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Sorge um Gesundheit

Jiang Tianyong auf dem Kongress gegen die Todesstrafe 2010
© Amnesty
Der Gesundheitszustand des Menschenrechtsanwalts Jiang Tianyong hat sich in der Haft stark verschlechtert. Ihm drohen nach wie vor Folter und andere Misshandlungen. Sowohl der staatlich bestellte Rechtsbeistand als auch andere Behördenstellen weigern sich bisher, seine Familie über den Inhalt des gegen ihn ergangenen Urteils zu informieren.
Appell an
Präsident Xi Jinping
The State Council General Office
2 Fuyoujie, Xichengqu
Beijing Shi 100017
VOLKSREPUBLIK CHINA
Sende eine Kopie an
Minister für öffentliche Sicherheit
Zhao Kezhi Buzhang
Gonganbu 14 Dongchanganjie
Dongchengqu
Beijing Shi 100741
VOLKSREPUBLIK CHINA
E-Mail: gabzfwz@mps.gov.cn
Botschaft der Volksrepublik China
S. E. Herrn Mingde Shi
Märkisches Ufer 54
10179 Berlin
Fax: 030-27 58 82 21
E-Mail: de@mofcom.gov.cn
Amnesty fordert:
- Lassen Sie Jiang Tianyong bitte umgehend und bedingungslos frei, da er sich lediglich aufgrund der friedlichen Ausübung seiner Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Haft befindet.
- Sorgen Sie bitte dafür, dass er in der Haft nicht gefoltert oder anderweitig misshandelt wird und dass er regelmäßigen und uneingeschränkten Zugang zu jeder nötigen medizinischen Versorgung erhält.
- Bitte stellen Sie sicher, dass der von Jiang Tianyong gewählte Rechtsbeistand entsprechend internationaler Standards über das Urteil informiert wird, das am 21. November 2017 gegen Jiang Tianyong ergangen ist.
Sachlage
Am 25. Februar besuchte die Schwester von Jiang Tianyong ihren Bruder in der Hafteinrichtung Nr. 1 der Stadt Changsha. Ihren Angaben zufolge leidet Jiang Tianyong an schwerem Gedächtnisverlust und fühlt sich schwach und aufgebläht. Jin Bianling, die Ehefrau des Menschenrechtsanwalts, berichtet über eine starke Verschlechterung seines Gesundheitszustands, seit er 2016 von den Behörden inhaftiert wurde. Die Familie befürchtet, dass er im Gewahrsam mit Medikamenten ruhiggestellt wird. Seit die chinesischen Behörden im Juli 2015 damit begonnen haben, auf beispiellose Weise gegen Menschenrechtsverteidiger_innen und Anwält_innen vorzugehen, haben viele weitere damals inhaftierte Rechtsbeistände angegeben, im Gewahrsam misshandelt oder unter Drogen gesetzt worden zu sein. Es besteht daher berechtigter Grund zur Sorge, dass Jiang Tianyong Gefahr läuft, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden.
Am 21. November 2017 wurde Jiang Tianyong zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Der staatliche bestellte Rechtsbeistand weigerte sich jedoch, der Familie seines Mandanten das Urteil auszuhändigen. Die Schwester von Jiang Tianyong bat bei ihrem Besuch in der Haftanstalt im Februar um eine Kopie der Urteilsschrift, was jedoch ohne Angabe von Gründen abgelehnt wurde. Bisher kennen lediglich Jiang Tianyong und sein Pflichtverteidiger den Inhalt der Urteilsschrift. Der von Jiang Tianyong gewählte Rechtsbeistand sowie seine Familienangehörigen haben keinen Zugang zu dem Urteil. Jiang Tianyong sagte seiner Schwester, dass es in der Urteilsschrift heißt, er solle am 31. August 2018 aus dem Gefängnis entlassen werden. Er zweifelt jedoch daran, ob er tatsächlich an diesem Tag auf freien Fuß gesetzt wird. In der Gerichtsverhandlung vom 21. November 2017 plädierte Jiang Tianyong auf schuldig und entschied sich gegen das Einlegen von Rechtsmitteln, weil ihm im Gegenzug eine Entlassung Ende August 2018 zugesagt wurde.
Jin Bianling hat die Behörden öffentlich aufgefordert, Jiang Tianyong einer angemessenen medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Zudem fordert sie, dass er Zugang zu medizinischer Versorgung hat und dass ihm keine unnötigen Medikamente verabreicht werden.
Hintergrundinformation
Jiang Tianyong war bereits in einige prominente Gerichtsverfahren involviert und hat anderen Menschenrechtsverteidiger_innen geholfen, so zum Beispiel dem Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng, der wegen seiner Menschenrechtsarbeit drangsaliert und auch inhaftiert wurde, und dem Aktivisten Chen Guangcheng, der aufdeckte, dass Menschen in der Ortschaft Dongshigu in Linyi in der Provinz Shandong von Beamt_innen zu Abtreibungen gezwungen wurden. Vor seiner jetzigen Inhaftierung war Jiang Tianyong zuletzt im März 2014 festgenommen worden, nachdem er und drei weitere Anwält_innen Untersuchungen zu einer rechtswidrigen Hafteinrichtung ("Black Jail") in Jiansanjiang in der Provinz Heilongjiang anstellten, in der Falun-Gong-Praktizierende festgehalten werden sollen. Jiang Tianyong wurde im Gewahrsam geschlagen, wobei ihm acht Rippen gebrochen wurden.
