Amnesty Journal Europa und Zentralasien 24. Juli 2013

Griechische ­Tragödie

Nach ihrem Selbstverständnis ist die Europäische Union ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Ein Versprechen, das offenbar abrupt an den Außengrenzen endet und nicht für Migranten und Flüchtlinge gilt. Denn diese werden dort behandelt, als hätten sie keine Rechte und als besäßen sie nur die Freiheit, dorthin zurückzukehren, wo sie hergekommen sind. Sie werden nicht als Schutzsuchende wahrgenommen, die vor schweren Menschenrechtsverletzungen und wirtschaftlicher Not fliehen, sondern als Sicherheitsproblem und als potenzielle Kriminelle.

Mit ungeheurem Aufwand wurde deshalb in den vergangenen Jahren die griechisch-türkische Grenze abgesichert – mit Zäunen, Gräben, Hubschraubern, Spürhunden, Wärmebildkameras, Nachtsichtgeräten und anderen Sensoren. Dennoch versuchen mehrere Tausend Migranten jeden Monat diese Grenze zu passieren. Weil der Landweg mittlerweile aber fast hermetisch abgeriegelt ist, wählen sie häufig die gefährliche Route über das Mittelmeer. Mit fatalen Folgen, denn die griechische Küstenwache versucht mit allen Mitteln, die Flüchtlinge auf See abzuwehren: Sie macht Flüchtlingsboote manövrierunfähig und schiebt sie in türkische Gewässer zurück. Damit setzt sie das Leben von Männern, Frauen und Kindern aus Ländern wie Syrien und Afghanistan aufs Spiel, wie ein im Juli vorgestellter Amnesty-Bericht feststellt. Mehr als hundert Menschen sind seit August 2012 ertrunken, als sie versuchten, Griechenland zu erreichen.

Amnesty hat in dem Bericht 39 Vorfälle dokumentiert, bei denen Menschen beim Versuch, die Ägäis oder den Fluss Evros zu überqueren, in die Türkei zurückgedrängt wurden. Außer den "Push-Backs" und kollektiven Ausweisungen kritisiert Amnesty die lange Inhaftierung von Asylsuchenden und Migranten. Asylsuchende, die nichts getan haben, als Schutz in der EU zu suchen, werden über Monate und zum Teil Jahre in Haft gehalten, darunter auch Kinder. Oft herrschen in den griechischen Hafteinrichtungen unmenschliche Bedingungen. Flüchtlinge und Migranten sind auch von den Sparmaßnahmen infolge der Wirtschaftskrise am stärksten betroffen: Weil es keine Unterstützungsmaßnahmen mehr gibt, können viele in Griechenland nicht mehr überleben. Doch anstatt dem Land bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu helfen, versucht die EU, die Grenzen weiter abzuschotten.

Anton Landgraf ist verantwortlicher Redakteur des Amnesty Journals.

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