Pressemitteilung Aktuell 15. Oktober 2024

Menschenrechtsranking von Elektroautoherstellern zeigt Risiken entlang intransparenter Lieferketten

Das Bild zeigt ein Elektroauto, wie es gerade geladen wird

Elektroauto an einer Ladestation (Symbolbild)

In einem neuen Ranking der menschenrechtlichen Berichterstattung von Elektroautoherstellern durch Amnesty International gibt es keine Gewinner: Kein einziges der führenden Unternehmen der Branche konnte ausreichend darlegen, wie es mit Menschenrechtsrisiken in Rohstofflieferketten umgeht. Die Herstellung von Elektroautos und wiederaufladbaren Batterien verursacht insbesondere beim Abbau von benötigten Rohstoffen Ausbeutung, Gesundheits- und Umweltschäden.

Vergleichsweise gut schneiden im internationalen Vergleich die deutschen Autokonzerne Mercedes, BMW und VW ab. BYD, Mitsubishi und Hyundai liegen auf den hintersten Plätzen.

In dem Bericht "Recharge for Rights: Ranking the Human Rights Due Diligence Reporting of Leading Electric Vehicle Makers" bewertet Amnesty International die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten und die selbstdefinierten Richtlinien von 13 großen Elektroautoherstellern. Die weltweit steigende Nachfrage nach E-Autos und wiederaufladbaren Batterien sorgt für ein rasantes Wachstum der Branche. Automobilhersteller sind verpflichtet, die Menschenrechtsrisiken in ihren Lieferketten zu erkennen und zu minimieren. Dazu zählen Vertreibungen von Menschen aus ihren Wohnorten, Gesundheitsschäden durch Umweltverschmutzung und die Verletzung der Rechte indigener Völker in Ländern, in denen Mineralien abgebaut werden. Frühere Untersuchungen von Amnesty International haben beispielsweise gezeigt, wie die Kobaltindustrie in rechtswidrige Zwangsräumungen in der Demokratischen Republik Kongo verstrickt ist.

Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, sagt:

"Viele Menschen entscheiden sich heute bewusst für ein klimafreundlicheres Elektroauto. Genauso bewusst möchten sie sich für einen Hersteller entscheiden, bei dem Menschenrechte nicht nur auflackiert sind. Aber die Industrie versteckt sich hinter intransparenten Lieferketten. Unsere Recherchen belegen immer wieder: Freiwillige Maßnahmen reichen nicht aus. Damit bei der Energiewende niemand auf der Strecke bleibt, braucht es verbindliche Gesetze zu menschenrechtlichen, aber auch umwelt- und klimabezogenen Sorgfaltspflichten. Die Bundesregierung und das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle müssen für eine stringente Umsetzung des Lieferkettengesetzes sorgen, anstatt Abschwächungen oder gar ein 'Aussetzen' zu diskutieren. Das Gesetz und die damit verbundenen Pflichten sind keine sinnlose Bürokratie, sondern haben reelle Auswirkungen auf die Leben und Rechte von Menschen. Verpflichtende transparente Berichterstattung durch die Unternehmen hilft auch Konsument*innen, informierte Kaufentscheidungen zu treffen, statt auf Sicht zu fahren."

Das Bild zeigt eine Bergbaumine aus der Vogelperspektive

In dieser Mine auf der indonesischen Insel Halmahera werden Rohstoffe abgebaut, die unter anderem für die Herstellung von Elektroauto-Batterien benötigt werden (Aufnahme vom September 2023).

In der Bewertung von Amnesty International konnten Unternehmen insgesamt 90 Punkte erreichen. Kriterien waren unter anderem die Ermittlung von Menschenrechtsrisiken, die Abbildung der Lieferkette und Entschädigungsmaßnahmen. Mit 11 Punkten schnitt das chinesische Unternehmen BYD am schlechtesten ab. Die beste Bewertung erhielt Mercedes-Benz mit 51 von 90 Punkten. Insgesamt haben sich deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich stärker zu menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten bekannt – sicher auch eine Auswirkung des deutschen Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten, dass für diese bereits seit Anfang 2023 gilt. Nachholbedarf besteht jedoch weiter bei der Offenlegung von Entschädigungsmaßnahmen und in der Transparenz von Lieferketten für die Batterieproduktion.

Alle Unternehmen sind verpflichtet, ihrer Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte gemäß den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte gerecht zu werden. Dafür müssen sie eine menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung durchführen, um nachteilige Auswirkungen auf die Menschenrechte, durch ihre Geschäftstätigkeit, Produkte oder Dienstleistungen zu ermitteln, zu verhindern, abzumildern und darüber Rechenschaft abzulegen.

Die großen Elektroautohersteller müssen ihre Sorgfaltspflichten an internationale Menschenrechtsstandards anpassen. Ihren massiven wirtschaftlichen Einfluss auf dem weltweiten Rohstoffmarkt können sie zudem nutzen, um Menschenrechtsrisiken bei Zulieferern wie Bergbauunternehmen abzumildern. Auch Regierungen müssen mit Gesetzen nachbessern.

Das Bild zeigt viele Frauen, die in einem auf dem Boden sitzen

Diese Frauen und Kinder wurden in der Demokratischen Republik Kongo von ihrem Ackerland in der Nähe des Stadt Kolwezi vertrieben, als ein Unternehmen seine Mine zum Abbau von Kobalt erweiterte (Februar 2022).

Hintergrundinformationen

Von möglichen 90 Punkten haben die Automobilunternehmen folgende Bewertungen erhalten: BYD (11), Mitsubishi (13), Hyundai (21), Geely Auto (22), Nissan (22), Renault (27), General Motors (32), Ford (41), BMW (41), VW Group (41), Stellantis (42), Tesla (49) und Mercedes-Benz (51).

Amnesty International hat die Unternehmen anhand internationaler Menschenrechtsstandards bewertet. Als Grundlage dafür dienten die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs), die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die OECD-Leitlinien für die Sorgfaltspflicht bei der Ausübung einer verantwortungsvollen Geschäftstätigkeit.

Die Kriterien waren folgende: Menschenrechtspolitik und -verpflichtungen; Verpflichtung zur Einhaltung der Sorgfaltspflicht in der Lieferkette; Geschlechterperspektive und Einbeziehung in die Sorgfaltspflicht; Einbeziehung von Stakeholdern; Verpflichtung zur Achtung der Rechte indigener Völker; Risikoermittlungsprozesse; umfassende Abbildung der Lieferkette und Identifizierung von Minenstandorten; Nutzung verschiedener Informationsquellen; Schritte zur Risikominderung; Einflussnahme auf Lieferanten; verantwortungsbewusster Rückzug; Nachverfolgung und Bewertung von Maßnahmen; öffentliche Berichterstattung über Maßnahmen; Beschreibung von Abhilfemaßnahmen; Beschwerdemechanismus auf operativer Ebene.

Die Bewertung von Amnesty stützte sich auf die öffentlich zugänglichen Berichte, Richtlinien und Unterlagen des jeweiligen Unternehmens.

Förderband einer Kobalt-Fabrik

Verarbeitung von Kobalt in einer Fabrik in Lubumbashi in der Demokratischen Republik Kongo (Archivaufnahme vom Februar 2018)

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