Amnesty Journal Vereinigte Staaten von Amerika 18. Februar 2016

Verschärfte Zusammenarbeit

Simulierte Folter aus Film "Waiting For The Guards"

Simulierte Folter aus Film "Waiting For The Guards"

Zwei Militärpsychologen der CIA sind mitverantwortlich für die US-Folter von ­Terrorverdächtigen.

Von Maik Söhler

Wer mit Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse, an das Thema Psychologie und Folter herangeht, kann zu einem schlichten Befund kommen: Bei der Folter von Terrorverdächtigen in diversen von der CIA illegal errichteten Gefangenenlagern hat während der Jahre 2002 bis 2007 das "Ich" versagt" und das "Es" gewonnen.

Freud kennzeichnete in seinem dreigliedrigen Modell der menschlichen Psyche das "Ich" als Kontrollzentrum des kritischen Verstandes, das vom "Über-Ich" und vom "Es" beeinflusst werde. Während das "Über-Ich" als moralische ­Instanz über Ge- und Verbote wache, folge das "Es" dem Lustprinzip und damit auch dem Zerstörungstrieb.

Freuds Modell ist hier in mehrerlei Hinsicht interessant, weil das CIA-Folterprogramm unter der Aufsicht der US-Regierung entstand – einer Regierung, der die Gesetzgebung und ­damit die Deutungshoheit über Ge- und Verbote obliegt. Die Durchführung des Folterprogramms wiederum wurde von der CIA mit dem Wissen ebenjener Regierung an zwei Militärpsychologen vergeben, die im "Offiziellen Bericht des US-Senats zum Internierungs- und Verhörprogramm der CIA", der Ende 2014 veröffentlicht wurde, nur "Dr. Grayson Swigert" und "Dr. Hammond Dunbar" genannt werden.

Die richtigen Namen der Psychologen lauten James Mitchell und Bruce Jessen. Sie haben den überwiegenden Teil der systematischen Misshandlung und Folter von Terrorverdächtigen in mindestens 119 Fällen zu verantworten. Und sie haben gut daran verdient: 2005 gründeten sie das Unternehmen "Mitchell Jessen & Associates", mehr als 82 Millionen US-Dollar waren am Ende der Lohn für ihre Expertise bezüglich Waterboardings, Schlafentzugs, Kälte- und Lärmfolter, Schlägen und Würgegriffen.

Man kann also sagen, um ein letztes Mal zur Psychoanalyse zurückzukehren, dass im Fall der US-Folter alle drei Glieder des Freud’schen Modells im negativen Sinne zusammenwirkten: Die Regierung als "Über-Ich" bannte Folter nicht, sondern suchte im Gegenteil neue Begründungen und Legitimationen für die "verschärften Verhörmethoden", denen Gefangene ausgesetzt wurden. Die CIA und andere ausführende Organe bekamen die Freigabe, als "Es" so destruktiv wie möglich in den Grenzen des Erlaubten zu handeln. "Dr. Grayson Swigert" und "Dr. Hammond Dunbar" schließlich verbanden "Über-Ich" und "Es" und schritten zur Ausführung.

Das Ergebnis der Arbeit von Swigert und Dunbar fasste Dianne Feinstein, die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des US-Senats, die den CIA-Folterbericht verantwortet und herausgegeben hat, im Herbst 2014 so zusammen: "Die Haftbedingungen und die Anwendung erlaubter und unerlaubter Verhör- und Konditionierungsverfahren waren grausam, unmenschlich und entwürdigend."

Über zig Seiten ist im offiziell freigegebenen Auszug des CIA-Folterberichts – ein wesentlich größerer Teil liegt nur der US-Regierung vor und wird wohl unter Verschluss bleiben – von der Rolle Swigerts und Dunbars die Rede. Beide haben ihre Erkenntnisse wohl während ihrer Tätigkeit für ein Trainingsprogramm der US-Armee namens "SERE" ("Survival, Evasion, Resistance, Escape") erworben, mit dem US-Soldaten, die in Gefangenschaft geraten, gegen mögliche Folter gewappnet werden sollen.

