Prügelstrafe erneut ausgesetzt

Auspeitschung von Raif Badawi stoppen!

Auspeitschung von Raif Badawi stoppen!

Die für den 23. Januar angesetzten Stockhiebe gegen Raif Badawi werden wahrscheinlich erneut ausgesetzt, nachdem ein Ärzteteam bei dem Blogger gesundheitliche Beschwerden diagnostiziert hat. Der gewaltlose politische Gefangene hatte am 9. Januar 2015 auf einem Platz vor der Al-Jafali-Moschee in Dschidda 50 Hiebe erhalten. Es besteht die Gefahr, dass die ausstehenden 950 Stockschläge im Laufe der kommenden Wochen vollstreckt werden.

Appell an

KÖNIG UND MINISTERPRÄSIDENT
King Salman bin Abdel aziz Al Saud
Custodian of the two Holy Mosques
Office of His Majesty the King
Royal Court, Riyadh, SAUDI-ARABIEN
(Anrede: Your Majesty / Majestät)
Fax: (00 966) 11 403 3125 (über Innenministerium)

INNENMINISTER
His Royal Highness
Prince Mohammed bin Naif bin Abdul Aziz Al Saud
Ministry of the Interior, P.O. Box 2933
Airport Road, Riyadh 11134, SAUDI-ARABIEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 966) 11 403 3125

Sende eine Kopie an

JUSTIZMINISTER
His Excellency Sheikh Mohammed bin
Abdulkareem Al-Issa
Ministry of Justice
University Street, Riyadh 11137
SAUDI-ARABIEN
Fax: (00 966) 11 401 1741 oder (00 966) 11 402 031

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS SAUDI-ARABIEN
S. E. Herrn
Prof. Dr. med Ossama Abdulmajed Ali Shobokshi
Tiergartenstr. 33-34, 10785 Berlin
Fax: 030-8892 5179 - E-Mail: deemb@mofa.gov.sa

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch.

Amnesty fordert:

FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Sorgen Sie bitte dafür, dass keine weiteren Stockhiebe gegen Raif Badawi ergehen.

  • Ich fordere Sie höflich auf, Raif Badawi sofort und bedingungslos freizulassen, da er ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der nur wegen der friedlichen Wahrnehmung seines Rechts auf Meinungsfreiheit in Haft ist.

  • Bitte stellen Sie sicher, dass das Urteil gegen Raif Badawi aufgehoben wird.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the authorities to put a stop to any further flogging of Raif Badawi.

  • Calling on them to release him immediately and unconditionally as he is a prisoner of conscience, detained solely for exercising his right to freedom of expression.

  • Calling on them to ensure that his conviction and sentence are quashed.

Sachlage

Raif Badawi wurde am 21. Januar ins König-Fahd-Krankenhaus in Dschidda gebracht. Dort untersuchte ihn ein achtköpfiges Ärzteteam. Nach einer mehrstündigen Untersuchung kamen die Ärzte zu dem Schluss, dass Raif Badawi unter Bluthochdruck leidet, und empfahlen den Behörden deshalb, die Stockschläge auszusetzen. Amnesty International befürchtet dennoch, dass die ausstehenden Stockhiebe vollstreckt werden könnten, solange die Strafe nicht aufgehoben wird. Zudem ist die Empfehlung des Ärzteteams für die Behörden rechtlich nicht bindend.
In den vergangenen Wochen haben Aktivist_innen weltweit Protestaktionen vor saudi-arabischen Botschaften organisiert, die Prügelstrafe gegen Raif Badawi verurteilt und seine bedingungslose Freilassung gefordert. Zuletzt wurde auch von offizieller Seite Kritik an der Bestrafung laut, darunter von der US-amerikanischen und der kanadischen Regierung. Die Ehefrau und die drei Kinder von Raif Badawi leben derzeit in Kanada. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte bezeichnete die Prügelstrafe als "grausame und unmenschliche Bestrafung, die nach dem Völkerrecht und insbesondere nach dem Übereinkommen gegen Folter verboten ist, welches von Saudi-Arabien ratifiziert wurde."

