Amnesty Journal Vereinigte Staaten von Amerika 18. Juli 2013

Wenn der Bote die Botschaft nicht versteht

US-Starautor Tom Wolfe behandelt in seinem neuen Roman das Zusammenleben von Migranten und den Rassismus der Polizei in Florida – und sieht dabei alt aus.

Von Maik Söhler

Tom Wolfe, seit Jahren gefeierter US-Schriftsteller ("Fegefeuer der Eitelkeiten", 1987, "Ein ganzer Kerl", 1998) liefert uns einen guten Vorwand, um endlich mal vom Grundsatz abzukommen, dass der Bote nicht für die (schlechte) Botschaft verantwortlich ist. Ist er nämlich doch, wie sein neuer Roman "Back To Blood" beweist – ein Altherrenlamento auf mehr als 750 Seiten über die misslungene Integration von Migranten und gesellschaftlichen Zerfall in Florida.

Nestor Camacho, der Protagonist des Buches, braucht nur wenige Tage im Dienst der Wasserschutzpolizei, um sich in Florida unbeliebt zu machen. Ein kubanischer Flüchtling hat ein kleines Schiff geentert und sich auf dem Mast verschanzt – nur wenige Meter vor dem Hafengelände. Erreicht er das Festland, wird er Asyl in den USA bekommen. Wird er auf dem Wasser abgefangen, so wird es vorerst nichts mit dem Asyl. Die Küstenwache hat dann über seinen Fall zu befinden, im ungünstigsten Fall droht die Abschiebung nach Kuba. Ausgerechnet Camacho, Sohn kubanischer Eltern, ist es, der den Flüchtling auf spektakuläre Art vom Mast holt, bevor er das Festland erreichen kann.

Die exilkubanische Gemeinde Floridas läuft Sturm. Selbst seine Eltern lassen den Polizisten fortan links liegen. Der Bürgermeister und der Polizeipräsident geraten darüber in Streit, wie mit Camacho weiter zu verfahren sei. Nach seiner Versetzung zu einer Spezialeinheit kommt es zum nächsten Eklat. Zwei schwarze Dealer wehren sich, als sie von Camacho und einem Kollegen festgenommen werden. Im Handgemenge fallen rassistische Beleidigungen, ein Video des Vorfalls landet auf YouTube, der Streit zwischen dem Bürgermeister mit kubanischem Migrationshintergrund und dem schwarzen Polizeichef gewinnt an Härte.

Wolfes Setting ist gut geeignet, um viele der Widersprüche und sozialen Probleme literarisch zu behandeln, die die Geschichte der Migration in den USA mit sich bringen kann. Die Botschaft ist klar. Doch der Bote vermag ihre Komplexität nicht zu begreifen. Anders als in "Fegefeuer der Eitelkeiten" fehlen die vielen kleinen Details, die die Grauzone des Menschlichen zwischen Heldengeschichten und Chroniken des Versagens ausmachen und die all jene verschiedenen Formen von Zusammengehörigkeit (zu einer Gemeinschaft, einer Stadt, einem Beruf, ­einer sozialen Schicht) aufeinanderprallen lassen.

Statt widerstreitenden Motiven innerhalb einer Person und ihrer Umgebung liefert uns Wolfe Klischees satt. Klischees über Exilkubaner, Schwarze und Haitianer. Klischees über Dealer, ­Polizisten und Journalisten. Klischees über Männer und Frauen, Arme und Reiche, Junge und Alte. Der ganze Roman ist ein einziges Klischee. Schade.

Tom Wolfe: Back To Blood. Aus dem Amerikanischen von Wolfgang Müller. Karl Blessing Verlag, München 2013, 768 Seiten, 24,99 Euro.

Weitere Artikel