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Leben in der Giftzone
Roma sind die größte ethnische Minderheit in der EU – und leben fast überall ausgegrenzt, diskriminiert und in Armut. Ihr Zugang zu Bildung, Wohnraum, Arbeit und Gesundheitsversorgung ist eingeschränkt oder wird ihnen verwehrt. Immer wieder werden Roma-Siedlungen rechtswidrig zwangsgeräumt.
Besonders prekär ist die Situation der Roma in Rumänien. Im Vergleich zu anderen Minderheiten sind Roma in Rumänien viel stärker von Armut betroffen. Die Entscheidungen der Behörden drängen sie noch weiter an den Rand der Gesellschaft: "Überall im Land werden Familien gegen ihren Willen aus ihren Häusern vertrieben. Sie verlieren aber nicht nur ihr Zuhause. Sie verlieren ihren Besitz, ihr soziales Umfeld, den Zugang zu Arbeit und staatlicher Hilfen," sagte Halya Gowan, Direktorin des Europa- und Zentralasien-Programms bei Amnesty International.
Der Fall der Roma von Mierurea Ciuc steht beispielhaft für die andauernde Diskriminierung und Ausgrenzung der Roma in Rumänien: 2004 vertrieben die Behörden von Miercurea Ciuc in Zentralrumänien mehr als 100 Roma aus einem Gebäude im Zentrum und siedelten sie außerhalb der Stadt wieder an – in Metallcontainern und in unmittelbarer Nähe einer Kläranlage. Etwa 25 Roma wollten nicht neben der Kläranlage wohnen und zogen es in ihrer Not vor, sich ein paar Kilometer davon entfernt an einer Müllhalde niederzulassen. Obwohl die verantwortlichen Behörden versprochen hatten, dass dies nur für den Übergang sei, leben die Roma-Familien immer noch unter diesen diskriminierenden und gesundheitsgefährdenden Bedingungen. Diese Zwangsräumung war nach internationalen Menschenrechtsstandards eindeutig illegal. Amnesty International fordert die rumänischen Behörden auf, rechtswidrige Zwangsräumungen von Roma zu beenden und den Betroffenen in Miercurea Ciuc endlich eine sichere und hygienisch angemessene Unterkunft zur Verfügung zu stellen.
Halya Gowan: "Es muss jetzt etwas passieren. Ein Zeichen muss gesetzt werden – Zwangsräumungen müssen gestoppt werden und das Recht auf Wohnen muss garantiert werden."
Miercurea Ciuc vertreibt seine Roma
Gyongi Fodor lebt mit ihren Kindern in einer Hütte neben der Müllkippe von Miercurea Ciuc
© Amnesty International
"Sie werden uns erst von hier wegbringen, wenn wir tot sind."
Regina aus der Primaverii-Straße am Stadtrand von Miercurea Ciuc, in einem Gespräch mit Amnesty-MitarbeiterInnen, Mai 2009)
Im Juni 2004 wurden über 100 Roma aus einem Gebäude im Zentrum von Miercurea Ciuc (sprich: "Mjerkurea tschuk"), der Hauptstadt des Kreises Harghita in Zentralrumänien, vertrieben. Einige hatten seit den 1970er Jahren in der Pictor-Nagy-Imre-Staße Nr. 27 gewohnt. Im Lauf der Jahre waren weitere Roma in das Gebäude, das der Stadtverwaltung gehört, eingezogen oder hatten Hütten im dazugehörigen Hof errichtet. 2004 hatten zwölf Roma-Familien ihren legalen Wohnsitz in dem Haus, die anderen Bewohner lebten ohne Mietverträge dort. Behörden und Hausbewohner waren sich einig, dass das Gebäude verfallen und dringend sanierungsbedürftig sei.
Sandor Farkas, einer der aus dem Zentrum von Miercurea Ciuc/Czikszereda vertriebenen Roma
© Amnesty International
Sandor, ein Rom, der über 30 Jahre dort gelebt hatte, sagte gegenüber Amnesty International:
"Die Stadtverwaltung führte jahrelang keine Instandhaltungsarbeiten durch. Wir wandten uns an die Stadtverwaltung, um sie für Reparaturen an der Struktur des Hauses um Hilfe zu bitten. Es war sinnlos. Das Haus begann zu verfallen... Wir gingen oft zur Verwaltung, um sie über den schlechten Zustand zu unterrichten, doch sie sagten uns, sie könnten nichts dagegen tun."
Die Behörden begannen zwar bereits 2001, mit den Bewohnern über eine Evakuierung zu sprechen und sagten, dass sie das Gebäude zu ihrer eigenen Sicherheit verlassen müssten. Dennoch wurden die Roma weder umfassend konsultiert noch über die Pläne umfassend informiert. Sie erhielten keine Gelegenheit, an der Entscheidungsfindung teilzuhaben und auf diese Weise ihre eigene Zukunft mitzugestalten. Die Behörden bemühten sich auch nicht, mögliche Alternativen zur Räumung zu finden. Zwischen 2001 und 2004 hatten die Betroffenen nicht die Möglichkeit, die geplante Räumung anzufechten.