Das Mittlere Volksgericht der Stadt Changsha sprach Jiang Tianyong am 21. November 2017 der "Anstiftung zum Umsturz der Staatsmacht" schuldig. Er wurde zu zwei Jahren Gefängnis und einem dreijährigen Entzug seiner politischen Rechte verurteilt.
Jiang Tianyong wurde über ein Jahr lang ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten. Weder seine Familienangehörigen noch die von der Familie beauftragten Rechtsbeistände wurden im Vorhinein über das im August 2017 stattfindende Verfahren informiert. Dieses Vorgehen verstößt gegen chinesisches Recht. Die Familie erfuhr nur durch einen Nachrichtenbericht unmittelbar vor der Gerichtsverhandlung von deren Beginn. Jiang Tianyong wurde darin von zwei staatlich eingesetzten Rechtsbeiständen vertreten. Laut Jin Bianling wurde Jiang Tianyongs Vater von Angehörigen der Staatssicherheitsbehörde mitgenommen und zur August-Verhandlung eskortiert.
Die erste Verhandlung vor dem Mittleren Volksgericht der Stadt Changsa fand am 22. August 2017 statt. Darin gab Jiang Tianyong den Vorwurf "Anstiftung zum Umsturz der Staatsmacht" zu. Im Verfahren "entschuldigte" er sich dafür, der chinesischen Polizei konstruierte Foltervorwürfe gemacht zu haben und im Ausland Seminare besucht zu haben, um einen Wandel des politisches Systems Chinas zu diskutieren. Laut Angaben von Jin Bianling, der Ehefrau von Jiang Tianyong, hatte eine "nicht namentlich genannte Person der Behörden von Changsha" gesagt, dass Jiang Tianyong gefoltert worden sei und sein Bein über die ganze Länge so geschwollen war, dass er nicht stehen konnte. Möglicherweise hat er unter Folter oder anderer Misshandlung die "Anstiftung zum Umsturz der Staatsmacht" gestanden.
Im Zuge der Kampagne zur Diffamierung der Foltervorwürfe veröffentlichten die chinesischen Festlandmedien im Februar 2017 eine Videoaufnahme mit einem Interview mit Jiang Tianyong. In diesem Video sagt Jiang Tianyong, dass er die Foltervorwürfe von Xie Yang konstruiert habe. Doch Analytiker_innen merkten an, dass Jiang Tianyong sich ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft befand, als Xie Yangs Foltervorwürfe erstmals in den internationalen Medien auftauchten. Zudem sei es in jüngsten Jahren gängige Praxis geworden, erzwungene "Geständnisse" im staatlichen chinesischen Fernsehen zu senden.
Im Juli 2015 war der Menschenrechtsanwalt Xie Yang im Zuge des repressiven Vorgehens gegen Anwält_innen inhaftiert worden. Sein Anwalt, mit dem er im Januar 2017 gesprochen hatte, legte später einen detaillierten Bericht über die Folter von Xie Yang in Haft vor. Über die Foltervorwürfe wurde in den internationalen Medien umfassend berichtet. Daraufhin schrieben im Februar 2017 sieben Länder einen nicht öffentlichen Brief an die chinesische Regierung, in dem sie ihre "wachsende Sorge bezüglich der jüngsten Vorwürfe über Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe durch inhaftierte Menschenrechtsanwält_innen und andere Menschenrechtsverteidiger_innen" zum Ausdruck brachten. Sie forderten die chinesische Regierung auf, die Praxis der "Überwachung an einem dafür bestimmten Ort" einzustellen – dies ist eine Form der geheimen Haft ohne Kontakt zur Außenwelt, die es der Polizei ermöglicht, Menschen bis zu sechs Monaten außerhalb des offiziellen Strafvollzugsystems in Haft zu halten, ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl, ihren Angehörigen oder einer anderen Person der Außenwelt. Damit werden vermeintliche Verdächtige dem Risiko der Folter und anderen Formen der Misshandlung ausgesetzt. Der Inhalt dieses Briefes wurde später der internationalen Presse zugänglich gemacht. Die staatlichen chinesischen Medien veröffentlichten daraufhin eine Fülle von Berichten zur Entkräftung der Foltervorwürfe als "Falschmeldung".
Seit die chinesischen Behörden im Juli 2015 damit begonnen haben, auf beispiellose Weise gegen Menschenrechtsverteidiger_innen im Land vorzugehen, sind beinahe 250 Rechtsbeistände und Aktivist_innen ins Visier geraten. Von diesen ist der Rechtsanwalt Wang Quanzhang der letzte, dessen Gerichtsverhandlung noch aussteht. Er wird seit mehr als zwei Jahren ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten.