Aktuell Deutschland 10. Juni 2024

Recht auf Protest für alle: Einschränkungen von Palästina-solidarischen Stimmen in Deutschland

Pro-palästinensische Demonstration in Berlin gegen das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen (1. Januar 2024)

Pro-palästinensische Demonstration in Berlin (1. Januar 2024)

Das Recht auf Protest ist ein Menschenrecht und durch die Versammlungs- und Meinungsfreiheit für alle geschützt. Doch auch in Deutschland kommt es immer wieder zu teils unverhältnismäßigen Einschränkungen dieses Menschenrechts. Betroffen sind derzeit insbesondere Menschen, die in Solidarität mit Palästina protestieren. Doch eine pauschale Kriminalisierung dieser Proteste und die Unterdrückung Palästina-solidarischer Stimmen im öffentlichen Diskurs sind mit den Menschenrechten unvereinbar.  

Seit den grausamen Kriegsverbrechen der Hamas am 7. Oktober 2023 und dem Genozid von israelischen Streitkräften und Behörden an den Palästinenser*innen in Gaza kam es in Berlin zu zahlreichen pauschalen Versammlungsverboten und umfassenden Einschränkungen in Form von Auflagen. Mehrfach wurden zudem Berichte von unverhältnismäßiger Polizeigewalt bei Protesten laut. So beispielsweise bei der Auflösung eines Protestcamps am Bundestag im April 2024: Hier kam es auch zum aus menschenrechtlicher Sicht höchst problematischen Einsatz von Schmerzgriffen. Auch am Abend des 8. März 2025 kam es Berichten zufolge in Berlin zu massiver Polizeigewalt sowie sexualisierter Gewalt durch einen Polizisten.  

Verletzungen der Rechte auf Versammlungsfreiheit und Nichtdiskriminierung wie auch Polizeigewalt erleben Menschen, die in Solidarität mit Palästina protestieren seit Langem: In Berlin wurden bereits ab dem Jahr 2021 anlässlich des Nakba-Tages sämtliche Demonstrationen von der Berliner Versammlungsbehörde verboten. Der Nakba-Tag am 15. Mai ist für viele Palästinenser*innen ein zentraler Gedenktag zur Erinnerung an Flucht und Vertreibung im Jahr 1948. Die Verbote sämtlicher Demonstrationen rund um den Nakba-Tag wurde in Berlin auch in den Folgejahren fortgesetzt. 2024 kam es zu keinem pauschalen Verbot in Berlin. Allerdings kam es im Rahmen der Proteste Berichten zufolge erneut zu zahlreichen Fällen von Polizeigewalt.

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Die Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit von Palästina-solidarischen Stimmen sind sehr schwerwiegend. Diskursräume werden zunehmend enger. Vielerorts wurden Ausrufe, Kleidungsstücke und Symbole mit Palästina-Bezug pauschal verboten. So zum Beispiel die Palästina-Flagge an Berliner Schulen. Auch die Wissenschaftsfreiheit ist bedroht. Amnesty International fordert: Hochschulen müssen unabhängig und kritisch forschen dürfen und als offene Debattenräume verteidigt werden.  

 Kritik an der israelischen und deutschen Regierungspolitik darf nicht pauschal kriminalisiert werden. Das gilt für Forschende und Lehrende an Hochschulen. Und natürlich für alle Menschen, die ihr Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit zum Beispiel bei Demonstrationen wahrnehmen. 

Selbstverständlich kennt Meinungsfreiheit Grenzen. Personen, die zu Gewalt gegen Juden*Jüdinnen aufrufen oder gar selbst Gewalt ausüben, müssen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Staatliche Behörden haben die Aufgabe, Juden*Jüdinnen vor antisemitischer Hassrede und Straftaten zu schützen. Auch Juden*Jüdinnen in Deutschland für das Verhalten der israelischen Behörden verantwortlich zu machen, ist antisemitisch. 

Klar ist: Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus sind keine Meinung. Und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit bedeutet immer eine Verletzung von Menschenrechten. Das heißt auch: Marginalisierte Menschen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Für antisemitische Vorfälle vor allem muslimische oder muslimisch gelesene Personen verantwortlich zu machen, lenkt von Antisemitismus als gesamtgesellschaftliches Problem ab. Antimuslimischer und antipalästinensischer Rassismus werden so verstärkt. Eine pauschale Kriminalisierung von Protesten wird zu keiner Lösung beitragen, sondern Diskursräume weiter verengen. Stattdessen stehen staatliche Behörden in der klaren Verantwortung, das Recht auf Protest und das Recht auf Nichtdiskriminierung für alle Menschen gleichermaßen zu schützen.  

Nur so bleibt Raum für Streit, Trauer, Frustration, Gespräch und auch notwendige Veränderungen im Sinne der Menschenrechte.

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