NSU-Morde.

Die aktuellen Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt zeigen auch in Deutschland dringenden Handlungsbedarf bei Behörden und Polizei auf. Sie sollten für die Innenminister im Bund und in den Ländern Mahnung sein, den Schutz aller Menschen vor Rassismus überzeugender zur politischen Priorität zu machen. Neben der Bekämpfung rassistischer Gewalt gehören dazu eine bessere und rassismuskritische Aus- und Fortbildung von Polizei und Justiz sowie die überfällige Umsetzung langjähriger Empfehlungen zur Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards.

Amnesty International appelliert an die zuständigen Minister auf Bundes- und Landesebene, an die Innenministerkonferenz und den neuen Kabinettsausschuss gegen Rassismus nun auf breiterer Basis konkrete Schritte einzuleiten, um Menschen in Deutschland wirksam vor Rassismus zu schützen.

"Der Schutz vor Rassismus und rassistischer Gewalt ist ein Menschenrecht und damit eine zentrale Staatsaufgabe. Die Innenminister bleiben gefordert, entschlossener und systematischer für den Schutz aller Menschen in Deutschland vor Rassismus zu sorgen", mahnt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland. "Drängend bleibt ein wirksames Vorgehen der Ermittlungsbehörden gegen rassistische Gewalt und rechtsextreme Gruppen. Ebenso ist die Aufklärung über Rassismus in allen gesellschaftlichen Bereichen weiter notwendig. Aber auch eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Rassismus innerhalb staatlicher Institutionen und Behörden ist ein unabdingbarer Baustein der menschenrechtlichen Verantwortung von Bundes- und Landesregierungen."

Es geht nicht darum, Polizisten unter Generalverdacht zu stellen oder zu beschuldigen. Es geht um die Professionalisierung der Polizeiarbeit, um Transparenz und um die Übernahme von Verantwortung.

Markus N.
Beeko
Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland

Weltweite Untersuchungen von Amnesty International zeigen nicht nur in den USA Handlungsbedarf gegen Rassismus und rassistisches Handeln bei Polizei und Behörden. "Auch Deutschland hat Nachholbedarf in der Rassismus-Prävention" erinnert Beeko. "Wichtige internationale Standards sind in Deutschland nicht oder nur unzureichend umgesetzt. Staatliche Einrichtungen, Behörden, Polizei, Justiz und Militär brauchen systematische Aus- und Fortbildungen, unabhängige Beschwerde- und Untersuchungsmechanismen und sollten internationale Standards und Empfehlungen rascher und konsequenter umsetzen."

 

Anstatt in der aktuellen Diskussion Kritik an Rassismus in Polizei und Justiz pauschal zurückzuweisen, täte man gut daran, selbstkritisch die eigene politische Verantwortung zu reflektieren: "Das Ermittlungsversagen bei den NSU-Morden, die Drohbriefe des 'NSU 2.0' aus den Reihen der Polizei Frankfurt am Main, rassistische Äußerungen in Chat-Gruppen oder die Nutzung rechtsextremer Symbole durch Polizeibeamte, verdeutlichen eine akute Problemlage. Betroffene von rassistischen Angriffen berichten, dass sie sich nicht an die Polizei wenden, weil sie Sorge haben, nicht ernstgenommen oder nochmals diskriminiert zu werden. Das gilt erst recht für diejenigen, die sich als Opfer rassistischer Handlungen durch Polizeibeamte selbst sehen. Jenseits aller Diskussionen ist offensichtlich: Es gibt Handlungsbedarf!", so Beeko.

 

Amnesty International fordert verpflichtende Antirassismus-Trainings für alle Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden und der Justiz. Erste Pilotprojekte in der Justiz und bei der Bundespolizei waren ein wichtiger Anfang, jetzt müssen die Trainings flächendeckend etabliert werden. "Es geht nicht darum, Polizisten unter Generalverdacht zu stellen oder zu beschuldigen. Es geht um die Professionalisierung der Polizeiarbeit, um Transparenz und um die Übernahme von Verantwortung", erklärt Beeko. "Dies sind internationale Standards, denen sich auch die deutschen Innenministerien verpflichtet fühlen sollten."

 

Bund und Länder müssen unabhängige Beschwerdestellen einrichten, an die sich Betroffene rassistischer Übergriffe wenden können. Überfällig ist auch eine Evaluierung, inwieweit die wichtigen Empfehlungen der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zum NSU umgesetzt worden sind. Der Nationale Aktionsplan gegen Rassismus der Bundesregierung braucht eine gesamtgesellschaftliche Umsetzung: So sollten beispielsweise Aufklärung und Wissen über Rassismus in die Lehrpläne an Schulen, in der Juristenausbildung, an Journalistenschulen etc. aufgenommen werden.

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