Amnesty Report Vereinigte Arabische Emirate 21. Mai 2017

Vereinigte Arabische Emirate 2017

Amnesty Report 2016 / 2017

Die Regierung schränkte die Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit 2016 weiterhin willkürlich ein. Regierungskritiker, Oppositionelle und ausländische Staatsangehörige wurden festgenommen und strafrechtlich verfolgt. Als Grundlage dienten die Strafgesetzgebung zu Diffamierung und das Antiterrorgesetz. Verschwindenlassen, unfaire Gerichtsverfahren sowie Folter und andere Misshandlungen blieben an der Tagesordnung. Zahlreiche Menschen, darunter auch gewaltlose politische Gefangene, die in den vergangenen Jahren in unfairen Prozessen verurteilt worden waren, befanden sich noch immer in Haft. Frauen wurden nach wie vor durch Gesetze und im täglichen Leben diskriminiert. Arbeitsmigranten wurden ausgebeutet und missbraucht. Gerichte verhängten weiterhin Todesurteile. Es gab jedoch keine Meldungen über Hinrichtungen.

HINTERGRUND

Die Vereinigten Arabischen Emirate waren 2016 weiterhin Teil der von Saudi-Arabien geführten internationalen Militärallianz, die in den bewaffneten Konflikt im Jemen eingriff (siehe Länderbericht Jemen). Außerdem beteiligte sich das Land an der internationalen Militäraktion gegen die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak.

Im August 2016 erklärte sich die Regierung bereit, 15 Gefangene aus dem US-Gefangenenlager Guantánamo Bay in den Vereinigten Arabischen Emiraten aufzunehmen.

Anfragen des UN-Sonderberichterstatters über Folter und anderer UN-Menschenrechtsexperten, die das Land besuchen wollten, beantwortete die Regierung nicht.

RECHTE AUF MEINUNGS- UND VEREINIGUNGSFREIHEIT

Die Behörden verschärften 2016 das Gesetz über elektronische Information und schränkten die Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit im Internet ein; zudem erließen sie Gesetze zum Verbot der Nutzung virtueller privater Netzwerke. Friedliche Kritiker und andere Personen, darunter ausländische Staatsangehörige, wurden wegen Diffamierung gemäß Strafgesetzbuch, wegen Verstößen gegen das Gesetz zur Internetkriminalität aus dem Jahr 2012 sowie aufgrund des Antiterrorgesetzes von 2014 festgenommen und strafrechtlich verfolgt. Ihre Verfahren vor der Staatsschutzkammer des Obersten Gerichtshofs waren unfair und entsprachen nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren.

Im Mai 2016 sprach die Staatsschutzkammer Moza 'Abdouli vom Vorwurf der "Diffamierung" von Führungspersönlichkeiten und politischen Institutionen der Vereinigten Arabischen Emirate und der "Verbreitung falscher Informationen" frei. Moza 'Abdouli war im November 2015 zusammen mit ihrer Schwester Amina 'Abdouli und ihrem Bruder Mos'ab 'Abdouli festgenommen worden. Ein weiterer Bruder, Waleed 'Abdouli, wurde im März 2016 ohne Anklage freigelassen. Er war im November 2015 festgenommen worden, nachdem er die Inhaftierung seiner Geschwister beim Freitagsgebet kritisiert hatte.

Der jordanische Journalist Tayseer al-Najjar, der im Dezember 2015 festgenommen worden war, saß Ende 2016 nach wie vor in Haft und wartete auf sein Verfahren vor der Staatsschutzkammer. Hintergrund waren offenbar kritische Äußerungen über die Vereinigten Arabischen Emirate auf Facebook. Außerdem wurden ihm Verbindungen zur verbotenen ägyptischen Muslimbruderschaft nachgesagt. Im Oktober 2016 berichtete er seiner Frau, dass sich sein Augenlicht in der Haft verschlechtert habe.

