Angeblich Staatsmacht untergraben

Jiang Tianyong

Jiang Tianyong

Der Menschenrechtsanwalt Jiang Tianyong wurde sechs Monate unter "häuslicher Überwachung an einem dafür vorgesehenen Ort" festgehalten. Jetzt ist er offiziell festgenommen worden. Ihm droht Folter.

Appell an

MINISTER FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT

Minister of Public Security

Guo Shengkun

14 Dong Chang’an Jie

Dongcheng Qu,

Beijingshi 100741

VOLKSREPUBLIK CHINA

Sende eine Kopie an

BOTSCHAFT DER VOLKSREPUBLIK CHINA

S. E. Herrn Mingde Shi

Märkisches Ufer 54

10179 Berlin

Fax: 030-27 58 82 21

 

Amnesty fordert:

  • Bitte lassen Sie Jiang Tianyong umgehend frei, da er nur aufgrund der friedlichen Wahrnehmung seiner Menschenrechte angeklagt ist.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass er während seiner Haft vor Folter und anderweitigen Misshandlungen geschützt ist und unverzüglich Zugang zu seiner Familie, einem Rechtsbeistand seiner Wahl und angemessener medizinischer Versorgung erhält.

Sachlage

Der Menschenrechtsanwalt Jiang Tianyong wurde über sechs Monate unter "häuslicher Überwachung an einem dafür vorgesehenen Ort" festgehalten. Jetzt ist er wegen "Untergrabung der Staatsmacht" offiziell festgenommen worden. Ohne Kontakt zur Außenwelt und Zugang zu einem Rechtsbeistand drohen ihm Folter und anderweitige Misshandlungen.



Jiang Tianyong ist wegen "Untergrabung der Staatsmacht" offiziell festgenommen worden. Das geht aus einer Mitteilung hervor, die sein Vater vom Büro der Öffentlichen Sicherheit der Stadt Changsha erhielt. Jiang Tianyongs Vater lebt in dessen Heimatstadt Xinyang in der Provinz Henan und erhielt die Nachricht erst am 5. Juni 2017 beim örtlichen Postamt, obwohl sie am 31. Mai verschickt worden war. Nachdem er vom Postamt nach Hause zurückkehrte, wurde er von der Polizei zur Wache mitgenommen; dort warnte man ihn, keine Details über die Festnahme von Jiang Tianyong an die Außenwelt weiterzugeben und entließ ihn am selben Tag wieder. Bei einer Verurteilung droht bei dem Vorwurf der "Untergrabung der Staatsmacht" im äußersten Fall eine lebenslange Haftstrafe. Jiang Tianyong wird derzeit im Haftzentrum Nr. 1 der Stadt Changsha festgehalten.

Der Rechtsbeistand von Jiang Tianyong, Cheng Jiangang, hat seit dessen Verhaftung zum neunten Mal ein Treffen mit seinem Mandanten beantragt. Das Büro für Öffentliche Sicherheit der Stadt Changsha lehnte alle bisherigen Anträge aufgrund von "Behinderung der Ermittlungen" und "Gefährdung der Staatssicherheit" ab. Bis heute hat Jiang Tianyong keinen Zugang zu einem Rechtsanwalt erhalten. Im Dezember 2016 war Jiang Tianyong wegen "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsmacht" angeklagt und unter "häusliche Überwachung an einem dafür vorgesehenen Ort" gestellt worden.



Jiang Tianyong ist ein allgemein bekannter Menschenrechtsanwalt, dem im Jahr 2009 aufgrund seines Aktivismus die Anwaltslizenz entzogen wurde. Seither hat er seine Arbeit als Menschenrechtsverteidiger trotz anhaltender Schikane, Festnahme und Schlägen fortgesetzt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Seit dem 21. November 2016 gibt es keine Nachricht von Jiang Tianyong. Laut einer Mitteilung des Büros der Öffentlichen Sicherheit der Stadt Changsha vom 23. Dezember an den Schwiegervater von Jiang Tianyong wurde er unter "häusliche Überwachung an einem dafür vorgesehenen Ort" gestellt, weil man ihn der "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsmacht" verdächtigte.



Der Rechtsanwalt Jiang Tianyong verschwand am 21. November 2016, als er nach einem Besuch bei der Frau von Xie Yang auf dem Weg zurück nach Peking war. Er hatte sie und drei weitere Rechtsbeistände zum Haftzentrum Nr. 2 der Stadt Changsha begleitet, um zu versuchen, ein Treffen mit Xie Yang zu arrangieren. Im Februar 2017 veröffentlichten chinesischen Festlandmedien Interviews und per Video aufgenommene "Geständnisse" mit Jiang Tianyong und behaupteten, dass er Folterberichte von Xie Yang konstruiert habe. Sie bezeichneten die ausländischen Medienberichte über Foltervorwürfe von Xie Yang als "Fake-News".



In einem noch nie dagewesenen scharfen Vorgehen der Regierung gegen Menschenrechtsanwält_innen und andere Aktivist_innen sind seit dem 9. Juli 2015 mindestens 248 Anwält_innen und Aktivist_innen von Angehörigen der Staatssicherheit verhört oder inhaftiert worden. Zusätzlich zu der Durchsuchung vieler Büros und Privatwohnungen sind Familienangehörige der Inhaftierten ebenfalls polizeilicher Überwachung, Drangsalierung und Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit ausgesetzt worden.



Jiang Tianyong war bereits in einige prominente Gerichtsverfahren involviert und hat anderen Menschenrechtsverteidiger_innen geholfen. Darunter der Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng, der wegen seiner Menschenrechtsarbeit immer wieder drangsaliert und auch inhaftiert wurde, und der blinde Rechtsaktivist Chen Guangcheng, der aufdeckte, dass Frauen in der Ortschaft Dongshigu in Linyi in der Provinz Shandong von Beamt_innen zu Abtreibungen gezwungen wurden.



Vor seiner derzeitigen Inhaftierung war Jiang Tianyong zuletzt im März 2014 festgenommen worden, nachdem er und drei weitere Anwält_innen Untersuchungen zu einer rechtswidrigen Hafteinrichtung ("Black Jail") in Jiansanjiang in der Provinz Heilongjiang angestellt hatten, in der Falun-Gong-Praktizierende festgehalten werden sollen. Jiang Tianyong wurde im Gewahrsam geschlagen, was acht gebrochene Rippen zur Folge hatte.



Zuvor war Jiang Tianyong im Mai 2012 von Angehörigen der Öffentlichen Sicherheit festgenommen worden, als er Chen Guangcheng im Krankenhaus von Chaoyang im Stadtbezirk Haidian von Peking besuchen wollte. Er wurde neun Stunden lang festgehalten und dabei so schwer verprügelt, dass er eine Trommelfellperforation im linken Ohr davontrug und auf dem rechten Ohr zeitweise nicht richtig hören konnte.





Appell auf Englisch

  • Calling on the authorities to immediately release Jiang Tianyong as he has been charged solely for peacefully exercising his human rights.
  • Urging the authorities to ensure that while detained Jiang Tianyong is protected from torture and other ill-treatment, and that he is allowed access to his family, a lawyer of his choice and adequate medical care.