Stattdessen erwarben die Behörden bereits 2001 acht Wohncontainer aus Metall und stellten sie direkt neben der örtlichen Kläranlage in der Primaverii-Straße auf. Laut Angaben der Roma versicherten ihnen die Behörden, die Container seien eine vorübergehende Lösung und man werde ihnen zu gegebener Zeit angemessene Wohnungen zur Verfügung stellen.
Amnesty hat mit vielen Roma gesprochen, die früher in der Pictor-Nagy-Imre-Staße gelebt haben. Nach ihren Aussagen wollten sie nicht wegziehen und hatten den Mitarbeiter/innen der Stadtverwaltung auch deutlich gemacht, dass sie über die geplante Unterbringung in Metallcontainern neben der Kläranlage nicht glücklich seien. Die meisten, die sich schließlich auf den Umzug einließen, taten dies in der Annahme, dass es sich um eine vorübergehende Umsiedlung handelte.
"Als sie uns mitteilten, dass wir umziehen müssten, sagten sie, sie würden uns in die Primaverii-Straße umsiedeln. Das war das einzige, was sie anboten. Sie meinten, wenn wir nicht dahin ziehen wollten, müssten wir auf der Straße leben. Sie würden uns kein anderes Haus geben."
Sandor, Januar 2009
Rechtswidrige Zwangsräumung
Die Bewohner der Pictor-Nagy-Imre-Straße wurden schließlich erst 24 Stunden vor der Räumung mündlich darüber informiert, obwohl es in Rumänien gesetzlich vorgeschrieben ist, alle betroffenen Personen frühzeitig und detailliert schriftlich über eine Räumung und das Räumungsdatum in Kenntnis zu setzen. Es blieb ihnen also nicht einmal die gesetzlich vorgeschriebene Frist von acht Tagen, um ihren Umzug geordnet und aus freien Stücken vorzunehmen.
"Sie kamen und sagten, am nächsten Tag müssten wir ausziehen. Alle packten ihre Habe zusammen und zogen in die Baracken um. Sie gaben uns 24 Stunden Zeit bis zur Umsiedlung. Sie sagten, wenn wir das Gebäude nicht verließen, würden trotzdem Abrissfahrzeuge kommen und es niederreißen."
Sandor, Januar 2009
Damit haben die Behörden nicht nur nationales Recht verletzt. Mit ihrer gesamten Vorgehensweise bei der Vertreibung der Roma haben sie auch alle internationalen Menschenrechtsstandards missachtet, die bei Räumungen zu beachten und in der Allgemeinen Bemerkung Nr. 7 des UN-Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte festgeschrieben sind. Es handelte sich somit um eine rechtswidrige Zwangsräumung, die im Gegensatz zu Rumäniens Verpflichtung steht, internationale und europäische Menschenrechtsstandards einzuhalten.
Überleben in Metallcontainern...
Man wies den Roma ein abgelegenes Gebiet am Stadtrand zu. Etwa 75 Roma – darunter Familien mit kleinen Kindern – leben seit 2004 in acht Metallcontainern und 14 Behelfshütten unter katastrophalen Bedingungen, die in keiner Weise den Grundvoraussetzungen für angemessenes Wohnen entsprechen. Die Container und Hütten bieten keinen Schutz vor Kälte und starkem Regen, und der Gestank der Kläranlage ist unerträglich, vor allem in den Sommermonaten.
Bei dem Gelände handelt es sich um die 300-Meter-Sperrzone, die laut nationalem Gesetz um eine Kläranlage zu ziehen ist, weil gesundheitliche Risiken für Menschen bestehen. Ein Schild mit der Aufschrift "Vergiftungsgefahr" steht dicht neben den Behausungen.
Ausnahmen, d.h. eine Verbreiterung oder Verengung der Schutzzone, sind nach rumänischem Recht möglich – aber nur aufgrund entsprechender Gutachten, die es im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben hat. Ohne Untersuchung des Geländes haben die Behörden die Menschen also direkt in ein Gebiet umgesiedelt, in dem ihre Gesundheit bedroht ist. Die anderen 25 Roma aus der Pictor-Nagy-Imre-Straße haben sich einige Kilometer von der Klärlage entfernt an einer Müllkippe niedergelassen.
"Die Unterkünfte füllen sich mit dem Gestank. Auch nachts… die Kinder legen sich Kissen aufs Gesicht. Bei diesem Geruch mag man nichts essen… Ich hatte noch ein weiteres Kind, einen Jungen, der starb, als er vier Monate alt war… Deshalb habe ich Angst. Ich will nicht auch noch meine anderen Kinder verlieren… Ich würde gern von hier wegziehen; etwas anderes brauche ich nicht."
Ilina, Mai 2009
Forderungen von Amnesty International
Amnesty fordert die rumänische Regierung auf,
-
die Praxis rechtswidriger Zwangsräumungen sofort zu beenden.
-
sicherzustellen, dass alle Roma, die bereits rechtswidrig vertrieben wurden, gemäß internationaler Standards angemessen entschädigt werden.
- das Wohnungsgesetz neu zu formulieren und darin internationale Menschenrechtsstandards zum Recht auf Wohnen sowie zur Vermeidung von rechtswidrigen Zwangsräumungen zu verankern.