Im August 2016 soll die Regierung hinter dem Versuch gestanden haben, das Mobiltelefon des Menschenrechtsverteidigers Ahmed Mansoor auszulesen. Wäre der Versuch erfolgreich gewesen, hätten die Behörden Zugang zu allen Informationen auf dem Gerät erlangt. Über den Fernzugriff wäre außerdem die Steuerung der Anwendungen, des Mikrofons und der Kamera des Mobiltelefons möglich gewesen. Die hochentwickelte Spionagesoftware, die dafür notwendig ist, wird von NSO Group vertrieben, einer US-amerikanischen Firma mit Sitz in Israel, die ihr Produkt nach eigenen Angaben ausschließlich an Regierungen verkauft.

Der Menschenrechtsverteidiger und gewaltlose politische Gefangene Dr. Mohammad al-Roken musste weiterhin eine Gefängnisstrafe von zehn Jahren verbüßen. Das Urteil war im Jahr 2013 nach einem unfairen Massenprozess ergangen, der unter der Bezeichnung VAE 94 bekannt geworden ist.

VERSCHWINDENLASSEN

Die Behörden ließen 2016 zahlreiche Personen "verschwinden", darunter auch ausländische Staatsangehörige. Die Betroffenen wurden monatelang ohne Kontakt zur Außenwelt an geheimen Orten festgehalten und verhört. Nach ihrer Freilassung berichteten viele der Gefangenen, sie seien gefoltert und anderweitig misshandelt worden.

'Abdulrahman Bin Sobeih war drei Monate lang "verschwunden", nachdem Indonesien ihn im Dezember 2015 in die Vereinigten Arabischen Emirate abgeschoben hatte. Er war 2013 im Rahmen des Massenprozesses VAE 94 in Abwesenheit zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden. In einem Wiederaufnahmeverfahren im November 2016 wurde er zu zehn Jahren Haft und darauf folgenden drei Jahren Überwachung verurteilt.

Der Wirtschaftswissenschaftler und gewaltlose politische Gefangene Dr. Nasser Bin Ghaith, der im August 2015 festgenommen worden war, blieb bis April 2016 "verschwunden". Er wurde erst wieder gesehen, als sein Prozess vor der Staatsschutzkammer des Obersten Gerichtshofs begann. Die gegen ihn erhobenen Anklagen bezogen sich ausschließlich auf die friedliche Wahrnehmung seiner Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit. Dr. Nasser Bin Ghaith sagte vor Gericht aus, man habe ihn in der Haft gefoltert und anderweitig misshandelt. Der Richter ordnete jedoch keine Untersuchung der Vorwürfe an. Im Dezember 2016 wurde das Verfahren an ein Berufungsgericht übertragen.

FOLTER UND ANDERE MISSHANDLUNGEN

Folter und andere Misshandlungen von Inhaftierten waren 2016 weiterhin an der Tagesordnung und blieben straffrei. Vor allem Personen, die Opfer des Verschwindenlassens wurden, liefen Gefahr, gefoltert und anderweitig misshandelt zu werden. Weder die Regierung noch die Staatsschutzkammer des Obersten Gerichtshofs leiteten unabhängige Untersuchungen der von den Gefangenen erhobenen Foltervorwürfe ein.

Zwischen März und Juni 2016 wurden sechs von mindestens zwölf Männern aus Libyen freigelassen, die 2014 und 2015 festgenommen worden waren. Zuvor hatte die Staatsschutzkammer sie von dem Vorwurf freigesprochen, libysche bewaffnete Gruppen unterstützt zu haben. Bevor sie 2015 vor Gericht gestellt wurden, hatten Angehörige der Staatsicherheit mindestens zehn von ihnen monatelang ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten und gefoltert, u. a. durch Schläge, Elektroschocks und Schlafentzug. Das Schicksal von zwei der Männer blieb 2016 ungeklärt; zu den 2016 freigelassenen Gefangenen zählten Salim al-Aradi, der sowohl libyscher als auch kanadischer Staatsbürger ist, sowie Kamal Eldarat und sein Sohn Mohammed Eldarat, die beide neben der libyschen auch die US-amerikanische Staatsangehörigkeit besitzen.

