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Gift und Gegengift

Szenen aus Birgit Weyhes Graphic Novel "Madgermans"
© Birgit Weyhe / avant-verlag
Menschenrechte und Terror, Flucht und Migration sind in diesem Herbst auf der Frankfurter Buchmesse ein wichtiges Thema. Gesetzt haben es jedoch nicht die Veranstalter, sondern die Verlage mit der Auswahl ihrer Neuerscheinungen.
Ein Überblick von Maik Söhler
Mit dem Fokus "Grenzverläufe" zeigte die Frankfurter Buchmesse im vergangenen Jahr, dass sie auf aktuelle politische Themen durchaus reagieren kann. Und auch diesmal wird es vom 19. bis zum 23. Oktober zu zahlreichen Annährungen zwischen Politik und Literatur kommen. Nach dem Gastland des Jahres 2015, Indonesien, kommt in diesem Jahr der Ehrengast Flandern und die Niederlande eher unpolitisch daher.
Umso wichtiger also, dass viele Verlage Neuerscheinungen im Programm haben, die sich dem Thema Menschenrechte in aller Welt widmen. Im Piper-Verlag erscheint Shirin Ebadis "Bis wir frei sind. Mein Kampf für Menschenrechte im Iran". Die Friedensnobelpreisträgerin und ehemalige iranische Richterin legt nach ihrem vor zehn Jahren erschienenen Buch "Mein Iran" noch einmal den Fokus auf die Repression und die Menschenrechtsverletzungen in ihrem Heimatland. Ihr Werk ist ein im Exil geschriebenes Plädoyer für Freiheit und Gerechtigkeit.
Die Edition Lammerhuber veröffentlicht den Bildband "Shaded Memories" von Ann-Christine Woehrl. Die Fotografin war in Kambodscha unterwegs und hat Orte fotografiert, die an den Massenmord unter der Diktatur Pol Pots und der Roten Khmer erinnern. Zwischen 1975 und 1978 starben knapp zwei Millionen Kambodschaner – das Regime ließ sie ermorden, verhungern oder an unbehandelten Krankheiten sterben. Erst der Einmarsch vietnamesischer Truppen beendete 1979 den staatlichen Terror.
Tom Burgis, Auslandsreporter der "Financial Times", schaut sich in "Der Fluch des Reichtums" (Westend-Verlag) die teilweise boomenden Ökonomien in Afrika an und legt dabei auch die systematische Ausbeutung von Menschen und Rohstoffen offen, die stets zu Lasten der afrikanischen Staaten und ihrer Bevölkerungen gehen. Er recherchiert und analysiert Netzwerke der Korruption und zeigt, inwiefern insbesondere China und diverse afrikanische Despoten von der Ausweidung des Kontinents profitieren.
Die Edition Nautilus veröffentlicht einen Band mit Reden des US-Bürgerrechtlers Martin Luther King unter dem Titel: "Ich bin auf dem Gipfel des Berges gewesen". Er enthält unter anderem Analysen der Zeitgeschichte, etwa zu sozialen Brennpunkten in US-Großstädten oder zur Jugendbewegung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zu lesen sind aber auch zeitlose Plädoyers für soziales Engagement und gewaltlosen Widerstand gegen Rassismus. 1964 wurde Martin Luther King mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, 1968 fiel er einem Attentat zum Opfer.
Rassismus und Migration "Der Storch macht keinen Unterschied. Schülerbilder gegen Gewalt und Rassismus", lautet ein interessanter Titel des Verlags Das Wunderhorn. Die Grafikerin Silvia Izi sammelt seit 1992 Bilder von Schülerinnen und Schülern aller Altersgruppen zum Thema "Gewalt und Rassismus" und hat daraus eine Wanderausstellung konzipiert, die von der Unesco-Kommission ausgezeichnet wurde. Eine Auswahl dieser Bilder liegt nun als Buch vor.
Ebenfalls mit dem Thema Rassismus und Migration beschäftigt sich "Neue Heimat Deutschland". Das Sachbuch des Autors und Regisseurs Michael Richter, das in der Edition Körber-Stiftung erscheint, ist ein Plädoyer für Migration. Zuwanderung werde dort zur Erfolgsgeschichte, wo die Integration von Flüchtlingen in Groß- und Kleinstädten tagtäglich gelinge. Der Autor präsentiert Konzepte und Projekte, führt Interviews mit Betroffenen und Akteuren der Zivilgesellschaft und wendet sich auch dem Arbeitsmarkt zu.
