Pressemitteilung Aktuell Palästina 28. Mai 2025

Palästina: Hamas-Sicherheitsdienste müssen Versammlungsfreiheit in Gaza respektieren

Das Foto zeigt drei mit Sturmgewehren bewaffnete maskierte Männer in Tarnuniform.

Hamas-Kämpfer in Rafah im Gazastreifen (22. Februar 2025)

Die Behörden im besetzten Gazastreifen müssen das Recht auf friedliche Versammlung und Meinungsfreiheit respektieren und die anhaltende Unterdrückung von Demonstrierenden beenden, fordert Amnesty International. In den vergangenen zwei Monaten hat Amnesty ein Muster von Drohungen, Einschüchterungen und Schikanen dokumentiert. Dazu zählen Verhöre und Schläge durch von der Hamas geführte Sicherheitskräfte gegen Menschen, die ihr Recht auf friedlichen Protest ausüben.

Seit dem 25. März 2025 haben die Bewohner*innen von Beit Lahia, einer Stadt im Gouvernement Nord-Gaza, mehrere Protestmärsche organisiert, um ein Ende des Völkermords und der rechtswidrigen Vertreibung durch Israel zu fordern. Die Demonstrierenden skandierten Slogans und zeigten Schilder, auf denen die von der Hamas geführten Behörden in Gaza kritisiert wurden. Einige forderten ein Ende der Hamas-Herrschaft. Kleinere Proteste fanden auch im Flüchtlingslager Jabalia, in Shuja'iya und Khan Younis statt, wo die Demonstrierenden auch Parolen gegen bestimmte Hamas-Führer skandierten.

Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, sagt: 

"Die Hamas-Behörden müssen unverzüglich alle repressiven Maßnahmen gegen Palästinenser*innen einstellen, die mutig und offen ihre Opposition gegen die Hamas-Praktiken im Gazastreifen zum Ausdruck bringen. Berichte über Schläge, Drohungen und Verhöre sind äußerst alarmierend und stellen schwere Verstöße gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung dar. Diejenigen, die für Gewalt oder Drohungen verantwortlich sind, müssen zur Rechenschaft gezogen werden.

Es ist beschämend, dass, während die Palästinenser*innen in Gaza Völkerrechtsverbrechen durch Israel erleiden, die Hamas-Behörden ihr Leiden weiter verschärfen, nur weil die Menschen sagen: 'Wir wollen leben!' Die Bevölkerung im Gazastreifen protestiert gegen die verheerenden Auswirkungen des anhaltenden Völkermords und der Vertreibung Israels sowie gegen das Versagen der Behörden in Gaza, sie vor solchen Angriffen zu schützen. Sie haben das Recht, die Behörden zu kritisieren, ohne gewalttätige Repressalien zu befürchten."

Amnesty International befragte 12 Personen – 10 Männer und zwei Frauen –, die entweder an Protesten teilnahmen oder sie organisierten, sowie Familienmitglieder von drei weiteren Demonstrierenden, die sagten, ihre Verwandten seien bedroht worden, als sie weiter protestieren wollten. Die Befragten schilderten Vorfälle, bei denen Menschen, die an Protesten teilnahmen, ohne Einhaltung formaler Verfahren zum Verhör vorgeladen, mit Stöcken geschlagen und in einigen Fällen bedroht wurden, erschossen zu werden.

Seit der Übernahme des Gazastreifens im Jahr 2007 und der Einrichtung eines parallelen Sicherheits- und Strafverfolgungsapparats hat die Hamas die Vereinigungs-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit stark eingeschränkt. Die Behörden reagierten auf Proteste, insbesondere 2019, mit übermäßiger Gewalt, Inhaftierungen und Folter. Nach dem 7. Oktober 2023 wurde die Meinungsfreiheit von der Hamas weiter eingeschränkt, unter anderem indem Kritiker als Verräter bezeichnet wurden.

In den letzten Tagen haben die israelischen Streitkräfte ihre Militäroperationen auf den gesamten besetzten Gazastreifen ausgeweitet, Panzer in Beit Lahia verlegt und die meisten Bewohner*innen vertrieben. Eine Frau, die am 16. Mai aus Beit Lahia in das Shati-Flüchtlingslager in Gaza-Stadt vertrieben wurde, sagte Amnesty International: "Wir haben gegen die Hamas und gegen den Krieg protestiert, und jetzt sind wir wieder von Israel vertrieben."

Unter Bezugnahme auf die Äußerung des hochrangigen Hamas-Sprechers Sami Abu Zuhri: "Das Haus wird wieder aufgebaut und den Märtyrer werden wir zehnfach reproduzieren", sagte die Frau: "Sie [die Hamas-Führer] kümmern sich nicht um unser Leiden. Selbst wenn ich mein zerstörtes Haus wieder aufbauen würde, werden die Erinnerungen und das Leben, das ich dort hatte, nie wieder aufgebaut werden. Meine Cousine verlor ihren Mann und drei Kinder bei einem israelischen Angriff. Kann er sie ansehen und sagen, dass ihre Kinder reproduziert werden?"

Die ausführliche englischsprachige Presseerklärung mit weiteren Zeug*innenaussagen ist auf amnesty.org zu finden.

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