Raif Badawi hatte am 9. Januar 2015 auf einem Platz vor der Al-Jafali-Moschee in Dschidda 50 Stockschläge erhalten. Am darauffolgenden Freitag hätten weitere 50 Hiebe der insgesamt 1000 gegen ihn verhängten Stockschläge vollstreckt werden sollen. Er wurde jedoch zuvor von einem Arzt untersucht, der die Aussetzung der Prügelstrafe empfahl, da Badawis Wunden noch nicht hinreichend geheilt seien und er weiteren Stockhieben nicht standhalten könne. Der Blogger Raif Badawi war am 7. Mai 2014 vom Strafgericht in Dschidda zu zehn Jahren Haft und 1000 Peitschenhieben verurteilt worden. Des Weiteren wurden ihm ein anschließendes Reiseverbot von zehn Jahren, ein Verwendungsverbot für Medienkanäle und eine Geldstrafe von einer Million Saudi-Riyal (etwa 195 000 Euro) auferlegt. Er war wegen der Gründung der Website der "Saudi-Arabischen Liberalen" und "Beleidigung des Islams" schuldig gesprochen und verurteilt worden. Die Website wurde auf Anordnung des Gerichts geschlossen. Am 1. September bestätigte das Berufungsgericht in Dschidda das Urteil. Im Dezember 2014 soll der Fall an den Obersten Gerichtshof übergeben worden sein.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Raif Badawis Gerichtsverfahren begann im Juli 2012 vor dem allgemeinen Gericht in Dschidda. Dieses erklärte sich für nicht zuständig, da es befand, dass Raif Badawi den Islam nicht beleidigt habe und daher keine Anklage gegen ihn wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) erhoben werden könne. Daher übergab das allgemeine Gericht den Fall am 21. Januar 2013 dem Strafgericht in Dschidda. Der Generalstaatsanwalt bestand jedoch darauf, dass Raif Badawi wegen "Apostasie" vor Gericht gestellt werden müsse. Der Fall wurde daraufhin einem Berufungsgericht überstellt, welches ermitteln sollte, ob der Fall dem Strafgericht in Dschidda oder einem anderen Gericht, wie dem für Fälle von "Apostasie" zuständigen allgemeinen Gericht in Dschidda, übergeben werden solle. Das Berufungsgericht in Dschidda übergab den Fall dem Strafgericht, welches Raif Badawi am 29. Juli 2013 zu einerGefängnisstrafe von sieben Jahren und 600 Peitschenhieben verurteilte. Raif Badawis Rechtsbeistand legte gegen dieses Urteil Berufung ein, mit der Begründung, der Fall sei von einem nicht unparteiischen Vertretungsrichter verhandelt worden. Am 11. Dezember 2013 entschied das Berufungsgericht, dass der Fall neu zu verhandeln sei und schickte diesen zurück an das Strafgericht in Dschidda. Am 25. Dezember 2013 entschied der Richter des Strafgerichts schließlich, dass der Fall nicht in seinen Zuständigkeitsbereich falle, da es sich um Anklagen wegen "Apostasie" handle. Der Fall wurde zurück an das Berufungsgericht in Dschidda überstellt, welches entscheiden sollte, ob es den Fall wieder an das Strafgericht übergeben oder ihn selbst untersuchen solle. Das Berufungsgericht schickte den Fall zurück an das Strafgericht in Dschidda, das Raif Badawi am 7. Mai 2014 zu zehn Jahren Haft, 1.000 Peitschenhieben und einer Geldstrafe von einer Million Saudi-Riyal (etwa 195 000 Euro) verurteilte. Raif Badawi legte daraufhin Rechtsmittel ein. Am 1. September 2014 bestätigte das Berufungsgericht das Urteil.

Am 6. Juli 2014 wurde Raif Badawis Rechtsbeistand, der bekannte Menschenrechtsverteidiger Waleed Abu al-Khair, vom Sonderstrafgericht in Riad zu einer 15-jährigen Haftstrafe und einem anschließenden Reiseverbot von 15 Jahren verurteilt. Die Anklagen gegen ihn lauten "Ungehorsam gegenüber dem Herrscher und der Versuch, seine Legitimität zu untergraben", "Kritik an der Justiz und Infragestellung der Integrität der Richter", "Gründung einer nicht genehmigten Organisation", "Schädigung des Rufs des Staates durch den Austausch mit internationalen Organisationen" und "Aufbereitung, Speicherung und Übermittlung von Informationen, die die öffentliche Ordnung beeinträchtigen". Waleed Abu al-Khair wurde am 15. April festgenommen, nachdem er zur fünften Anhörung in seinem Verfahren vor dem Sonderstrafgericht in der Hauptstadt Riad erschienen war. Zuvor war er vom Strafgericht in Dschidda zu einer dreimonatigen Haftstrafe verurteilt worden. Am 6. Februar 2014 bestätigte das Berufungsgericht in Mekka das Urteil aufgrund ähnlicher Anklagen (siehe UA-098/2014, online unter https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-098-2014/bei-anhoerung-festgenommen).

Die saudischen Behörden gehen weiterhin vermehrt gegen zivilgesellschaftliche Aktivist_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen vor – per Gerichtsverfahren oder mit außergerichtlichen Maßnahmen wie Reiseverboten.

Weitere Fälle, die das Vorgehen der Behörden gegen friedliche Aktivist_innen in Saudi-Arabien belegen, finden Sie in dem englischsprachigen Bericht Saudi Arabia: the authorities continue to punish activists for speaking up (MDE 23/036/2014, http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE23/036/2014/en).