Bereits im Sommer sind drei Bücher erschienen, die sich stärker mit den Fluchtursachen beschäftigen. Die beiden jordanischen Wissenschaftler Hassan Abu Hanieh und Mohammad Abu Rumman analysieren in ihrem Buch "IS und Al-Qaida" (Dietz-Verlag) Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Al-Qaida, dem "Islamischen Staat" und anderen dschihadistischen Terrorgruppen sowie ihre Auswirkungen auf den Nahen Osten und damit auch auf Flucht und Migration.
Gleich zwei Autorinnen – Maria Toorpakai mit "Das verborgene Mädchen" (Heyne) und Latifa Nabizada ("Greif nach den Sternen, Schwester", Knaur) – beschreiben die Situation in Pakistan und Afghanistan. Noch immer üben die Taliban systematischen Terror in Afghanistan aus. Teile Pakistans dienen ihnen nicht nur als Rückzugsgebiet, sondern dort terrorisieren sie all jene, die ihnen als "Ungläubige" gelten. Toorpakai gab sich jahrelang als Junge aus, um der Diskriminierung und Entrechtung von Mädchen zu entgehen. Nabizada, einstige Kampfpilotin, später Abteilungsleiterin im afghanischen Verteidigungsministerium, erzählt vom Kampf der Frauen in Afghanistan, der Aggression der Taliban gegen Frauen und von ihrer Flucht nach Österreich, wo sie heute lebt.
Gegen die Angst Paul M. Zulehner, emeritierter Professor für Pastoraltheologie in Wien, stellt Menschenliebe und Solidarität der um sich greifenden Angst vor Migranten und Flüchtlingen in Europa entgegen. Sein Buch "Entängstigt euch!", erschienen bei Patmos, appelliert an Christen wie Nichtchristen, Flüchtlingen human zu begegnen, Ängste zu überwinden und produktiv an einer "zukunftsfähigen Politik" mitzuarbeiten.
Ein bemerkenswertes Buch ist auch Didier Eribons "Rückkehr nach Reims", erschienen bei Suhrkamp. Mit einem außergewöhnlichen Ansatz wendet sich der französische Autor dem Phänomen zu, dass viele Stammwähler linker Parteien (der sozialistischen wie der kommunistischen Partei Frankreichs) zum rassistischen Front National abgewandert sind – darunter auch die Eltern Eribons, die einst Kommunisten waren und heute von Marine Le Pen begeistert sind. Eribon, Foucault-Biograf und selbst homosexuell, untersucht diesen Prozess und nimmt dabei insbesondere die Frage in den Blick, ob der Front National Rassismus und Homophobie schürt oder ob er nur jene Ressentiments und Klischees bedient, die bei den neuen FN-Wählern bereits vorhanden waren, als sie noch sozialistisch oder kommunistisch gewählt haben.

Szenen aus Birgit Weyhes Graphic Novel "Madgermans"
© Zeichnung: Birgit Weyhe / avant-verlag
Zuletzt noch ein Blick in die Geschichte der Migration. Der avant-verlag hat Birgit Weyhes Graphic Novel "Madgermanes" veröffentlicht, in der es um mosambikanische Vertragsarbeiter in der DDR geht. Die Zeichnerin, die ihre Kindheit in Ostafrika verbrachte, schaut auf den Arbeitskräftemangel in den letzten Jahren der DDR. Ende der siebziger Jahre kamen Tausende Arbeitssuchende aus Mosambik, das nach dem Ende des portugiesischen Kolonialismus ein sozialistischer Staat geworden war. Sie kamen in der Hoffnung auf Bildung und einen besseren Lebensstandard. Weyhe porträtiert drei dieser Migranten und ihr Leben in der DDR, das von Rassismus, Isolation und harter Arbeit, anstatt der erhofften Bildung geprägt war. Nach der Wende erfolgte in den meisten Fällen die erzwungene Rückkehr nach Mosambik und die Erkenntnis, jahrelang um 60 Prozent des Arbeitslohns betrogen worden zu sein.
Dieser Artikel ist in der Oktober/November-Ausgabe 2016 des Amnesty Journal erschienen