Amnesty Report Italien 08. Mai 2010

Amnesty's Kritikpunkte am "Nomaden-Plan"

Bei fast allen Zwangsräumungen im Rahmen des "Nomaden-Plans" wurden grundlegende Menschenrechte missachtet. Lesen Sie hier die zentrale Kritikpunkte von Amnesty International am "Nomaden-Plan" im Detail:

1. Rechtswidrige Zwangsräumungen missachten Menschenrechte

Bei fast allen Zwangsräumungen, die bereits im Rahmen des "Nomaden-Plans" durchgeführt wurden, wurden grundlegende Rechte missachtet: Für die Opfer gab es keinerlei rechtlichen Schutz; nationale und internationale Menschenrechtsstandards wurden verletzt: Die Betroffenen haben keine Möglichkeit, eine Räumung anzufechten oder bei der künftigen Unterbringung mitzureden, geschweige denn darüber mitzubestimmen, in welches der 13 Lager sie kommen. Ersatzunterkünfte, die ihren Bedürfnissen entsprechen würden, fehlen; es gibt keine Entschädigung für die Verluste von Besitztümern, die bei Zwangsräumungen entstehen.

2. Standorte der neuen Lager

Viele Roma, die bisher in Rom oder in den Vororten gelebt haben, sollen nunmehr in die äußersten Randgebiete abgeschoben werden. Die Umsiedlung dorthin hätte für die meisten von ihnen massive negative Auswirkungen, sei es dass der Zugang zu Gesundheitsversorgung und Arbeitsmöglichkeiten erschwert ist oder dass der Schulbesuch der Kinder unterbrochen wird.

3. Unklare Zugangsberechtigung

Es ist nicht klar, wer einen Platz in einem der 13 neuen legalen Lager finden soll. In amtlichen Dokumenten ist der Kreis der Berechtigten vage umschrieben als "diejenigen, die das Recht dazu haben"; eine Definition fehlt indessen ebenso wie ein Hinweis darauf, was mit den 1.200 Roma geschehen soll, die von vorneherein draußen bleiben müssen.

4. Mangel an Konsultation

Abgesehen von wenigen Ausnahmen wurden weder Roma-Vertreter/innen noch Roma-Organisationen oder andere Nichtregierungsorganisationen in die Planung der Umsiedlungen einbezogen. Die betroffenen Roma wissen kaum etwas darüber; die meisten derjenigen, mit denen Amnesty International gesprochen hat, hatten nicht einmal von dem "Nomaden-Plan" gehört.

5. Kein Zugang zu Sozialwohnungen

Für die Roma, deren Lager zerstört werden sollen, gibt es nur zwei Alternativen: den Umzug in ein anderes Lager oder überhaupt keine Unterkunft. Die meisten würden zwar am liebsten in eine normale Wohnung ziehen, können sich aber die Mieten nicht leisten, weil sie nur selten eine feste Arbeitsstelle finden. Bei Zwangsräumungen eine Sozialwohnung als Ersatzunterkunft zu bekommen, ist für Roma unter geltendem Recht so gut wie unmöglich. Diese Alternative gibt es nur, falls eine private Unterkunft geräumt werden muss; ein Platz im Lager gilt jedoch nicht als solche. Da die meisten Roma in der Hauptstadt fast immer in Lagern gelebt haben, sind sie somit de facto vom Zugang zu Sozialwohnungen ausgeschlossen.

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