UNFAIRE GERICHTSVERFAHREN

Zahlreichen Personen, darunter auch ausländischen Staatsangehörigen, wurde 2016 vor der Staatsschutzkammer des Obersten Gerichtshofs der Prozess gemacht. In vielen Fällen waren die Anklagen vage formuliert und bezogen sich auf die nationale Sicherheit. Das Gericht verweigerte den Angeklagten ihr Recht auf angemessenen Rechtsbeistand und verurteilte sie auf der Grundlage von Beweisen, die unter Folter zustande gekommen waren. Im Dezember 2016 erließ die Regierung Rechtsvorschriften, die es ermöglichen, in Verfahren, bei denen es um die nationale Sicherheit geht, Rechtsmittel gegen Urteile einzulegen.

Im März 2016 sprach die Staatsschutzkammer 34 Männer schuldig, denen u. a. zur Last gelegt wurde, sie hätten die Jugendgruppe Minarett (Shabab al-Manara) gegründet, um die Regierung zu stürzen und ein Kalifat nach dem Vorbild des IS zu errichten. Sie erhielten Gefängnisstrafen von drei Jahren bis lebenslang. Nach ihrer Festnahme im Jahr 2013 waren die Angeklagten 20 Monate lang "verschwunden". Einige von ihnen wurden offenbar auf der Grundlage von "Geständnissen" verurteilt, die ihren Angaben zufolge unter Folter erpresst worden waren.

Im Juni 2016 verurteilte die Staatsschutzkammer den ägyptischen Staatsbürger Mosaab Ahmed 'Abdel-'Aziz Ramadan zu drei Jahren Haft. Er wurde für schuldig befunden, in den Vereinigten Arabischen Emiraten eine "internationale Gruppe mit Kontakten zur ägyptischen Muslimbruderschaft" geleitet zu haben. Vor seiner Gerichtsverhandlung war er mehrere Monate lang "verschwunden". Der Angeklagte gab an, Angehörige der Sicherheitskräfte hätten ihn während dieser Zeit unter Folter zu einem "Geständnis" gezwungen.

FRAUENRECHTE

Frauen wurden weiterhin durch Gesetze und im täglichen Leben benachteiligt. Dies galt insbesondere in Bezug auf Eheschließung, Scheidung, Sorgerecht für die Kinder und Erbschaftsangelegenheiten. Sie waren außerdem nicht ausreichend gegen sexualisierte und häusliche Gewalt geschützt.

RECHTE VON ARBEITSMIGRANTEN

Arbeitsmigranten, die rund 90 % der Arbeitnehmer der Vereinigten Arabischen Emirate stellten, wurden weiterhin ausgebeutet und misshandelt. Aufgrund des Sponsorensystems (kafala) waren sie nach wie vor eng an ihre Arbeitgeber gebunden und hatten kein Recht auf Tarifverhandlungen. Gewerkschaften blieben verboten, und Arbeitsmigranten, die an Streiks teilnahmen, mussten mit Abschiebung und einem einjährigen Wiedereinreiseverbot in die Vereinigten Arabischen Emirate rechnen.

Im Januar 2016 traten die Ministerialdekrete 764, 765 und 767 aus dem Jahr 2015 in Kraft, die nach Angaben der Regierung Abhilfe gegen einen Teil der Missstände schaffen sollten. Dazu zählte die langjährige Praxis, dass Arbeitsmigranten nach ihrer Ankunft in den Vereinigten Arabischen Emiraten einen neuen Arbeitsvertrag mit niedrigerer Bezahlung unterzeichnen mussten.

Die Dekrete galten nicht für Hausangestellte, bei denen es sich zumeist um Frauen aus Asien und Afrika handelte. Sie waren weiterhin von den Schutzvorschriften des Arbeitsgesetzes ausgenommen und in starkem Maße gefährdet, Opfer von Ausbeutung und schweren Menschenrechtsverstößen wie Zwangsarbeit und Menschenhandel zu werden.

TODESSTRAFE

Gerichte verhängten 2016 weiterhin Todesurteile. Es gab jedoch keine Meldungen über Hinrichtungen. Das Gesetz 7/2016, das sich u. a. auf den Datenschutz bezieht, dehnte den Anwendungsbereich der Todesstrafe aus.

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