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Überwachungstechnologie aus der EU kann zu Menschenrechtsverletzungen beitragen
Illustration zur Gesichterkennungstechnologie in China durch europäische Überwachungsexporte (September 2020)
© Toscanabanana
Ein neuer Amnesty-Bericht dokumentiert die folgenreichen Lücken der EU-Exportkontrolle beim Handel mit militärisch oder zivil nutzbaren sogenannten Dual-Use-Gütern. Amnesty International fordert die EU auf, im Zuge der aktuellen Reform einen besseren Menschenrechtsschutz herbeizuführen.
Europäische Unternehmen verkaufen Gesichtserkennungs- und andere Überwachungstechnologie nach China – ohne jede staatliche Exportkontrolle. Damit riskieren sie, dass diese dort zu schweren Menschenrechtsverletzungen beiträgt. Das deckt der neue Amnesty-Bericht "Out of Control: Failing EU laws for digital surveillance export" auf. Die Recherchen werden vor einem Treffen am 22. September in Brüssel veröffentlicht, bei dem das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten darüber verhandeln, ob Überwachungsexporte künftig stärker reguliert werden.
Der Amnesty-Bericht weist am Beispiel von drei Unternehmen mit Sitz in Frankreich, Schweden und den Niederlanden den Verkauf von Überwachungstechnologie direkt an Verantwortliche im chinesischen Massenüberwachungsapparat und an staatliche Institutionen in der chinesischen Region Xinjiang nach, darunter Software zur Gesichts-, Verhaltens- und Emotionserkennung. China setzt biometrische Massenüberwachung landesweit sowie als Baustein umfassender Unterdrückung der Uigurinnen und Uiguren sowie anderer ethnischer Gruppen ein.
"Wir veröffentlichen die Ergebnisse einer Stichprobe, die nur die Spitze des Eisberges sein dürfte. Es ist skandalös, dass solche Überwachungstechnologien in der EU bisher nicht einmal einer Exportgenehmigung bedürfen und Risiken für Menschenrechte bei ihrem Verkauf keine Rolle spielen", sagt Lena Rohrbach, Expertin für Wirtschaft und Technologie bei Amnesty International in Deutschland.
"Daher sollte die Chance genutzt werden, solche Güter bei der laufenden Reform der EU-Dual-Use-Exportkontrollen einzubeziehen. In den Verhandlungen dazu gab es zuletzt aber dramatische Rückschritte. Wir sind sehr besorgt, dass Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten zwar in Lippenbekenntnissen die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang verurteilen, gleichzeitig aber Reformvorschläge blockieren. Damit können in Europa ansässige Firmen weiterhin unkontrolliert genau die Technologie liefern, die für diese Menschenrechtsverletzungen benötigt wird", so Rohrbach.
Die Dual-Use-Verordnung der EU reguliert den Export von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck, die für militärische und zivile Zwecke verwendet werden können. Dazu gehört auch Überwachungstechnologie. Sie wird derzeit neu verhandelt. Amnesty fordert die EU auf, alle Überwachungstechnologien in die Exportregulierung aufzunehmen und zusätzlich sicherzustellen, dass alle Unternehmen menschenrechtliche Sorgfaltspflichten – darunter eine menschenrechtliche Risikoabschätzung möglicher Verkäufe – einhalten, bevor sie einen Exportantrag stellen. Regierungen dürfen Exportanträge nicht genehmigen, wenn ein signifikantes Risiko besteht, dass sie im Empfängerland zu Menschenrechtsverletzungen beitragen.
Bereits im Jahr 2016 legte die EU-Kommission umfassende Verbesserungsvorschläge vor, die Amnesty International begrüßte. Die meisten EU-Mitgliedsstaaten, darunter Frankreich und Schweden, blockieren seitdem Vorschläge, besseren Menschenrechtsschutz in der Verordnung zu verankern. Deutschland, das seit dem 1. Juli die EU-Präsidentschaft innehat und daher die gegenwärtigen Verhandlungen der Mitgliedsstaaten koordiniert, sowie die Niederlande legten beide Vorschläge zur Verbesserung des Menschenrechtsschutzes vor. Sie konnten sich auf EU-Ebene damit bisher jedoch nicht durchsetzen.
"Die Bundesregierung hat die Chance während ihrer EU-Ratspräsidentschaft zur Stärkung von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und Meinungsfreiheit beizutragen, indem sie sich bei den EU-Mitgliedsstaaten für eine wirksame menschenrechtskonforme Exportkontrolle für Dual-Use-Technik einsetzt", erklärt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland.
"Es darf keinen Freibrief für europäische Firmen geben, weltweit die Technologie auszuliefern, mit der Medienschaffende sowie Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger zunehmend überwacht, diskreditiert und verfolgt werden. Die EU sollte sicherstellen, dass wirksame Regulierung und Kontrollen es erschweren, dass europäische Technologie von autoritären Regierungen gegen unliebsame Zivilgesellschaft eingesetzt wird. Sonst sind Solidaritätsadressen für verfolgte Journalisten und Journalistinnen, Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten sowie Oppositionspolitiker und -politikerinnen, ob in Belarus, der Türkei, Russland oder Hongkong, wenig mehr als Worthülsen", so Beeko.