Konstante Überwachung gefährdet Gesundheit

Ein Mann chinesischer Herkunft mit Brille steht vor einer grauen Wand und schaut ernst in die Kamera

Der chinesische Menschenrechtsanwalt Jiang Tianyong

Der Menschenrechtsanwalt Jiang Tianyong wurde im Februar 2019 aus dem Gefängnis entlassen. Er benötigt sofortigen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung, da er an den gesundheitlichen Folgen der im Gefängnis erlittenen Folter leidet. Doch trotz seiner Freilassung wird er durch die Behörden weiterhin streng überwacht – was eine solche Versorgung unmöglich macht.

Appell an

Zhou Conggui

Luoshan County Public Security Bureau

Xingzheng Dadao 16

Luoshan Xuan, Xinyang Shi

Henan Sheng, VR CHINA

 

Sende eine Kopie an

BOTSCHAFT DER VOLKSREPUBLIK CHINA

S. E. Herrn Ken Wu

Märkisches Ufer 54

10179 Berlin

Fax: 030-27 58 82 21

E-Mail: chinaemb_de@mfa.gov.cn oder presse.botschaftchina@gmail.com

 

Amnesty fordert:

  • Ich möchte Sie höflich daran erinnern, dass Jiang Tianyong seine Gefängnisstrafe bereits verbüßt hat. Daher fordere ich Sie auf, die Überwachung und Beschränkung der Bewegungsfreiheit von Jiang Tianyong und seiner Familie unverzüglich einzustellen und dafür zu sorgen, dass Jiang Tianyong uneingeschränkten Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung hat.

Sachlage

Nach Angaben seiner Ehefrau Jin Bianling wird der Menschenrechtsanwalt Jiang Tianyong nach wie vor streng überwacht, obwohl er am 28. Februar 2019 aus dem Gefängnis entlassen wurde. Überall, wo er hingeht, wird er von einer Gruppe unbekannter Personen verfolgt.

Jiang Tianyong muss dringend ärztlich untersucht werden, wollte aber aus Sorge, die Anwesenheit unbekannter Personen könne sich auf die medizinische Behandlung auswirken, bisher keinen Termin vereinbaren. Bereits vor seiner Inhaftierung wurde Jiang Tianyong in einem Krankenhaus eine falsche Diagnose gestellt, nachdem die Ärzt_innen offensichtlich Anweisungen von den Behörden erhalten hatten. Da es Jiang Tianyong untersagt ist, China zu verlassen, kann er sich derzeit auch keine medizinische Hilfe im Ausland suchen.

Jiang Tianyong leidet an den gesundheitlichen Folgen der im Gefängnis erlittenen Folter. So hat er stechende Schmerzen an der Wirbelsäule und seine Augen fangen an zu tränen, sobald sie mit Licht oder Wind in Kontakt kommen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Das Mittlere Volksgericht der Stadt Changsha sprach Jiang Tianyong am 21. November 2017 der "Anstiftung zum Umsturz der Staatsmacht" schuldig. Er wurde zu zwei Jahren Gefängnis und einem dreijährigen Entzug seiner politischen Rechte verurteilt. Im Gefängnis verschlechterte sich sein Gesundheitszustand rapide. Eigenen Angaben zufolge wurde Jiang Tianyong gezwungen, zweimal am Tag ein unbekanntes Medikament einzunehmen. Sein Vater sah, wie er mit Händen und Füßen an einen Eisenstuhl gefesselt war.

Am Tag seiner Entlassung aus dem Gefängnis wurde Jiang Tianyong zusammen mit seiner Schwester und seinem Vater sofort weggebracht. Später berichtete er, dass er gezwungen wurde, in einem Resort in der Stadt Zhengzhou zu bleiben. Erst als er aus Protest gegen die Einschränkung seiner Freiheit durch die Behörden in einen Hungerstreik trat, wurde er in sein Elternhaus in Xinyang in der Provinz Hunan zurückgeschickt. Auch Freund_innen, die Jiang Tianyong nach seiner Freilassung besuchen wollten, wurden schikaniert. Als Wang Qiaoling, die Ehefrau des Menschenrechtsanwalts Li Heping, am 2. März 2019 versuchte, Jiang Tianyong zu besuchen, wurde sie sechs Stunden lang auf einer Polizeiwache festgehalten. Währenddessen wurde es Jiang Tianyong erlaubt, nach Hause zurückzukehren. Etwas später wurde auch Wang Qiaoling dorthin gebracht. Noch am gleichen Abend, nachdem sich alle zum Abendessen niedergesetzt hatten, stürmte eine Polizeieinheit mit Videokameras ins Haus. Der leitende Beamte setzte sich zu ihnen, um ihre Gespräche mitzuhören, und ging sogar so weit, sie zu unterbrechen und anzuweisen, jegliche Unterhaltung über Menschenrechtsverteidiger_innen zu unterlassen.

Nach einem noch nie dagewesenen scharfen Vorgehen der Regierung gegen Menschenrechtsanwält_innen und andere Aktivist_innen sind seit dem 9. Juli 2015 mindestens 250 Anwält_innen und Aktivist_innen von Angehörigen der Staatssicherheit verhört oder inhaftiert worden. Zahlreiche Menschenrechtsanwält_innen und -aktivist_innen wurden auch nach ihrer Freilassung weiterhin verfolgt, schikaniert und polizeilich überwacht. Wang Yu, die erste Anwältin, die 2015 bei der der umfassenden Razzia gegen Menschenrechtsanwält_innen festgenommen wurde, konnte ihre Tätigkeit nach der Haftentlassung nicht wieder aufnehmen, da ihr die Lizenz entzogen wurde. Sie konnte auch China nicht verlassen, da die Behörden die Ausstellung eines Reisepasses ohne Angabe von Gründen verweigerten.

Jiang Tianyong war bereits in einige prominente Gerichtsverfahren involviert und hat anderen Menschenrechtsverteidiger_innen geholfen, so zum Beispiel dem Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng, der wegen seiner Menschenrechtsarbeit stark drangsaliert und auch inhaftiert wurde, und dem Aktivisten Chen Guangcheng, der aufdeckte, dass Menschen in der Ortschaft Dongshigu in Linyi in der Provinz Shandong von Beamt_innen zu Abtreibungen gezwungen wurden. Vor seiner aktuellen Inhaftierung war Jiang Tianyong zuletzt im März 2014 festgenommen worden, nachdem er und drei weitere Anwält_innen Untersuchungen zu einer rechtswidrigen Hafteinrichtung ("Black Jail") in Jiansanjiang in der Provinz Heilongjiang angestellt hatten, in der angeblich Falun-Gong-Praktizierende festgehalten werden.