Mehrfach beriefen sich Swigert und Dunbar, wie aus den vom Geheimdienstausschuss des US-Senats ausgewerteten Quellen – Protokollen, Telexen, E-Mails, Berichten, Plänen, Briefings etc. – hervorgeht, auf Mittel und Methoden des SERE-Programms, darunter auch solche, die selten ("Einpferchen in dunkle Kisten") oder nach bisherigem Kenntnisstand nie ("Einsatz von Insekten", "vorgetäuschte Begräbnisse") zum Einsatz kamen.

Bereits im Juli 2002, so der CIA-Folterbericht, war Swigert (der heute unter seinem richtigen Namen James Mitchell in Florida lebt) an Besprechungen in der CIA-Zentrale beteiligt und setzte sich dabei mit Erfolg für ein Engagement Dunbars ein, der daraufhin einen Vertrag erhielt. Beide Psychologen hatten nachweislich keinerlei Verhörerfahrung, wussten nichts über Al-Qaida und sprachen erst recht kein Arabisch.

Umso diensteifriger gingen die beiden Psychologen anschließend ans Werk. Viele Verhöre in den "Black Sites" genannten Geheimgefängnissen hätten sie persönlich geführt und zwar mit einer Härte, die gestandene CIA-Mitarbeiter dazu brachte, erst Protestnoten einzureichen und schließlich um ihre Versetzung zu bitten. Den überwiegenden Teil des Waterboardings von Khalid Sheikh Mohammed, der mit dieser Methode mindestens 183 Mal gefoltert wurde, hätten Swigert und Dunbar selbst übernommen. Das lässt sich im CIA-Folterbericht nachlesen.

In den USA ist die Debatte über Psychologen, die statt Folter- und Misshandlungsopfern zu helfen selbst misshandeln und foltern, schon in die nächste Phase eingetreten. So steht die American Psychological Association (APA), der mächtige Dachverband der US-Psychologen, nun selbst in der Kritik. Nicht nur, dass kritische Psychologen Abgrenzungen des Verbands zu den Taten Swigerts und Dunbars vermissen, auch eine Verstrickung der APA in die Vorgänge gilt als erwiesen. Joseph Matarrazo etwa, ehemaliger Präsident der APA, war, wenn auch im kleinen Rahmen, finanziell an der Firma "Mitchell Jessen & Associates" beteiligt.

Andere APA-Mitglieder hätten sich an Verhören beteiligt, in denen die Foltermethoden "erzwungene Nacktheit", "Lärm" und "permanente Beleuchtung" zur Anwendung gekommen seien. Die APA habe davon gewusst und ihre Ethikrichtlinie im Jahr 2002 bewusst gelockert. Wo zuvor nur die Ethikrichtlinie des Verbandes als Grundlage des psychologischen Handelns genannt wurde, sei hinzugefügt worden, dass durchaus auch einer gesetzlichen Anordnung Folge geleistet werden könne.

In der "New York Times" bekräftigte der Pulitzer-Preisträger James Risen Ende April bereits zuvor von ihm erhobene Vorwürfe gegen die APA, diese habe enger mit der US-Regierung unter George W. Bush zusammengearbeitet als bisher bekannt gewesen sei. Die APA habe der Regierung bei juristischen und ethischen Formulierungen geholfen, um den Vorwurf der Folter gegenüber Kritikern zu entkräftigen und so die ""verschärften Verhörmethoden" als legitim erscheinen zu lassen.

Ein im Juli veröffentlichter Bericht, den die APA zu ihrer ­eigenen Rolle im CIA-Folterskandal in Auftrag gegeben hat, kommt zu ähnlichen Schlüssen. Der ehemalige Ethikdirektor der APA, Stephen Behnke, habe im Geheimen Aussagen der APA zu den "verschärften Verhörmethoden" mit einem Militärpsychologen abgestimmt. Im Gegenzug erhielt er vom Pentagon einen Vertrag und durfte Verhörspezialisten trainieren.

Die American Psychological Association hat sich erst nach Monaten der öffentlichen Kritik zur Selbstkritik durchringen können. Man bedauere zutiefst und entschuldige sich für das eigene Verhalten und die Konsequenzen. Es würden Vorschläge erarbeitet, um die Teilhabe von Psychologen an Verhören künftig zu unterbinden. Auch die Ethikrichtlinien des Verbandes sollen abermals überarbeitet werden.

Der Autor ist Journalist und lebt in Berlin.

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